Fast dreißig Jahre ist es her, dass Deutschlands Hausfrauen von der Existenz der Edelessige erfuhren. Danach gab es kein Halten in den Küchen der notorischen Salatesser. Die Essighersteller – allen voran die Österreicher – lieferten unzählige Variationen für anspruchsvolle Köche, die von A wie Apfelessig bis Z, den Zibebenessig, alles in raffinierte Salatsaucen (Vinaigrette) verwandelten. Dann kam aus Italien der Balsamico hinzu, der 20 Jahre und älter und auch zwanzig Mal teurer war, als das, was unsere Mütter bisher über den Kartoffelsalat schütteten.
Bald aber wurde er immer süßer und billiger, bis er in einer Reihe mit Rotweinessig in den Regalen der Supermärkte stand. Das bedeutete sein Ende in der besseren Gastronomie, und mit ihm fuhren alle Designeressige zur Hölle. Eine herausfordernde Säure entsprach ohnehin nicht dem Geschmack der deutschen Esser. Man kann es allgemein bei Fischgerichten feststellen, deren Zitronenanteil tropfenweise bemessen wird, wo doch fast immer eine größere Portion von Nöten wäre, weil die jeweilige Butter- oder Senfsauce ihr richtiges Aroma erst durch einen höheren Säurezusatz erreicht.
Das gilt nicht allein für Salate und Fisch, sondern auch und vor allem für Fleischgerichte. Wann immer ich einem österreichischen Koch über die Schulter sah, war ich beeindruckt von der Menge an Säure, mit der er jegliche Fleischsorte zubereitete. Es war nie zuviel.
Manche der Weißbekittelten am Herd haben es jedoch übertrieben. Nicht mit dem Geschmack, sondern durch ihre Dekorationslust. Die hat sie dazu verführt, dunklen und zähflüssigen Balsamico tröpfchenweise oder in genialen Pinselstrichen auf dem weißen Teller zu verteilen. Das wirkt unkulinarisch, hinterlässt zudem geschmacklich keine Spuren. Aber auch diese Marotte wurde als Kitsch enttarnt und wird nur noch von einfallslosen Köchen imitiert.
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Danke für diesen wahren Schlusssatz. Diese unseligen Balsamico-Crème-Sprenkeleien sind die gekreuzten Schnittlauchhalme des letzten Jahrzehnts. Weg damit!
Imitieren aber immer noch ganz schön viele.
Wobei es doch wirklich guten Essig gibt, der nicht nur Deko ist