DIE NETTEN WELPEN IN DER ALSTER

Frau HoffmannEinundsechzig Prozent der Bevölkerung favorisieren eine große Koalition. 61 %, die nicht groß nachdenken, sondern sich mit dem Gemeinschaftsgefühl zufrieden geben, welches da lautet: „Seid nett zueinander“. Diese Mahnung wurde vor einem halben Jahrhundert von dem Verleger Axel Springer in die Welt gesetzt, um eine Biedermeier-Zeitung populär zu machen. Was ihm bestens gelang und, wie alles, was bei uns bieder und harmlos daher kommt, zum Herzblatt der Spießer wurde. Nicht nur wegen des aus der Alster geretteten Wurfs junger Hunde, sondern auch weil es ein antikommunistisches Kampfblatt war.

Das waren die guten, alten Zeiten, als die erste Große Koalition am Horizont auftauchte. Die war noch stark mit alten Nazis durchsetzt, welche den Gemeinschaftsmythos wieder aufleben liess, die Notstandsgesetze einführten und die Grundrechte der einzelnen Bürger einschränkten. Mit dem Ergebnis, dass die Bürger keineswegs nett zueinander waren.

Es zeigte sich, dass eine Große Koalition zwangsläufig eine kleine, wirkungslose Opposition hat. Sie kann also ziemlich unangefochten regieren, unangefochten das Grundgesetz ändern, unangefochten die Grundrechte des Einzelnen manipulieren, den Geheimdiensten Rechtsbrüche erlauben und den Umweltschutz zugunsten finanzstarker Konzerne reduzieren. Eine solche Regierung steht uns bevor, weil 61 Prozent der Deutschen es vorziehen, mit starker Hand regiert zu werden. Das ist nicht etwa neu, das war schon immer so. Ob Fürsten, Bischöfe, Generäle, Könige oder der Dikta­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­tor aus Braunau – alle haben mit starker Hand regiert, und hatten einundsechzig Freunde. Wer nicht dazu gehörte, wurde unterdrückt, entrechtet oder umgebracht.

Das ist der Preis, der gewöhnlich für eine Große Koalition verlangt wird.

Weil das, wie gesagt, nicht neu ist, lebt es fort in der Walhalla, in den Gräbern von Kundus, in den Resten der Berliner Mauer. Aber auch in unseren Museen treiben die Ungeister ihr Wesen; nicht zuletzt dort, wo die Bürger nett zueinander sein sollen, sich aber gegenseitig den Schädel einschlagen.

Grundsätzlich herrscht jedoch jene bedrohliche Stille, welche für Große Koalitionen kennzeichnend ist, weil es dem kleinen Koalitionspartner vor Schreck die Sprache verschlägt, angesichts dessen, was er da angerichtet hat: ein weiterer Friedhof unserer Revolutionen. In den frischen Gräbern liegen bereits der Dom zu Limburg und das Berliner Stadtschloss; die mit Schweinegülle durchtränkten Wiesen der Uckermark, der Vertrag für die Energiewende, sowie die Off-Shore-Wind­parks in der Nordsee. Für einundsechzig Prozent ist Ruhe immer noch die erste Bürgerpflicht, und genau die erhoffen sie sich von der Großen Koalition.

Sie hoffen nicht vergebens. Denn von Frau Merkel abwärts, über die Herren Kauder, Profalla, Friederichs und Frau Aigner, werden wir es mit denselben professionellen Handhabern der Unterdenteppichkehrmaschine zu tun haben, mit denselben Populisten und Heuchlern, welche Asylanten nur ins Land lassen, wenn sie im Sarg liegen und vorher die Maut für Ausländer entrichtet haben.

5 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Christian Bartoschek |

    „Unterdenteppichkehrmaschinen“ … chapeau für diesen Terminus – und all die ausgesprochenen Wahrheiten!

    (Wahr ist aber leider auch, dass diese so wertvolle Website leider immer wieder unter unerklärlichen, sie unsichtbar machenden technischen Problemen leidet – gite Besserung!)

  2. Jeeves |

    Technische Probleme? Wo & wann & welche?
    Ich schaue hier regelmäßig rein und technische Probleme habe ich hier noch nie bemerkt (Firefox 24, Windows XP).

  3. Jeeves |

    Technische Probleme? Wo & wann & welche?
    Ich schaue hier regelmäßig rein und technische Probleme habe ich hier noch nie bemerkt (Firefox 24, Windows XP).
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    Ooops, und was passierte gerade?
    Beim Klick auf „Kommentar abschicken“ meldete sich eine seltsame „error“-Seite.

  4. Thea |

    Mir geht es wie Herrn Bartoschek. Manchmal ist Siebeck auch für mich unsichtbar, trotz Firefox.

    • Christian Bartoschek |

      Zur Info: Ich habe Firefox 24 und Max OS X 10.6.8 … und kann diese Seite manchmal sehen, manchmal nicht – dürfte also eher am Server liegen?

      Jedenfalls freue ich mich auf jeden neuen Beitrag…!!!

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