KIPPENKONFERENZ

Frau HoffmannAls die saftigen Wahlergebnis im Fernsehen bekannt gegeben wurden, machte ein Kommentator darauf aufmerksam, dass in Fulda eindeutig viele Wählerinnen für die CDU gestimmt haben, weil hier der Widerwille gegen „gleichgeschlechtliche Partnerschaften“ und deren gesellschaftliche Konsequenzen besonders stark ist.

Na ja, Fulda die Bischofsstadt, Treffpunkt der Bischofskonferenz, denkt ein jeder, wenn er den Namen der Stadt und von der Abneigung der Bewohner gegen Schwule hört. Eine schwarze Zecke im rosa Leib der Demokratie. So wie man bei München ans Oktoberfest denkt.

Wie es der Zufall will, war ich auf der A 7 unterwegs und suchte ein Nachtasyl. Fulda erreichte ich noch vor dem Dunkelwerden, fand also den „Goldenen Karpfen“ mühelos, nach­dem ich Madame Tom-Toms Aufforderung „Kehren Sie bitte um!“ vier Mal dickköpfig missachtet hatte. Der Goldene Karpfen ist ein Hotel der Sonderklasse, auf dessen japanischen Betten sich vor mir schon viele geistliche Herren gewälzt haben. Es liegt in den pittoresken Gassen der Altstadt, wo sich Kneipe an Kneipe reiht, welche alle eine Gemeinsamkeit haben. Zum einen führen sie in ihrem Namen das Attribut „Gold“ (Zum Goldenen Krokodil, das Goldene Fass, der Goldene Karpfen), zum anderen sind sie für Kippensammler, was die Messelgrube für Archäologen ist, nämlich ein Weltkulturerbe. „Die Messelgrube öffnet das Fenster in eine Zeit, als die Säugetiere begannen, die Welt zu erobern“, heißt es aufklärend bei Google. Auf dem Straßenpflaster von Fuldas Altstadt handelt es sich dagegen um die letzten Zigarettensauger, deren Kippen millionenfach von dem Zeitfenster zeugen, das Phillip Morris, Camel und Chesterfield, den Gesetzen gehorchend, vor den Kettenrauchern geschlossen haben. Die Neue Armut der Städte hat die Anschaffung von Straßenstaubsaugern zum Entzücken der Fossilienwatcher bisher verhindert.

Im Hotel selber entzückt den Reisenden (neben der japanischen Anmutung in den Zimmern) die Möglichkeit, viele Puppen und Püppchen sowie Andenken anderer Art in überwältigender Menge zu besichtigen und zu kaufen. Unbedingt erwähnenswert ist auch der Wandschmuck auf allen Fluren mit den Plakaten moderner Kunst. Endlich mal keine Jagd- und Blumenmotive aus dem regionalen Rokkoko! Da wirkt ein Botero gleich wie ein rares Fossil aus der Messelgrube.

Die Sensation des Hauses aber besteht in seiner kulinarischen Bedeutung. Es besitzt einen Bib Gourmand von Michelin, und offenbar hat sich das landesweit herumgesprochen, denn die geräumigen Esszimmer und Säle sind fast immer ausgebucht.

Das liegt am tadellos erfüllten Michelin-Versprechen von einer preiswerten Mahlzeit, (3 Gänge für 65 €), einem auch im Hochbetrieb verlässlichen Service, sowie einer erstaunlich gastfreundlich kalkulierten Weinkarte. Der vielreisende Gast fragt sich, wenn er die üppig dekorierte Kaiser-Wilhelm-Stube verlässt, warum derartig gastliche und gemütliche Hotels so selten sind. (Simpliziusbrunnen 1; 36037 Fulda;

T: 0661-86800)

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