SIE WEISS VON NICHTS

Frau HoffmannWo ich esse – diese Frage, welche erst vollständig beantwortet ist, wenn ich auch noch beschreibe, was ich esse, bzw gegessen habe – wird nur manchmal vollständig beant­wortet. Weil sich kaum jemand für die Banalitäten interessieren wird, mit dem ich mich täglich am Leben halte. Das WO darf man dann getrost einem immerwährenden Kalender zuordnen: In der Burg, etwas erhöhter und deshalb lauter als es in anderen Esszimmern zugeht. Besonders jetzt im Sommer übersteigt der Geräuschpegel jedes erträgliche Maß (Kin­dergeschrei, Rasenmäher, Hundegebell, Eisenbahnrattern,), da kann es schon mal passieren, dass ich mit Madame in die nächste Kneipe flüchte, wo wir beim Essen nicht terrorisiert werden.

Kann auch sein, dass mir der Appetit vergeht, weil ich die Zeitungen vom Tage gelesen habe. Wie heute. Dieser 11. Juli war der schwärzeste Tag in der Geschichte unserer Medien. Weil erst heute eine gewichtige Stimme sich erhob und lautstark Asyl für Edward Snowden forderte. Rolf Hochhuth schrieb einen offenen Brief an Frau Merkel, den die FAZ veröffentlichte. Ich hätte ihn lieber auf der ersten Seite von BILD gelesen (wegen der Verbreitung) oder der ZEIT (wegen der Gewichtigkeit). Aber sei’s drum. Dass es nicht Grass war, der ihn geschrieben hat oder Walser oder sonst jemand aus der Riege der intellektuellen Whistleblower geht in Ordnung, weil sie es keineswegs eindringlicher oder menschlicher formuliert hätten. Den Appetit verschlug es mir, als ich überlegte, wie lange es gedauert hat, bis einer aussprach, was jeder rechtschaffene Demokrat dachte, dass nämlich ein Teil unserer Intelligenzia Hitler und die Stasi nur überlebt hat, weil ihm ein anderer Staat Asyl gewährte. Auch die USA.

Als hätte das nicht gereicht, mir mein Essen zu verderben, lese ich in der ZEIT ein Interview mit Frau Merkel zum Fall Snowden, worin sie an Feigheit und Herzlosigkeit nicht zu übertreffen ist. Sie windet sich nicht einmal bei der Asylfrage, sie versteinert. Um ihre persönliche Meinung gebeten, bekennt sie, keine zu haben. Unsere Bundeskanzlerin reagiert wie der sprichwörtliche Hase: Mein Name ist Merkel, ich weiß von nichts.

3 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Dieter |

    Sagen Sie mal, Herr Siebeck:
    Warum antworten oder reagieren Sie nie auf die hier
    eingestellten Kommentare, Berichte, Beiträge,Geschichten, Anregungen
    und Tipps?
    Sie sollten nun eine Ausnahme machen!
    Grüsse aus Cloppenburg.

  2. oliver schuster |

    aber wie adaequat reagieren bzw. handeln ?
    ich habe wohl zu viel Cayatte,Costa-Gavras filme gesehen oder wie gestern Polizeiruf 110.
    Boell existiert nicht mehr,und Hochhuth ist so alt,dass er fuer seinen beitrag nur ein „honorig“ erntet; aber wo war die stimme der „Marseillaise“…
    vielleicht sollten alle emailschreiber und telefonierer im betreff zuerst solche worte wie
    „TERRORIST, BOMBE, usw. schreiben und sagen,
    das allen paranoikern hoeren und sehen vergeht…

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