BROKKOLI UND ANDERE

Nun ist es passiert. Zum ersten Mal in der Geschichte unserer Ernährung wurde ein Lebensmittel patentiert. Das Opfer heißt Brokkoli, der Täter ist das Europäische Patentamt in München, das seine Hand schützend über diesen Missbrauch hielt. Nutznießer des Verbrechens (die Frage „Wem nützt es?“ hilft wie immer bei der Aufklärung) ist der wegen Genmanipulationen weltweit berüchtigte Samenkonzern Monsanto.

Wie kann man Lebensmittel patentieren, und warum versucht es Monsanto immer wieder? Weil damit viel Geld zu verdienen ist.

Ich stelle mir vor, der Apfel besäße ein Patent. Patent Nummer 1, historisch gesehen. Eva pflückt ihn vom Baum und reicht ihn dem verdutzten Adam. „Nun beiss schon rein“, drängt sie. Er zögert klugerweise. „Darf man das denn? Er gehört doch sicher jemanden.“

Eva schüttelt nachsichtig den Kopf. „Der gehört zur Natur wie Regen und Wind. Das heißt, er gehört uns, beziehungs­­weise allen Menschen, die nach uns kommen werden.“

Für Adam nicht sichtbar, hängt im Baum die berühmte Schlange. Sie zischelt Eva ins Ohr: „Denkste! Der Apfel gehört ganz allein der Firma Monsanto. Die hat ihn nämlich patentieren lassen.“

Das bringt die holde Jungfrau stark ins Grübeln. Schließlich fügt die Schlange hinzu: „Jeder Biss kostet eine Gebühr. Wie bei allen Patenten“. Von solchen Dingen verstand man vorerst noch nichts.

Da Adam noch naiver war als Eva, ließ er sich bequatschen und aß vom Baum der Patente. Danach begriff er alles. Er erkannte, dass in der Welt von Monsanto alles patentiert war. Die Zigarette danach und die frische Luft, das Wasser aus der Quelle und die Blumen auf der Wiese, die Hühner und der Brokkoli.

Irgend ein Trottel nannte das Ganze ‚Paradies‘, und als sie daraus vertrieben wurden, stellten sie fest, dass auch woanders jedes Ding bereits patentiert war.

Jetzt hat das Europäische Patentamt dem Nahrungsmittelkonzern erlaubt, den Brokkoli zu patentieren. Seine Manager hoffen, im Laufe der Zeit paradiesische Zustände zu schaffen, indem sie landwirtschaftliche Produkte so verändern, dass sie patentierbar werden. (Zunächst hatten sie gehofft, das genetisch zu bewerkstellen. Jetzt sind sie drauf gekommen, dass sie das durch natürliche Züchtungen auch erreichen.)

Die Veränderungen müssen nicht gravierend sein, also schmeckt der Brokkoli nicht plötzlich wie eine gebratene Gans. Nur ein kleines bisschen anders muss er sein, und schon hat der Konzern das Recht, dafür Tantiemen zu verlangen, wie das im Buchhandel heißt. Wer dann Brokkoli anpflanzt, ohne Patentgebühren an Monsanto abzuführen, zahlt Strafe. So hat die Firma von amerikanischen Bauern bereits über 20 Millionen Dollar Schadenersatz für patentiertes Saatgut erstrittten. Demnächst werden sie auch Weizen, Reis und Gerste patentieren lassen. Dann können sie unsere Grundnahrung künstlich verknappen und verteuern. Bauern, die das verteuerte Saatgut nicht bezahlen wollen, sind dem Untergang geweiht. Unter Hungersnöten leidende Völker sterben aus oder rebellieren.

Nur die Besitzer von Saatgutpatenten lachen sich ins Fäust­chen. Ihre Aktien steigen, ihre Firmenjets werden luxuriöser, und schließlich lassen sie sich den Kölner Dom patentieren, den Eiffelturm und den Tadsch Mahal. Wer dann noch ein Urlaubsfoto davon macht, wird verklagt und bestraft.

Wieder einmal kann nur die Politik, das heißt die einzelnen Staaten, durch Änderungen der Patentgesetze diesen Halunken  das Handwerk legen.

Aber wieder einmal wird nichts Derartiges geschehen. Offenbar gibt es ein Patent auf Begriffsstutzigkeit und Nichtstun. Und das ist im Besitz der Deutschen Regierung.

2 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. fressack |

    Da hilft – wie immer bei Brokkoli – der Verzicht auf Verzehr.

  2. Franz Josef Pfisterer |

    So, und ich lass mir jetzt den Tod patentieren, weil ich schon gefuehlte 10 000 Tode gestorben bin. Und dass mir ja keiner eingeht, ohne mir seinen Todespfennig zu bezahlen.

    Dann muss er naemlich ewig leben, der Dreckhammel.

    Wienerlied nach Joseph Roth:

    Es wird kein Wein sein und wir wern immer sein.
    Es wird ka Maderln gebn und wir werdn ewig lebn.

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