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KÜNSTLICH IST NICHT GLEICH KUNST

Frau HoffmannKein Bundesbürger wird sich später darauf herausreden können, er habe nichts gewusst. Diese kollektive Ausrede der Deutschen hat nach dem letzten Krieg noch einigermaßen funktioniert. Damit kann sich heute niemand mehr entschuldigen. Sogar die letzte Aktivistin der Mein-Name-ist-Hase-Fraktion, unsere beliebte Kanzlerin, macht sich nur lächerlich, wenn sie das Dummchen aus der Uckermark spielt angesichts der Mithilfe unseres Geheimdienstes an der welt­weiten, großen Ausspähaktion.

Nun gibt es viele Zeitgenossen, denen sind ihre Grundrechte egal, solange das Kilo Grillfleisch nicht mehr kostet als eine Sechserpackung Leichtbier. Das aber sind genau jene Konsumenten, die sich in unserer Konsumwelt bewegen wie die Affen im Zoo. Finden sie eine Spinne zwischen den Bananen, kreischen sie vor Wut, aber der Anblick eines Sauriers lässt sie kalt, weil sie sich sagen: Saurier sind ausgestorben.

Im Grunde haben sie Recht. Was aber ist mit den Warnungen der Presse vor giftigen Rückständen im Blumenkohl, vor Hormonen in Hähnchen, vor den Mastmethoden der Bauern und ihren Missbrauch von Insektiziden?

Unseren Medien kann man keine Vorwürfe machen. Sie informieren immer wieder und immer besser über die Skrupellosigkeit unserer Nahrungsmittelindustrie. Es gibt ausführliche Fernsehbeiträge; Tageszeitungen bringen seitenlange Enthüllungen; Autoren wie Hans-Ullrich Grimm („Die Suppe lügt“) schreiben ein Buch nach dem anderen, wie die großen Konzerne Milliarden verdienen, indem sie unser Essen denaturieren.

Die vorläufig neueste Untersuchung über moderne Lebensmittel, ihre Naturferne und ihre Montage, veröffentlichte der SPIEGEL in einer Titelgeschichte der Nummer 31 vom 29.7.2013. Ein weiterer Baustein in der Beweiskette zum Mord an der Natürlichkeit unseres Essens. Sollte man lesen; damit später niemand sagen kann, er habe von nichts gewusst.

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KALTE SUPPEN

Frau HoffmannMisstrauische Leser mögen hinter dieser Überschrift eine Diatribe vermuten, eine politische Unmutsbekundung wie „Kalter Kaffee“ angesichts der Wahlversprechungen, welche zur Zeit von allen Parteien wiederholt werden wie das Amen in der Kirche, weil Wahlversprechungen nichts anderes sind als eben kalter Kaffee.

Aber bei diesen Außentemperaturen (und beim Anblick von Ministern wie Friederich, Pofalla und de Maizière, die als Merkels Schoßhunde jeder Kaffeesatzdeponie zur Zierde gereichen würden), ist mir die Lust am Spaß vergangen.

Ich meine es wörtlich. Der heiße Sommer hat das Nächstliegende bewirkt: Die kochende Elite wurde daran erinnert, dass es in der spanischen Küche eine Gemüsesuppe speziell für den heißen Sommer gibt: sie wird eiskalt serviert, und hat eine abführende Wirkung, wie die erwähnten Wauwaus: die Gaspacho.

Sie wird erst gar nicht gekocht, das macht ihre Herstellung so einfach. Und sie schmeckt wirklich hervorragend. Ihre Hauptbestandteile sind Tomate, Paprikaschote und Gurke. Auch wenn es viele Variationen der Gaspacho gibt, so sollte Kümmel als Gewürz nie fehlen.

Wegen ihrer Einfachheit hat die Gaspacho eine andere kalte Sommersuppe völlig verdängt, die Vichyssoise. Die hat nämlich einen Nachteil in den Augen der Großküchen und Fabriken: man muss sie tatsächlich zuerst kochen wie jede andere Suppe auch. Also einen Arbeitsgang zuviel.

Diese Suppe heißt Vichyssoise und ist als warme Version in vielen Haushaltungen die Rettung einfallsloser Hausfrauen, weil sie als Lauchkartoffelsuppe zu den einfachsten Gerichten überhaupt gehört, darüberhinaus aber unwiderstehlich delikat schmeckt.

Dazu werden 4 Lauchstangen in Scheiben geschnitten, 300 g Kartoffeln sowie eine Zwiebel geschält und gewürfelt. Lauch und Zwiebel in Butter weich dünsten, ohne dass sie Farbe annehmen. Die Kartoffeln dazu geben und mit 1 Liter Hühnerbrühe aufgießen. Langsam 30 Minuten kochen lassen, dabei salzen und pfeffern. Durch ein Sieb passieren, 200 g Sahne dazu gießen, noch einmal kurz aufkochen. Klassisch geschulte Köche passieren die Suppe jetzt durch ein Tuch, was ich für überflüssig halte, wenn anständig gewürzt wurde. Dazu kann geriebener Ingwer ebenso dienen wie eine Prise Cayenne. Danach wird der Topf (die Schüssel) in den Kühlschrank gestellt, bis die Suppe eiskalt in Tassen serviert werden kann. Kurz vorher mit fein gehacktem Schnittlauch dekorieren.

Von dieser eher deftigen Variante unterscheidet sich die KALTE GURKENSUPPE der Schweizer Köchin Marianne Kaltenbach erheblich. Nicht in technischer Hinsicht, aber den Lauch ersetzt sie durch frisches Gurkenfleisch, Kartoffeln werden bei ihr gar nicht verwendet. Dadurch erspart sie sich das Kochen. Allerdings enthält ihr Rezept eine Hürde, die ich für interessant, wenn auch nicht für einleuchtend halte. Sie verlangt, dass das mit den Kernen ausgekratzte Fleisch so sorgfältig passiert wird, bis die Kerne „trocken im Sieb“ liegen. Dann wird das Fleisch zusammen mit den gewürfelten Gurkenhälften im Mixer mit 1 EL Sauerrahm, 100 g Jogurt und 6 EL Sahne püriert. Mit Pfeffer und Salz abschmecken und mit zerrupfter Dillblüte dekorieren. (Die ‚trockenen Kerne‘ sind eine Sparmaßnahme, die für zusätzlichen Saft sorgt.)

NACH DIESEM PRINZIP lassen sich einige kalte Sommersuppen herstellen, die den bürgerlichen Mittagstisch nicht nur während der Hundstage deutlich bereichern können.

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WAR KEIN SCHWEIN

Frau HoffmannHeute ist der bisherige Höhepunkt der diesjährigen Sommerhitze; gefühlte 36 Grad Celsius. Da ist nix mit Kochen und Schlemmen. Nicht einmal die hiesigen Gartenwirtschaften verlocken. Wer benutzt schon seinen Garten, wenn die Vögel vom Hitzschlag getroffen links und rechts aus den Zweigen in die Schwarzwälder Kirschtorte fallen.

Einer meiner stolzen Söhne sah so einen unglücklichen Piep­matz auf das Dach eines Schuppen plumpsen. Mit übermenschlicher Empathie ausgestattet, kletterte er zur Rettung des gefiederten Freundes hinterher – und brach krachend ein. (Doppelter Kieferbruch und andere Beschädigungen schmerzhafter Art).

Dieses Beispiel sollte uns mahnen, zu überlegen, bevor wir Frau Merkel und ihrer Partei zu Hilfe eilen. Außerdem kann es sein, dass der Vogel keiner Hilfe bedurfte, weil ihn kein Hitzschlag traf, sondern die eigene Mutter ihn, der sich als faul und gefräßig erwies, resolut aus dem Nest geschmissen hatte.

Der Grund der Tragödie in dem Berliner Hof lässt sich im nachhinein kaum noch feststellen. Wär’s ein Schwein gewesen oder ein Schornsteinfeger, hätte ein Blick auf das Bio-Certifikat genügt, um uns zu beruhigen. So bleibt die Ungewissheit: Ob es endlich kühler wird?

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SIE WEISS VON NICHTS

Frau HoffmannWo ich esse – diese Frage, welche erst vollständig beantwortet ist, wenn ich auch noch beschreibe, was ich esse, bzw gegessen habe – wird nur manchmal vollständig beant­wortet. Weil sich kaum jemand für die Banalitäten interessieren wird, mit dem ich mich täglich am Leben halte. Das WO darf man dann getrost einem immerwährenden Kalender zuordnen: In der Burg, etwas erhöhter und deshalb lauter als es in anderen Esszimmern zugeht. Besonders jetzt im Sommer übersteigt der Geräuschpegel jedes erträgliche Maß (Kin­dergeschrei, Rasenmäher, Hundegebell, Eisenbahnrattern,), da kann es schon mal passieren, dass ich mit Madame in die nächste Kneipe flüchte, wo wir beim Essen nicht terrorisiert werden.

Kann auch sein, dass mir der Appetit vergeht, weil ich die Zeitungen vom Tage gelesen habe. Wie heute. Dieser 11. Juli war der schwärzeste Tag in der Geschichte unserer Medien. Weil erst heute eine gewichtige Stimme sich erhob und lautstark Asyl für Edward Snowden forderte. Rolf Hochhuth schrieb einen offenen Brief an Frau Merkel, den die FAZ veröffentlichte. Ich hätte ihn lieber auf der ersten Seite von BILD gelesen (wegen der Verbreitung) oder der ZEIT (wegen der Gewichtigkeit). Aber sei’s drum. Dass es nicht Grass war, der ihn geschrieben hat oder Walser oder sonst jemand aus der Riege der intellektuellen Whistleblower geht in Ordnung, weil sie es keineswegs eindringlicher oder menschlicher formuliert hätten. Den Appetit verschlug es mir, als ich überlegte, wie lange es gedauert hat, bis einer aussprach, was jeder rechtschaffene Demokrat dachte, dass nämlich ein Teil unserer Intelligenzia Hitler und die Stasi nur überlebt hat, weil ihm ein anderer Staat Asyl gewährte. Auch die USA.

Als hätte das nicht gereicht, mir mein Essen zu verderben, lese ich in der ZEIT ein Interview mit Frau Merkel zum Fall Snowden, worin sie an Feigheit und Herzlosigkeit nicht zu übertreffen ist. Sie windet sich nicht einmal bei der Asylfrage, sie versteinert. Um ihre persönliche Meinung gebeten, bekennt sie, keine zu haben. Unsere Bundeskanzlerin reagiert wie der sprichwörtliche Hase: Mein Name ist Merkel, ich weiß von nichts.

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UNAUSWEICHLICHE ANFÄNGE

Frau HoffmannHier ist endlich mal wieder ein gute Nachricht. Sie betrifft in erster Linie die Biertrinker, und ob sie hält, was sie verspricht, wird sich noch herausstellen.

Wie ich dem Wirtschaftsteil meiner Tageszeitung entnehme, verzeichnen private Kleinbrauereien einen deutlichen Zuwachs im Gegensatz zu den alten klassischen Bierbrauern. Einen Zusatz nicht an getrunkenem Bier, sondern an Häusern, die das Bier herstellen.

Das ist meine Prognose seit Jahr und Tag, dass nämlich kleine, Qualität produzierende Betriebe sich vermehren werden, und zwar als Reaktion auf die Massenproduktion im allgemeinen. Das betrifft natürlich in erster Linie die Landwirtschaft. Eine ökologische Obst- und Gemüseproduktion ist heute kein Sonderfall mehr, sondern kennzeichnend für die gesteigerten Informationen der Verbraucher. Wer immer wieder auf die Mängel industrialisierter Lebensmittel hingewiesen wird, sei es Gift im Salat oder Pferdefleisch wo Rindfleisch draufsteht, der glaubt schließlich gar nichts mehr und sinnt auf Abhilfe. Deshalb haben sie Konjunktur, die klei­nen, neuen Brauereien, die Käsereien, die Verfertiger von selbstgemachten Konfitüren und Pralinen, die gewissenhaften Bäckereien, die Kräutersammler und Bio-Imker – kurzum, wer die Schnauze voll hat von all dem Dreck, den uns die in Massen produzierende Industrie zumutet, der reagiert wie unzufriedenen Konsumenten und wütende Bürger überall reagieren. Das ist unausweichlich; es ist der Prozess, an dessen Ende die Rebellion steht.

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ROHFISCH VOR MUMIEN

Frau HoffmannOhne Neugier gibt es keinen Genuss. Das bedeutet, um eine angeblich delikate Mahlzeit zu erleben, unternimmt der Genießer lange Reisen. Einige werden sich erinnern: Vor zirka zwanzig Jahren fuhr ich speziell nach Flandern, weil mir gesagt wurde, es stünden dort in einer Dorfkneipe Ratten auf der Speisekarte. Ich fuhr sofort hin und stellte fest: es waren Bisamratten, und sie schmeckten nicht schlecht. Jetzt war ich einige Tage in Amsterdam, weil die jungen, fetten Heringe, die bei uns Matjes genannt werden, Saison haben. Ich rede hier von nicht eingefrorenen Heringen; denn angeblich dürfen sie bei uns nur tiefgefroren eingeführt werden. Bei den irrationalen Brüsseler Vorschriften, muss man das glauben. Und wer es glaubt, muss sich sagen, dass er hierzulande nur Matjes aß, die schon einmal eingefroren waren. Also nicht solche, welche sich die Holländer auf der Straße genussvoll in den Mund schieben.

Ich bin ein bekennender Liebhaber der Jungheringe, und die Vorstellung, jenseits der Grenze würden sie in besserer, optimaler Qualität angeboten, ließ mir keine Ruhe. Also fuhr ich mit der Bahn nach Amsterdam.

Dort irrte ich zunächst lange durch die Grachten, sah aber keine Matjes schluckende Holländer. Ich sah viele Menschen und die meisten saßen auf Fahrrädern. Dass man während des Fahrens keine Matjes essen kann, leuchtete mir ein. Dafür telefonierten die Eingeborenen wie verrückt. Danach ketteten sie ihre Räder an irgend welche eisernen Geländer und zwar mit einer Sorgfalt, die ich ihnen beim Verzehr der Jungheringe zugetraut hätte. Aber wie es schien, hatte ich die Bedeutung der frischen Matjes für niederländische Feinschmecker überschätzt. Insgesamt fand ich in der Innenstadt drei kleine Buden, wo Fettfische zu kaufen waren. Die Buden waren so gastlich wie unsere Currywurststände, die Fische aber längst nicht so populär. Meine Frage an den Fischhändler, ob er sich die Matjes auch tiefgefroren vorstellen könnte, blieb wegen Sprachschwierigkeiten unbeantwortet.

Ungeklärt blieb auch eine andere Beobachtung, die ich bei dieser Gelegenheit machte. Sie betraf die angeketteten Fahrräder. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass es uralte Mumien waren, die in Freiburg kein Fahrraddieb eines Blickes würdigen würde.

So stieg ich sinnend wieder in den ICE nach Frankfurt und dachte über die Transportmittel eines Volkes von Rohfisch­essern nach, sowie über seine scheinbare Bedürfnislosigkeit gegenüber dem Fahr- und Sitzkomfort im Straßenverkehr.

Eine knappe Stunde später wurde ich jäh an unsere Bedürfnislosigkeit im Schienenverkehr gemahnt: Ein Beamter der Bundesbahn durchwanderte unseren Zug und verkündete, dass dieser deutsche ICE nicht die heimatliche Grenze überfahren dürfe. Deshalb müssten alle Passagiere in Emmerich den Zug wechseln. Es würde nur eine Verspätung von 20 Minuten bedeuten. Es wurden dann 40 Minuten, und ich fragte mich, welches Land wohl wegen welchem Whistleblower unsere Weiterfahrt blockiert hatte. Aber es war schlicht nur ein für unsere Bahn gewöhnlicher Chaostag, wie sich herausstellte, als wir mit hunderten anderer Kofferrollern in Frankfurt ratlos und wütend die Bahnsteige entlang hechelten. Egal woher sie kamen und wohin sie wollten, mindestens 40 Minuten Verspätung hatten sie alle. Daher die Wut. Ratlos waren sie, weil wie üblich niemand Auskunft geben konnte; sogar die Zuganzeige von Bahnsteig 6 war außer Betrieb, weil kaputt.

Wir kamen mit drei Stunden Verspätung zu Hause an.

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WILDKRÄUTER

Frau HoffmannDies ist eine Tsunamiwarnung! Er nähert sich rasend schnell, zuerst trifft er auf unsere Edelgastronomie, denn wer zur Avantgarde gehören will, öffnet ihm Fenster und Türen, um teilzuhaben an dem angeblich frischen Wind. In diesem Jahr genügt zur Erkennung der Avantgarde ein sogenannter Kräutertsunami. Weil Wohlstandsesser Kräuter, vor allem wilde Kräuter, für besonders gesund – und also schick – halten, haben sich einige Großgärtnereien darauf spezialisiert, das scheinbar seltene Grünzeug in großen Serien zu züchten und als letzte Mode auf den Markt zu bringen. Es wird bereits in Massen gezüchtet wie Käfighühner und in Supermärkten angeboten. Wie diese schmecken sie alle einheitlich und haben nicht eine einzige Eigenschaft, deretwegen man sie als ‚wild‘ bezeichnen dürfte. In Zusammenarbeit mit der größten Aromafabrik in Holzminden hat die Nahrungsmittelindustrie mit den Wildkräutern ein weiteres Produkt auf den Markt geworfen, mit dem Verbraucher in ihren naiven Erwartungen bestätigt werden. Doch die Natur stammt aus der Petrischale.

Diese Anmerkungen haben nichts mit dem Rosmarin im Vorgarten zu tun und auch nicht mit dem Basilikum auf der Küchenfensterbank. Ich möchte meine Leser nur darauf vorbereiten, dass die Wildkräuterepidemie, welche auf uns zukommt, kein Trend gesundheitsbewusster Chefs ist, sondern nur die nächste Küchenmode.

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KEINE ROLEX

Frau HoffmannWie auch immer man sich fortzubewegen beliebt, das Reisen in Deutschland ist eine Zumutung. Am meisten mutet Herr Grube seinen Kunden zu; das ist der Mann, welcher für das tägliche Chaos bei der Bundesbahn verantwortlich ist. Er hat allen Grund, stolz auf seine Einmaligkeit zu sein: Nie war es unerfreulicher mit der Bahn zu fahren, als in diesen Tagen. Wir kamen von Stuttgart, wo wir den Kochwettbewerb der ZEIT beenden halfen.

(Das Ereignis fand wie fast immer in einem der Althoff-Hotels statt: 1. Klasse Häuser mit mehr berühmten Köchen als normalerweise außerhalb der Kantinen deutscher Banken zu finden sind. Gewinner war ein Voralberger Hobbykoch, an zweiter Stelle lag ein Schweizer Leser. Das Motto des Wettkochens hieß „Einfach und leicht“. Und daran hatten sich die beiden Konkurrenten auch gehalten. Ihre Menüs waren einfache Küche und leicht zu kopieren. Der Österreicher gewann, weil er besser abschmecken konnte.)

Der Stuttgarter Hbf liegt nur 100 Schritte vom Althoff-Hotel „Schloßgarten“ entfernt, und ist durch die Zahl 21 ein Symbol für Bürgerswut geworden. In Karlsruhe, wo wir umsteigen mussten, hatte unser ICE 40 Minuten Verspätung. Da aber nur neun Minuten Später ein RE Zug in dieselbe Richtung fuhr, nahmen wir die Verspätung auf die leichte Schulter. Schweres Schuhwerk wäre passender gewesen. Denn es stellte sich heraus, dass sämtliche Fans deutscher Rockmusik an diesem und am näch­sten Tag an den Bodensee fuhren, um ein Open-Air-Konzert zu erleben. Das bedeutete, dass der Zug nach einer alten Redensart hoffnungslos überfüllt war. Denn die Rockfans hatten sich – Woodstock im Sinn – auf mehrere Nächte im Freien eingerichtet, waren also mit Iso-Matten und Furage ausgestattet, mit deren Hilfe es die Bundeswehr noch Monatelang in Afghanistan aus­gehalten hätte. Das alles wurde in riesigen Koffern, Säcken und Beuteln transportiert und an den Türen aufgebaut. Nicht nach einem Plan, über den weder die Rockfans noch die Bundesbahn verfügten. Die RE-Züge sind für den Transport von Fahrrädern eingerichtet, daher der große Freiraum hinter den Türen. Dort stapelte sich sehr schnell das Gepäck der Musikfreunde meterhoch, an ein Durchkommen war nicht zu denken. Sollte irgendjemand das Bedürfnis verspürt haben, Blase oder Darm zu entleeren, so kann er nicht im Zug gewesen sein.

Ähnlich schwer machte den Reisenden der 1. Klasse eine Suche nach ihrem Elitestall. „Die gibt’s in de Regiozügen schon lange nicht mehr“, wusste eine Frau aus Rastatt zu berichten, die täglich mit der Bahncard unterwegs war.

Auch nicht im Zug vorhanden waren Bahnbeamte, die hätten nach möglichen Anschlusszügen gefragt werden können. Dass ich überhaupt einen Klappsitz erwischte, verdanke ich meinem weißen Bart, der mir in Verbindung mit meinem eleganten Gehstock das Flair eines fiebergeschüttelten Phileas Fogg gab, den auch Rammstein-Fans noch respektieren.

Überhaupt muss man den jungen Leuten, die da in ein ungewisses Wochende fuhren („Ich weiß bloß eins: dass ich eine halbe Stunde nach Ankunft betrunken sein werde!“) attestieren, dass sie jetzt auf der Hinfahrt viel Spaß und frisch gepflegte Füße hatten, was wegen der vorwiegend getragenen Flip-Flops nicht zu übersehen war. In der Höhe von Baden-Baden, wo das Gedränge und Chaos in den Waggons fast lebensgefährliche Formen annahm, und gleichzeitig die Seeschlacht im Skagerak von den reisenden Musikfreunden akkustisch nachgestellt wurde, sah ich nicht einen einzigen, der das Inferno der Bundesbahn fotografierte.

Nach ihrer Zurückhaltung gefragt, gab mir ein Jüngling mit Ziegenbart die tröstliche Versicherung: „Wenn es soweit ist, brauche ich kein Foto zur Anregung, um alles Staatliche platt zu machen.“

Vielleicht genügt es ja schon – dachte ich, als sie mich zusammen mit zwei Klapprädern, die nicht mir gehörten, über den Gepäckberg hinweg zur Tür reichten – das Management dieser Pleitefirma auszuwechseln. Denn ich erinnerte mich an eine Zeit, als die Deutsche Bahn einen Ruf hatte wie eine Schweizer Rolex.

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WAS HEISST HIER DAME?

Frau HoffmannEs geschieht immer seltener, dass in einem anspruchsvollen Restaurant eine spezielle ‚Damenkarte‘ verteilt wird, wenn eine oder mehrere Damen am Tisch sitzen. Die Spezialität dieser Speisekarte besteht darin, dass sie im Gegensatz zu der Speisekarte für den Herrn keine Preise enthält.

Aus heutiger Sicht geht damit ein übles Kapitel antifeministischer Missachtung weiblicher Würde zu Ende. Es ist jedoch erst wenige Jahrzehnte her, dass europäische Wirte gedacht haben mussten: Wenn das Dummchen nicht sieht, wie teuer Kaviar ist, wird sie vielleicht ein halbes Pfund von dem Zeug bestellen.

Gottlob war das Dummchen nicht so blöd wie der Wirt ein Macho war, und so verschwand diese ehrenrührige Geste fast vollständig aus der Gastronomie. Wo sie immer noch auf Hochglanzkarton entdeckt wird, sollte die betroffene Dame lautstark dagegen protestieren und dazu bemerken, dass sie auch in Parkhäusern keine sogenannten ‚Frauenplätze‘ beanspruche, da sie ihr Auto ebenso geschickt einparken wie ihr Bankkonto beherrschen könne.

Unsere modernen Frauen können nicht nur das (ob sie nun Porsche oder SUV fahren), sie haben von den Männern auch eine Eigenschaft übernommen, die wir Machos ihnen nicht zugetraut hatten. Sie unterscheiden treffsicher zwischen einem Mosel-Saar-Ruver und einem Frankenwein. Das hat sich bei den Kellnern noch nicht rumgesprochen. Folgerichtig kommen sie mit einer einzigen Weinkarte an den Tisch, die selbstverständlich dem männlichen Begleiter in die Hand gedrückt wird. (Weil der Trottel hinterher die Rechnung bezahlen wird.)

Und wie reagiert darauf Madame?

Vorläufig sagt sie nichts, wartet höchstens auf eine Gelegenheit, wie der geile Brüderle sie ihren Schwestern bot, und protestiert nur schwach gegen die erneute Diskreditierung. Ich sehe allerdings den Tag kommen, an dem weinkundige Amazonen die Fleischgabel ergreifen und die Hand des Kellners mit der Weinkarte auf dem Tisch festnageln. Bevor ihm die Sinne schwinden, hört er noch ihr Versprechen:

„Das passiert von nun an allen, die mich dem schlechten Weingeschmack meines Begleiters ausliefern wollen.“

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AMI STAY HOME

Frau HoffmannNach den militärischen Katastrophen der letzten hundert Jahre, hat es auch eine zivile Katastrophe für uns Europäer gegeben. Sie wurde als The American Way of Life registriert und war nichts anderes als eine Kulturrevolution, für die haufenweise europäische Traditionen geopfert wurden. Einmal genügt, sollte man meinen.

Aber offenbar nicht allen. Unfähige Politiker und dubiose Geschäftemacher wollen mehr davon. Deshalb basteln sie emsig am Amerikanisch-Europäischen Handelsabkommen. Darunter haben wir die endgültige Aufgabe unserer Wertvorstellungen zu verstehen.

Das betrifft vor allem unsere europäische Identität, die allem misstraut, was der vernunftbegabte Mensch instinktiv verabscheut. Vieles an ihr scheint unzeitgemäß, geradezu veraltet. Dazu gehört der Widerstand gegen die Infantilisierung unserer Gesellschaft (sofern er noch nicht völlig erloschen ist), das Überfressen an überzuckerter Nahrung im Fast Food und, zwangsläufig, fettleibige Kinder.

Um bei diesem Punkt zu bleiben, für den sich erfahrungsgemäß alle interessieren: unsere Essgewohnheiten. Sie betreffen manipulierte Getreidesorten, Hormonbehandlungen bei Schlachtvieh und – geflügel, sowie alle landwirtschaftlichen Produkte, die sich genetisch und pharmazeutisch der Massenproduktion anpassen lassen.

Das alles verabscheuen wir aber nicht nur, es ist im Euroraum größtenteils sogar verboten. Das wiederum stört Amerika erheblich. Dort verdienen die Konzerne nämlich enorme Summen, an dem, was wir als Dreck bezeichnen. Im Einzelnen sind das die Wattebrötchen mit der Fleischeinlage und einem Dressing genannten Brei, welchen wir einstmals Soße nannten, als sich preisgekrönte Schriftsteller noch keine Gedanken über die Qualität des Essens machten.

Später waren es Kiloportionen Soft Ice, die wir literweise mit Limonaden runterspülen, als handele es sich um ein Diabetes-Förderpro­gramm.

Fast täglich werden wir über Untersuchungen aus wissenschaftlichen Labors informiert, wonach tausende von netten Tieren an Krankheiten krepieren, welche nach dem Verzehr von Produkten auftreten, die bei uns europaweit in der Nahrung verarbeitet würden, wenn der amerikanisch-deutsche Handelsvertrag in Kraft träte.

Auch wenn wir nicht extra danach gefragt werden

Das alles weckt unseren Zweifel am Nutzen eines deutsch-amerikanischen Handelsvertrages. Wir sehen auch nicht ein, dass unsere Gier nach den neuesten Playstationen und Softwareprogrammen sich der Sucht nach den neuesten Sneakers, Kaugummimarken und sonstigem Schnickschnack anschließen soll, wie es uns von amerikanischen Konsumenten vorgemacht wird.

Wir wollen überhaupt nicht so leben wie US-Bürger, deren Häuser beim ersten Windhauch über die Grenze des Nachbarstaates davonfliegen. Deshalb sind wir auch gegen den immensen Einfluss, den der geplante Handelsvertrag der amerikanischen Industrie einräumen würde. Die europäische Industrie hat sich bis jetzt ganz wacker auf dem Weltmarkt behauptet, wobei unser Individualismus keine kleine Rolle spielte. Und zwar ohne dass wir unsere Rebellen mit Drohnen abschießen, oder unsere Kinder zu Waffennarren erziehen. Selbst in ferne Bürgerkriege mischen wir uns nur ein, um unserer Rüstungsindustrie den dritten Listenplatz zu sichern.

Schließlich hatte Deutschland einen historischen Moment – es muss zwischen dem 11. November und dem 2. Dezember 1988 gewesen sein – da galt unser Land als pazifistisch!

Zugegeben, auf dem Mond sind wir noch nicht gelandet, und der Klettermaxe auf dem Mars trägt kein VW-Emblem. Auch auf Amok laufende Schüler haben wir kein Patent, noch auf Gen angereicherten Mais. Dafür halten wir die Rodung der Regenwälder für pure Idiotie, weil wir nicht daran glauben, dass die brutale Vernichtung der Natur der Menschheit in irgend einer Hinsicht zum Nutzen gereichen könnte.

Mit anderen Worten: wir glauben nicht daran, dass irgend etwas, das die Amerikaner sich ausdenken und uns vorschla­gen, der Menschheit nützen wird. Weil alles, was sie sich im letzten halben Jahrhundert ausgedacht haben, sich als größter Flop aller Zeiten erwies.

Das ist jedem Europäer bekannt, der täglich Zeitungen liest und andere Informationsquellen nutzt, die über das Niveau von BILD hinausgehen.

Wenn jetzt bekannt wird, wie sie hinter den Kulissen schon alles für das Inkrafttreten des Handelsvertrages vorbereiten, muss man ernsthaft am Verstand unserer schwarz-gelben Regierung zweifeln. Ihre Mitglieder sind entweder strohdumm, oder bösartig, oder bestochen.

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