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NOTWENDIGE AUFKLÄRUNG

Frau HoffmannMan könnte annehmen, die Menschheit habe Wichtigeres zu tun als sich um die Tischsitten vergangener Epochen zu kümmern. Wahrscheinlich ist auch, dass sich unendlich viel mehr Bundesbürger für die Fußball-Liga interessieren als für den Inhalt der königlich-sächsischen Speisekam­mer.

Verzetteln wir uns also mit Lappalien bei der Beschäftigung mit der Küche am Dresdner Hof zur Zeit der vorletzten Jahrhundertwende? War nicht schon damals unser militär­isch-politisches Verhältnis zu den europäischen Nachbarn wichtiger als die Frage, in welchem Verhältnis die Sächsische Küche zur Küche der Franzosen stand?

Diese Frage materialistisch und ökonomisch mit „Aber selbstverständlich: ja“ zu beantworten liegt nahe in einer Epoche, deren Zeitgeist dem Materialismus verpflichtet ist. Oft genügt schon ein lustvoller Blick auf eine Speisekarte der feinen Gesellschaft, um ein tadelndes Stirnrunzeln hervorzurufen. Denn die humanistische Basis und die hehren Ziele unserer Existenz werden mit den 10 Geboten gleichgesetzt, eine Mischung, die wie Hefe in einem Kuchenteig wirkt: eine zur Unförmigkeit aufgetriebene Heuchelei.

Bei der im Sächsischen Stadtarchiv mit phantastischer Gründlichkeit zusammenge­tragenen Sammlung handelt es sich um so etwas wie eine Asservatenkammer, welche die Beweisstücke einer Tisch­kultur enthält, die den Anschlag auf unsere Zivilisation ebenso deutlich macht wie die Kanonen im nächsten Zeughaus.

Denn um nichts weniger handelt es sich bei der Diffamierung des kulinarischen Genusses.

Wenn wir in der Deutschen Geschichte ein durchgehendes

Leitmotiv entdecken, so ist es das Lob der Bescheidenheit, des Schlichten und der Verzicht auf Verfeinerung.

Mit einbezogen in diesen Kosmos der Enthaltsamkeit – und zwar nicht erst seit Luther, wie ich hier auf preußischem Boden bekenne – ist die ästhetische Abneigung des Ornaments, die Verleumdung intellektueller Spekulationen sowie die grundsätzliche Verteufelung des unnötig Komplizierten und Verspielten.

Für all diese Begriffe benutzen wir den Begriff der Dekadenz. Ob es dabei um Seidenstrümpfe, Federn am Hut, Perücken und Schmuckstücke für Männer – oder gleichzeitig um Damenmoden von monströser Üppigkeit – ging wie in der Gotik und wie im Frühbarock, immer waren die Genussverächter vom Stamme der Savonarolas zur Stelle, die aus dem reichen Mitteleuropa ein schlichtes Armenhaus machen wollten. Dazu gehörte selbstverständlich auch alles, was den leiblichen Genuss zu steigern in der Lage war.

Einigen gelang das zeitweise, und es ist nicht gesagt, dass es nicht noch das eine oder andere Mal wieder geschieht. Dagegen hilft, wie immer, eine gründliche Bildung. Meine Generation, die sowohl den Zivilisationsverfall wie den Hedonismus am eigenen Leib erfuhr, ist verständlicher­weise daran interessiert, den Apologeten des Schwarzbrots nicht erneut zu begegnen.

Deshalb begrüße ich die Veröffentlichung der Dokumenta­tion von Professor Matzerath an diesem Ort von ganzem Herzen. Sie ist Aufklärung im besten Sinne.

(Begrüßung anlässlich der Dresdner Ausstellung am 4.11.2013)

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TIME

Frau HoffmannIn ihrer neuesten Ausgabe vom 18. November veröffentlichte das erschreckend abgemagerte TIME Magazin eine zehnseitige Strecke über die wichtigsten Köche der Welt. Dazu gehören Alex Atala aus Sâo Paulo, Vandana Shiva aus New Delhi, Michael Pollan, Thomas Keller und eine weitere Busladung Küchenchefs aus Californien, Asien und Australien – alles große Rührer am Herd und – ohne geht’s nun mal nicht – Philosophen, zu deren Erkenntnissen die Vorzüge der Windhühner gehören, sowie die Beobachtung, dass die Menschheit sich fett und glücklich frisst.

So wie damals Karl Marx den Fließbandarbeitern von Ford soziale Gerechtigkeit versprach, so revanchieren sich diese in TIME, indem sie deutsche und europäische Köche ignorierten. Zwar wird der Tscheche Redzepi wegen seiner Moosküche im Copenhagener Noma herausgestrichen, eine Ehre die sonst nur noch zwei Europäischen Köchen gewährt wird: Ferran Adria zusammen mit seinem Bruder Albert, und der Gemüsekocher mit der teuersten Vegetarier-Küche von Paris, Alain Passard. Es tummeln sich auf den Seiten von TIME noch ein paar Exoten, sowie fast alle wahlberechtigten Kalifornier. Das spricht nicht direkt für den kulinarischen Reichtum der Landschaft im Südwesten Amerikas, sondern eher dafür, dass es den amerikanischen Zeitungsverlegern noch schlech­ter geht als unseren Ehrenbürgern in Potsdam und an der Elbchaussee. Ein paar seriöse (und gut bezahlte) Journalisten wären vielleicht zu anderen Ergebnissen gekommen bei der Suche nach einflussreichen Kochkünstlern.

So aber ist eine Situation entstanden, die sich mit einem anderen Event vergleichen ließe, wenn zum Beispiel der Formel-1-Rennzirkus ohne deutsche Fahrer und ohne Motoren von Mercedes starten würde.

Auch der Fall der durch die bayerische Volksbefragung verweigerten Teilnahme an den Olympischen Spielen 2022 hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Fehlen deutscher Köche in der Aufstellung des TIME Magazins. Zwar bevorzugen bayerische Dorfbewohner die urige Kneipe neben der Kirche, weil sie dort Rindsrouladen essen und Bier trinken können, wohingegen ein Abendessen im Gourmet-Restaurant die Kenntnis des richtigen Trinkgelds voraussetzt, was weder den Protestanten Lutherscher Prägung jemals beigebracht wurde, noch den säkularisierten Katholiken an der Wiege gesungen worden ist. Die alliierten Geheimdienste werden es jederzeit bestätigen können.

So bleibt unseren Köchen nur der Ruhm, zur Oberliga ihrer Branche zu gehören, ohne als weltbewegende Terroristen eingestuft zu werden. Ein Schicksal, das die ganze Nation mit ihnen teilt.

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GELERNT IST GELERNT

Frau HoffmannPolitische Erfolge oder Misserfolge ereignen sich selten, weil sie geplant sind, sondern aufgrund von unvorhersehbaren Ereignissen. Der Whistleblower Snowden war so eines, und er hat mehr bewegt als ein flächendeckender Mindestlohn. Auch die in Moskau halbnackt herum hüpfenden Femen-Tänzerinnen, haben Putins Staat nachhaltiger erschüttert, als die russischen Raketen, die regelmäßig zur Raumstation fliegen, um die verstopften Klosetts zu reinigen.

Wie sehr das dem einen oder anderen nützt oder schadet, kommt auf die Sichtweise an.

Besonders stark betroffen von schicksalhaften Ereignisse ist in letzter Zeit die katholische Kirche. Die Deutschen hielten die Ernennung eines Deutschen zum Papst für weltbewegend. Schließlich hat er der Mode im Vatikan neue, farbige Akzente hinzugefügt und den antisemitischen Piusbrüdern die Rückkehr in den Schoß seiner Kirche ermöglicht. Als dieser Papst nach kurzer Zeit wieder verschwand, glaubten viele, jetzt sei Schluß mit Seidenspitzen und roten Schuhen. Doch dann ereignete sich Limburg.

Nachdem die schwarze Suppe jetzt schon drei Wochen vor sich hin köchelt, stellt sich heraus, dass der Kirche nichts Besseres hätte passieren können. Seitenlange Artikel in den Magazinen und Zeitungen werden von katholischen Autoren geschrieben, in denen sie erklären, was sie von dem Hausbau des Bischofs von Limburg halten. Die Gesamtbausumme oder die Kosten für die bischhöfliche Badewanne, mag den einen als Hoffahrt erscheinen, während andere die Kosten für Michelangelos Petersdom damit vergleichen. Beide Standpunkte werden in allen Medien ausführlich erwähnt. Übrigens nie von Nichtkatholiken. In den Talkshows kommen seit Wochen nur Katholiken Wort. Im Spiegel durfte sogar die Zukunft des Automobils vom Hauskatholik des Magazins beschrieben werden. Keine Ecke, in der es nicht nach Weihrauch riecht.

Das Ganze ist übrigens ein Beispiel für eine erfolgreiche Werbekampagne, ein so genannter Hype. So etwas wünschen sie sich im Baubüro des Berliner Flugplatzes. Aber anstatt sich der gleichen PR-Firma zu bedienen wie der Vatikan, starren die dortigen Genossen nur fasziniert auf Limburg.

Daran erkennt man den Vorteil von tausendjähriger Erfahrung, auf die der Vatikan zurückgreifen kann wie auf seine gefüllten Bankkonten.

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MISSVERSTÄNDNIS UNTER FREUNDEN

Hallo, hallo – würden Sie mich bitte mit Ihrem Präsidenten verbinden?

Hallooo, Grüß Gott. Wen möchten Sie sprechen?

Na, wen wohl? Ihren Präsidenten.

Sie meinen den Herrn Direktor?
Wenn ich Präsident sage, dann meine ich Präsident.

Hm. Eigentlich haben wir keinen Prä…aber ich kann Sie mit dem Verkaufsdirektor verbinden, ach nein, ich sehe gerade, der ist zur Zeit auf Reisen. Vielleicht…

Hören Sie, ich erfahre soeben, dass Sie und ihre ganze Bagage mein Telefon unentwegt überwacht und belauscht haben.

Ihr Telefon?

Jawoll, mein persönliches Handy; und das Ding von der Telecom sowieso.

Das tut mir natürlich leid, aber ich versichere Ihnen…

Und ich hatte extra meinen Innenminister zu euch geschickt, damit er sich erkundigt, was da geschieht.

Sagten Sie Innenminister?

Ja, leider. Der Friederichs ist ein alter Idiot. Hat sich von euch so einwickeln lassen, dass ich mich mit „Ausspähen von Freunden, das geht gar nicht“ lächerlich gemacht habe. Also…

Ich fürchte, liebe Frau, Sie sind falsch verbunden. Wen wollten Sie denn nun sprechen?
Falsch verbunden? Sind Sie denn nicht das Weiße Haus in Washington?
Nein, wir sind die Weisswurst Manufaktur in München. Soll ich Ihnen die Vorwahl von Washington raussuchen?

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DIE NETTEN WELPEN IN DER ALSTER

Frau HoffmannEinundsechzig Prozent der Bevölkerung favorisieren eine große Koalition. 61 %, die nicht groß nachdenken, sondern sich mit dem Gemeinschaftsgefühl zufrieden geben, welches da lautet: „Seid nett zueinander“. Diese Mahnung wurde vor einem halben Jahrhundert von dem Verleger Axel Springer in die Welt gesetzt, um eine Biedermeier-Zeitung populär zu machen. Was ihm bestens gelang und, wie alles, was bei uns bieder und harmlos daher kommt, zum Herzblatt der Spießer wurde. Nicht nur wegen des aus der Alster geretteten Wurfs junger Hunde, sondern auch weil es ein antikommunistisches Kampfblatt war.

Das waren die guten, alten Zeiten, als die erste Große Koalition am Horizont auftauchte. Die war noch stark mit alten Nazis durchsetzt, welche den Gemeinschaftsmythos wieder aufleben liess, die Notstandsgesetze einführten und die Grundrechte der einzelnen Bürger einschränkten. Mit dem Ergebnis, dass die Bürger keineswegs nett zueinander waren.

Es zeigte sich, dass eine Große Koalition zwangsläufig eine kleine, wirkungslose Opposition hat. Sie kann also ziemlich unangefochten regieren, unangefochten das Grundgesetz ändern, unangefochten die Grundrechte des Einzelnen manipulieren, den Geheimdiensten Rechtsbrüche erlauben und den Umweltschutz zugunsten finanzstarker Konzerne reduzieren. Eine solche Regierung steht uns bevor, weil 61 Prozent der Deutschen es vorziehen, mit starker Hand regiert zu werden. Das ist nicht etwa neu, das war schon immer so. Ob Fürsten, Bischöfe, Generäle, Könige oder der Dikta­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­tor aus Braunau – alle haben mit starker Hand regiert, und hatten einundsechzig Freunde. Wer nicht dazu gehörte, wurde unterdrückt, entrechtet oder umgebracht.

Das ist der Preis, der gewöhnlich für eine Große Koalition verlangt wird.

Weil das, wie gesagt, nicht neu ist, lebt es fort in der Walhalla, in den Gräbern von Kundus, in den Resten der Berliner Mauer. Aber auch in unseren Museen treiben die Ungeister ihr Wesen; nicht zuletzt dort, wo die Bürger nett zueinander sein sollen, sich aber gegenseitig den Schädel einschlagen.

Grundsätzlich herrscht jedoch jene bedrohliche Stille, welche für Große Koalitionen kennzeichnend ist, weil es dem kleinen Koalitionspartner vor Schreck die Sprache verschlägt, angesichts dessen, was er da angerichtet hat: ein weiterer Friedhof unserer Revolutionen. In den frischen Gräbern liegen bereits der Dom zu Limburg und das Berliner Stadtschloss; die mit Schweinegülle durchtränkten Wiesen der Uckermark, der Vertrag für die Energiewende, sowie die Off-Shore-Wind­parks in der Nordsee. Für einundsechzig Prozent ist Ruhe immer noch die erste Bürgerpflicht, und genau die erhoffen sie sich von der Großen Koalition.

Sie hoffen nicht vergebens. Denn von Frau Merkel abwärts, über die Herren Kauder, Profalla, Friederichs und Frau Aigner, werden wir es mit denselben professionellen Handhabern der Unterdenteppichkehrmaschine zu tun haben, mit denselben Populisten und Heuchlern, welche Asylanten nur ins Land lassen, wenn sie im Sarg liegen und vorher die Maut für Ausländer entrichtet haben.

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EINE PERLE IM WALD

Frau HoffmannIn den Schwarzwald kann man von allen Seiten fahren. Die meisten Besucher beginnen ihre Tour jedoch in Freiburg. Von dort geht es eine knappe Stunde in Richtung Villingen-Schwenningen, und man erreicht Vöhrenbach. Ein Ort wie viele andere zwischen hohen Tannen und niedriger Arbeitslosenquote. In Ortsmitte der „Gasthof zum Engel“ der Familie Ketterer. Eine Ausnahmeadresse von großer Bedeutung. Als er ihn übernahm, bekam Ketterer bereits nach wenigen Jahren den ersten Michelin Stern.

Nach weiterem Schaffen wäre wahrscheinlich ein zweiter fällig gewesen. Denn dieser Koch und seine äußerst liebenswürdige Frau boten ihren Gästen Kochkunst auf höchstem bürgerlichen Niveau. Aber es war zu früh für Kutteln in Champagner und Kalbsbäckchen mit Morcheln. Die Leute sahen der Stern und scheuten zurück, wie ein Springpferd vor dem Oxer. Oder, richtiger gesagt: wie die Esel vor dem Knusperhäuschen. Die einheimischen Bauern fürchteten Eleganz; die Wandersleute desgleichen. Die ansässigen Kuckucksuhrenbauer glaubten an inflationäre Preise, die Frommen an Sünde – wie das so ist, in ländlichen Gegenden, wo ein Stern­­restaurant angesehen wird wie ein Luxusbordell.

Dabei hatte Ketterer nur ein paar neue Lampen gekauft, alles andere – einschließlich der Preise – aber so gelassen, wie es vorher gewesen war.

Hier, zwischen den schwarzen Tannen und den reichen Kleinfabriken, wurde deutlich, warum Deutschland sich so schwer tat mit der kulinarischen Verfeinerung. Es ist das Land, in dem mittelständische Millionäre sich den Champagner in Wasserkrügen kredenzen lassen, um nicht ungut aufzufallen.

Die Gäste mieden den „Engel“ in Vöhrenbach.

Die Familie Ketterer sah sich gezwungen, den glänzenden Stern an Michelin zurück zu geben. Sie begnügten sich mit seiner Vorstufe, dem Bib, der lediglich Häuser empfiehlt, die eine gute Küche bis 35 Euro bieten (drei Gänge ohne Getränke). Also ein leicht über dem Durchschnitt liegendes Gasthaus.

Betritt man die Gaststube des Engels, erkennt man das Zutreffende dieser Charakterisierung. Es ist hübsch und ländlich, wenig folkloristischer Kitsch, hell, und die Bedienung, angeführt von Frau Ketterer, von familiärer Lockerheit. Also äußerlich das genaue Gegenteil jener Gastronomie, die bei vielen Menschen Schwellenangst auslöst.

Dann wird einem die Speisekarte gebracht, und man beginnt zu staunen. Ein Angebot, das sich von dem früheren des Einsternlokals überhaupt nicht unterscheidet. Nicht dass hier in Trüffel und Kaviar geschwelgt würde, aber die Gerichte verraten den hohen Anspruch des Küchenchefs, der sich nicht scheut, sogar Kutteln anzubieten. Oder Kalbsbries, und sowieso alles Genuss Versprechende, wenn er es für einen Spottpreis anbieten kann: Eine astreine Gourmetküche in einem rustikalen Ambiente.

Läge der „Engel“ nicht so versteckt zwischen den Tannen sondern im Breisgau, wäre das Gasthaus der Familie Ketterer eine der populärsten Adressen im Feinschmeckerländle am Oberrhein.

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EINE BAYERISCHE KARRIERE

Frau HoffmannIrgendjemand (einer von zigtausend) hat zur derzeitigen Situation gesagt, alles sei gut, weil es einen Neuanfang ermögliche. Dieser Schlaumeier bezog sich nicht auf das Steak in Vitro, diese sensationelle Erfindung, weil es sich dabei um künstliches Fleisch handelt, das in einer fernen Zukunft das Schlachten von Schweinchen, Kälbchen, Lämmchen und Täub­­chen unnötig machen wird. Er dachte vielmehr an die neu­en Politiker, die in der vergangenen Wahl abgewählt wor­den sind und durch Präsidentchen, Ministerchen, Sekretärchen, und Funktionärchen ersetzt werden.

Ich gestatte mir die Frage, was denn an den Neuen so neu ist, dass irgend einer der Zigtausend daran die Hoffnung knüpfen kann, es sei gut. Für ein CSU-Mitglied wäre das kein Wunder, weil die neue Bayerische Regierung ausschließlich aus CSUlern besteht. Aber nicht alle von ihnen frühstücken unterm Kruzifix; sie wollen demnächst sogar DIE LINKE wählen (wie zigtausend andere).

Dennoch werden weiterhin die vertrauten Gesichter von Herrn Seehofer und Frau Aigner in der ersten Reihe zu sehen sein. Das beruhigt jeden Bayern. Denn die sind nun mal ein ängstliches Volk. Man glaubt ja nicht, mit welchem Misstrauen sie in ihren Zelten das richtige Einschenken der Maßkrüge kontrollieren. Außerdem lieben sie Traditionen. Und die sind durch den Neuanfang, wie es fälschlicherweise heißt, garantiert.

Da ist dieser Ministerpräsident. Er war auch schon Agrar- und Verbraucherschutzminister, bundesweit. Das Amt gab ihm die Frau Merkel, ohne zu wissen, dass sie den Bayern nicht so leicht wieder los wird wie die anderen. Vor ihm hatte den Job Frau Künast inne. Die war von der Gegenseite, den Rot-Grünen, und die einzige Person, die nicht wusste, dass es einmal in Vitro genanntes Kunstfleisch geben würde, wodurch das Schlachten von Schweinchen, Kälbchen usw. überflüssig sein würde. Deshalb kümmerte sie sich noch sehr um eine tiergerechte Aufzucht unserer Sonntagsbraten. So verordnete sie den Hühnern größere Käfige und den Verbrauchern mehr Aufklärung über die Untaten der Fleisch­produzenten.

Aber kaum hatte Frau Merkel Herrn Seehofer als Verbraucherschutzminister eingesetzt, verzögerte er die tierfreundlichen Gesetze seiner Vorgängerin und machte ihnen schließ­­lich den Garaus. Dadurch wurde er zum Lieblingsminister der Agrarlobby.

Dann kam die Stunde, da er zum Häuptling der Bajuwaren avancierte und einen Nachfolger suchte. Den fand er in der Person von Frau Aigner, der er in einem Blitzkursus beibrachte, wie man Verbesserung für Schlachtvieh zwar verspricht, aber niemals einlöst. „Hörst du, Ilse: niemals!, sonst haben wir unsere Sponsoren am Hals!“ Und in seiner volks­tümlichen Art setzte er hinzu: „Unter unseren Wähler sind viele Leute mit empfindlichen Mägen, die hören es gern, wenn du eine Verringerung von Herbiziden ankündigst. Also kündige es ruhig an. Hüte dich aber vor der Einlösung solcher Dummheiten. Unsere Wähler, die Bauern, haben genau so empfindliche Mägen…“

„Ich weiß. Die Typen von der Pharmaindustrie auch. Waren gerade bei mir.“
„Und? Haben sie wenigstens eine saftige Parteispende in Aussicht gestellt?“

„Lieber Hostl, glaubst du etwa, ich lasse mich mit Versprechungen abspeisen? Die haben Cash bezahlt, wie das in Bayern üblich ist.“

Da war der bayerische Ministerpräsident so beeindruckt von ihrer Tüchtigkeit, dass er Ilse Aigner stante pede zur Superministerin ernannte und ihr die gesamte Wirtschaft seines weißblauen Staates zu Füßen legte.

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VOM FEINSTEN

Frau HoffmannKann man sich ein Hochglanzmagazin vorstellen, das nur Informationen über superteuere Luxuswagen vermittelt? Sich also ausschließlich mit Rolls Royce, Lamborghini, Aston Martin und dergleichen beschäftigt?

Ja, kann man. Derartige Publikationen sind nicht einmal eine Rarität. Die Liebhaber solcher Autos lesen so etwas; auch wenn sie sich solche Autos nie kaufen werden können. Sie sind einfach froh, sich endlich mal nicht über zu enge Fondsitze in der Mittelklasse sorgen zu müssen.

Dergleichen Publikationen gibt es auch für Feinschmecker. Das sind die Gourmetmagazine mit den Traumadressen, die sich die wenigsten leisten können bzw. wollen. (Kein Dreistern-Restaurant reißt ein solches Loch ins Bankkonto wie ein Ferrari. Anstatt dreimal in einem Schickeria-Treffpunkt, kann man auch einmal bei einen Superkoch essen.)

Bezeichnenderweise gibt es bei uns weitaus weniger Magazine für Luxusrestaurants als für Luxusautos. Eigentlich nur eins. Es heißt „Sternklasse“, und wird von der Essener Wirtin Ute Bühler herausgegeben („Residence“, 2 Sterne), die praktisch alle Texte selber schreibt. Ihr Kennzeichen ist die minutiöse Beschreibung von luxuriösen Einzelheiten wie das Ausspülen der Weingläser mit Wein und die Eleganz mit der das gemacht wird.

Man kann sicher sein, von Frau Bühler auch nicht mit dem Problem enger Fondsitze von der Frage abgelenkt zu werden, bei welcher Gelegenheit ein Kellner dem Gast eine neue Serviette bringt. Dagegen misst das Magazin der Frage nach der verwendeten Pfeffersorte nicht viel Bedeutung bei, wie auch stilistische Eigenarten der Küchenchefs weniger wichtig genommen werden als ihre Freundlichkeit. Es ist alles eine Frage des Geschmacks, auch wenn es sich um die nackten Beine der männlichen Sommergäste handelt, deren kurz behoster Anblick dem Magazin ein Graus ist. Zu Recht, wie ich meine. Eine billige Baumwollhose sieht in jedem Fall besser aus als behaarte Männerbeine. Vor allem in einer Umgebung, wo Kristall auf den Tischen steht und die Tapeten aus Seide sind. Im Cockpit eines 800 PS starken Wagens mag das anders sein. Aber das sind nun mal zwei Welten.

Das sehen manche Leser natürlich anders. So bittet eine Leserin die Redaktion, öfter mal Nicht-Sternrestaurants zu beschreiben. Dort läge im Service noch viel im Argen.

Zweifellos liegt es dort. Meterhoch. Ich hoffe jedoch, dass „Sternklasse“ kurze Hosen bei männlichen Gästen ebenso wenig toleriert wie Kellner, die sich über das gestrige Fußballspiel unterhalten, anstatt nach runter gerutschten Servietten Ausschau zu halten.

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LEBT MAO?

Frau HoffmannAus China ist zu hören, dass sie dort eine Sitte aus Mao Zedongs Kulturrevolution wieder aufgewärmt haben, die Selbstkritik. Damals wie heute bezichtigen sich Parteifunktionäre, dass sie die Lehren des Großen Vorsitzenden nicht befolgen und werden dafür bestraft. Beispiel: Ich habe täglich Champagner getrunken: Tod durch schwimmen im Yang-tze kiang (Gelber Fluss). Die Beatles gehört: Zwangsarbeit im Altenheim. Auch das bei Jung und Alt beliebte Essen von Haifischflossensuppe war verpönt, wer sich dazu bekannte, wurde den Haifischen zum Fraß vorgeworfen.
Nun müssen wir keineswegs gelb vor Neid werden, wenn wir von solchen Fortschritten der Chinesen hören. Auch wir üben uns neuerdings in Selbstkritik, ob aufgewärmt oder bei Zimmertemperatur. Damit ist der Trend gemeint, das Fleischessen zu verdammen. Unter dem Banner des Vegetarismus‘ haben sich 4 Millionen Bundesbürger dazu bekannt, das blutige Gemetzel in ihren Küchen nicht länger zuzulassen. Vier Millionen in einer Generation!
Begonnen hat dieser Trend zum unblutigen Menü möglicherweise mit der ersten Veröffentlichung meines Rezeptes von Kalbskutteln mit Lammnieren. Ich erinnere mich an eine Welle von Leserbriefen; die man heute als shitstorm bezeichnen würde, maß dem Phänomen aber keine weitere Bedeutung bei.
Also, wenn jede Entwicklung so stürmisch wüchse, wenn schadstoffarme Autos mit ebensolcher Geschwindigkeit auf deutschen Straßen auftauchten wie Tofuprodukte auf den Tellern der Deutschen, dann wäre vieles besser.
Den deutschen Vegetariern gelingt, was die Partei DIE LINKE nicht schafft, nämlich eine populäre Stimmung in politische Macht umzuwandeln, die einen Anteil – und zwar einen großen – an der Gestaltung der gesellschaftlichen Zustände in der Bundesrepublik haben könnte.
Vor dreißig Jahren sind sie als kleine Minderheit angetreten, um Millionen Hühner, die in viel zu engen Käfigen dahinvegetierten, das Eierlegen zu erleichtern. Damals waren Asylanten der Vorwand für die neue Tierfreundlichkeit, dann die Rückstände im Fleisch unseres täglichen Schnitzels. Inzwi
schen suchen Experten nach weiteren Gründen des fleischlosen Erfolgs.
Dabei stellte sich heraus, dass das oft beschworene Mitleid mit den schlecht behausten Hühnern nur ein Vorwand ist. Während sich Naturfreunde an krumme Äpfelbäume ketten, um einer Fledermaussorte das Überleben zu garantieren, lassen sie es geschehen, dass geldgierige Massezüchter riesige Hallen bauen, in denen Millionen Hühner ihrer Legetätigkeit nachgehen können. Die reginalen Funktionäre sprechen in solchen Fällen von Arbeitsplatzbeschaffung. Die Vegetarier von Tierquälerei. Niemand fragt aber nach, in welcher Höhe Bestechungssummen gezahlt werden. Denn Selbstkritik al la Mao ist bei uns noch nicht wiederbelebt worden, deshalb würden weder die zuständigen Minister, noch die Ministerpräsidenten eine Antwort geben.
Sie sollten sich ein Beispiel an unseren Vegetariern nehmen, die auf saftige Steaks und aromatische Würste verzichten, um den Massenmord an essbaren Tieren zu verhindern; oder um den Zusätzen im gemästeten Fleisch zu entgehen, denn humane Organspenden sind knapp.
Trotzdem plädiere ich nicht für eine Wiederholung von Maos Kulturrevolution. Es gibt schon genug schwere Limousinen auf unseren Straßen.

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KIPPENKONFERENZ

Frau HoffmannAls die saftigen Wahlergebnis im Fernsehen bekannt gegeben wurden, machte ein Kommentator darauf aufmerksam, dass in Fulda eindeutig viele Wählerinnen für die CDU gestimmt haben, weil hier der Widerwille gegen „gleichgeschlechtliche Partnerschaften“ und deren gesellschaftliche Konsequenzen besonders stark ist.

Na ja, Fulda die Bischofsstadt, Treffpunkt der Bischofskonferenz, denkt ein jeder, wenn er den Namen der Stadt und von der Abneigung der Bewohner gegen Schwule hört. Eine schwarze Zecke im rosa Leib der Demokratie. So wie man bei München ans Oktoberfest denkt.

Wie es der Zufall will, war ich auf der A 7 unterwegs und suchte ein Nachtasyl. Fulda erreichte ich noch vor dem Dunkelwerden, fand also den „Goldenen Karpfen“ mühelos, nach­dem ich Madame Tom-Toms Aufforderung „Kehren Sie bitte um!“ vier Mal dickköpfig missachtet hatte. Der Goldene Karpfen ist ein Hotel der Sonderklasse, auf dessen japanischen Betten sich vor mir schon viele geistliche Herren gewälzt haben. Es liegt in den pittoresken Gassen der Altstadt, wo sich Kneipe an Kneipe reiht, welche alle eine Gemeinsamkeit haben. Zum einen führen sie in ihrem Namen das Attribut „Gold“ (Zum Goldenen Krokodil, das Goldene Fass, der Goldene Karpfen), zum anderen sind sie für Kippensammler, was die Messelgrube für Archäologen ist, nämlich ein Weltkulturerbe. „Die Messelgrube öffnet das Fenster in eine Zeit, als die Säugetiere begannen, die Welt zu erobern“, heißt es aufklärend bei Google. Auf dem Straßenpflaster von Fuldas Altstadt handelt es sich dagegen um die letzten Zigarettensauger, deren Kippen millionenfach von dem Zeitfenster zeugen, das Phillip Morris, Camel und Chesterfield, den Gesetzen gehorchend, vor den Kettenrauchern geschlossen haben. Die Neue Armut der Städte hat die Anschaffung von Straßenstaubsaugern zum Entzücken der Fossilienwatcher bisher verhindert.

Im Hotel selber entzückt den Reisenden (neben der japanischen Anmutung in den Zimmern) die Möglichkeit, viele Puppen und Püppchen sowie Andenken anderer Art in überwältigender Menge zu besichtigen und zu kaufen. Unbedingt erwähnenswert ist auch der Wandschmuck auf allen Fluren mit den Plakaten moderner Kunst. Endlich mal keine Jagd- und Blumenmotive aus dem regionalen Rokkoko! Da wirkt ein Botero gleich wie ein rares Fossil aus der Messelgrube.

Die Sensation des Hauses aber besteht in seiner kulinarischen Bedeutung. Es besitzt einen Bib Gourmand von Michelin, und offenbar hat sich das landesweit herumgesprochen, denn die geräumigen Esszimmer und Säle sind fast immer ausgebucht.

Das liegt am tadellos erfüllten Michelin-Versprechen von einer preiswerten Mahlzeit, (3 Gänge für 65 €), einem auch im Hochbetrieb verlässlichen Service, sowie einer erstaunlich gastfreundlich kalkulierten Weinkarte. Der vielreisende Gast fragt sich, wenn er die üppig dekorierte Kaiser-Wilhelm-Stube verlässt, warum derartig gastliche und gemütliche Hotels so selten sind. (Simpliziusbrunnen 1; 36037 Fulda;

T: 0661-86800)

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