WILDKRÄUTER

Frau HoffmannDies ist eine Tsunamiwarnung! Er nähert sich rasend schnell, zuerst trifft er auf unsere Edelgastronomie, denn wer zur Avantgarde gehören will, öffnet ihm Fenster und Türen, um teilzuhaben an dem angeblich frischen Wind. In diesem Jahr genügt zur Erkennung der Avantgarde ein sogenannter Kräutertsunami. Weil Wohlstandsesser Kräuter, vor allem wilde Kräuter, für besonders gesund – und also schick – halten, haben sich einige Großgärtnereien darauf spezialisiert, das scheinbar seltene Grünzeug in großen Serien zu züchten und als letzte Mode auf den Markt zu bringen. Es wird bereits in Massen gezüchtet wie Käfighühner und in Supermärkten angeboten. Wie diese schmecken sie alle einheitlich und haben nicht eine einzige Eigenschaft, deretwegen man sie als ‚wild‘ bezeichnen dürfte. In Zusammenarbeit mit der größten Aromafabrik in Holzminden hat die Nahrungsmittelindustrie mit den Wildkräutern ein weiteres Produkt auf den Markt geworfen, mit dem Verbraucher in ihren naiven Erwartungen bestätigt werden. Doch die Natur stammt aus der Petrischale.

Diese Anmerkungen haben nichts mit dem Rosmarin im Vorgarten zu tun und auch nicht mit dem Basilikum auf der Küchenfensterbank. Ich möchte meine Leser nur darauf vorbereiten, dass die Wildkräuterepidemie, welche auf uns zukommt, kein Trend gesundheitsbewusster Chefs ist, sondern nur die nächste Küchenmode.

4 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Christian Bartoschek |

    Präzise beobachtet! 2 Beispiele aus jüngster Zeit:

    * Im neu eröffneten Winzerkeller in Oberbergen: Tatar auf einem „Nest aus Wildsalat“
    … man kann sich die anschließende Sauerei auf dem Teller vorstellen – und den
    bitteren Geschmack von Grünzeug mitten im vermatschten Tatar …

    * Im Kaiserstühler Hof in Breisach: gebratene Gänseleber auf – Rucola-Salat mit Blüten!

    Aber verstehen kann ich ja die Köche: Der Verbraucher WILL wohl immer wieder neuen Moden erliegen – vor allem, wenn sie „grün“ daherkommen. Und – obacht, Lieblings-Feindwort – solange sie „lecker“ schmecken … oh tempora, oh Kokolores …

    • König Adi |

      Sehr geehrter Herr Siebeck,
      seit vielen Jahren verfolge ich Ihre Artikel im Feinschmecker, die Zeit und natürlich nun auch Ihren Blog, hier bei Facebook. Mal stimme ich zu, mal schüttelt man den Kopf. Bei diesem Blog bin es etwas verwirrt, auch über die Antwort von Herrn Bartoschek, den ich noch als Gast aus Adlerszeiten her schätze. Wildkräuter – Neue Mode, wir haben selbst zu Herrn Kellers Lebzeiten schon Rucola mit Kapuzinerblüten gebracht, das war 1990 und schon 20 Jahre davor wurde das schon getan, ich glaube Sie Beide haben diesen Trend etwas „verpasst“ oder erst sehr spät wahrgenommen. Ich lebe nun schon 1997 in Meckpomm, hier war die Hochzeit der Wildkräuter hier ca 2000 bis 2006/7, nun wir für unseren Teil sind wieder back to the roots, dh Bronzefenchel wird gerne benutzt, aber man schmeißt eben nicht mehr alles auf den Teller, nur weil es so schön bunt ist. Ich glaube das viele Köche überhaupt nicht wissen wie welche Kräuter schmecken, oder zu kombinieren sind.
      Neuer Trend, kann ich persönlich nicht zustimmen.
      Vielleicht sehe ich Sie ja mal in unserem Hause, selbstverständlich auch Herrn Bartoschek(gescheiten Wein gibt es auch), bei der letzten Ost-Tour kamen Sie ja nur bis Heiligendamm.
      Mit freundlichen Grüßen vom Krakower See
      Adi König, Ich weiß ein Haus am See.

      • Dan Dee |

        Es stimmt trotzdem. Natürlich gab es schon vor 10 Jahren in der Gastronomie Wildkräuter. Doch hier geht es darum, dass dieses zum Trend wird und in Supermärkten ankommt. Vor Jahren war es unmöglch, in Supermärkten und auf „gewöhnlichen“ Wochenmärkten Wilkräuter zu bekommen. In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal eine Wildkräuter-Variation, küchenfertig gewaschen und verpackt, in einem Supermarkt entdeckt. Selbstverständlch aus Zucht und so „wild“ wie ein Bund krause Petersilie oder eine zellophanierte Schale mit weißen Champignons.

  2. Schorsch |

    Praktische Hobbygärtner haben früher das Unkraut aufgegessen. Das schmeckt bei manchen Sorten ganz gut. Beispielsweise Gänseblümchen, Sauerampfer oder gar die Bellmannsche Empfehlung ein Blättchen Pimpernelle in den schlechten Rotwein zu geben.
    Das ist halt keine Hochküche und wird nie eine sein.

    @Christian Bartoschek. Lecker ist out, das heißt jetzt Yummi.

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