Bücher sind immer noch das beste Weihnachtsgeschenk. Vielleicht werden bald e-Books an ihre Stelle treten. Kochrezepte beispielsweise lassen sich gut auf einem flachen Kindle oder iPad unterbringen. Das hat den Nachteil, dass sie dann keinen Einband haben; dass sie unterschiedslos dick sind und nicht nach Papier duften, oder nach Leim und sich auch nicht wie ein echtes Buch anfühlen. Denn so, wie das Auge mitisst, wenn es um ein perfektes Gericht geht, so liest auch die Nase mit bei der Lektüre von Büchern.

Hobbyköchen, die sich ausschließlich dafür interessieren, wie viel Gramm Mehl sie mit wie viel Zucker verrühren müssen, um einen anständigen Pfannkuchen zustande zu bringen, sind mit e-Books bestens bedient.

Nun beschränken sich nicht alle Kochbücher auf eine Rezeptsammlung. Es gibt welche, die dem Leser nebst Mengenangaben noch andere Dinge vermitteln wollen. Zum Beispiel die Adressen von Restaurants, wo eine unvergesslich köstliche Speise serviert wird. Oder sie informieren über regionale Gasthäuser, um die sich Geschichten ranken, die es wert sind, aufgezeichnet zu werden.

Das sind dann mehr Lese- als Kochbücher. Sie beanspruchen (wie Literatur überhaupt) einen anderen Zugang zum Text als die kalte, digitale Maschinerie. Nämlich ein echtes Buch alter Machart.

Davon möchte ich hier zwei erwähnen, die den Literaturfreund nicht nur über Kochtechniken informieren, sondern auch niveauvoll unterhalten. Das erste, ein Prunkstück  mei­ner Sammlung, stammt von Alice B. Toklas, die lebenslange Gefährtin von Gertrude Stein, deren wundervolle Autobiographie in Wirklichkeit von Gertrude Stein geschrieben wurde und ihren Weltruhm begründete.

Alice hat für die dicke Freundin täglich gekocht, außer die beiden saßen in Restaurants und notierten die Rezepte der Köche. Beide Frauen lebten in Paris, wenn sie nicht mit einem klapperigen Auto durch die französischen Provinzen fuhren. Was sie dort erlebten – es ist der größere Teil des Textes – hat Miss Toklas ebenso aufgezeichnet wie die Umstände der Entdeckung von Spezialitäten der burgundischen Küche. Hochinteressant sind vor allem ihre Erlebnisse unter der deutschen Besatzung (beide Frauen waren Jüdinnen) in ihrem zeitweiligen Wohnsitz bei Seyssel (Ain). Als Gertrude Stein sich beklagte, dass es den pariser Teegesellschaften mit ihren Freundinnen – die Gattinnen von Picasso, Hemingway und anderen Künstlern – an Fröhlichkeit mangelte, mischte Alice selbstgezogenen Haschisch in den Teig ihrer Kuchen. Seitdem waren die Einladungen zu Miss Steins fröhlichen Teegesprächen sehr begehrt.

Hier wird ein Kapitel europäischer Kulturgeschichte an Hand von Rezepten, Restaurantbeschreibungen und Literatenklatsch beschrieben, was die Lektüre dieses Buches kurzweilig und informativer macht, als eine reine Rezept-sammlung.

Das „Alice B. Toklas Kochbuch“, bisher in der Übersetzung von Frieda Graefe im Berliner Byblos Verlag erschienen und vergriffen, wird in diesen Tagen neu aufgelegt.

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Das zweite Buch, das ich heute empfehlen möchte, ist als Kochbuch praktisch nicht brauchbar. Zwar enthält es zirka zwanzig Rezepte mit je einer Abbildung, aber die verführen zum Nachkochen ungefähr so stark wie ein Stromausfall zum Kauf eines Electro-Cars. Das verwundert nicht einmal, da der Autor Juan Moreno über seine „Teufelsköche“ schrieb: Nicht die Qualität des Essens entscheidet, ob ihr ins Buch kommt, nur die Qualität der Geschichte. Nämlich die Lebensgeschichten der siebzehn Köche. Die sind mehr oder weniger allesamt verrückt, teilweise sind sie es beim Kochen geworden (Moreno portraitiert so schräge Vögel wie den Leibkoch von Idi Amin; den Spezialisten für Henkersmahlzeiten Brian Price, der im Zuchthaus von Texas 200 Todeskandidaten bekochte; Roland Albrecht, Küchendirektor im Palast der Republik, der  seinen Arbeitgeber Erich Honecker nicht mochte, weil der immer nur Kasseler und Blutwurst essen wollte.) Und andere Künst­ler am Herd, deren Ofen auf der Müllkippe steht oder als Umschlagplatz für Rauschgift dient.

Das alles sind wirklich gute Geschichten, spannend geschrieben und zum Nachkochen wenig geeignet, aber gut zu lesen. Erschienen sind die „Teufelsköche“ von Juan Moreno im Piper Verlag.

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  1. Uta |

    Sehr geehrter Herr Siebeck,
    wann wird denn endlich wieder Ihr wundervolles Rezeptbuch „Alle meine Rezepte“ herausgegeben? Nach einem Brand habe ich dieses Buch leider verloren und nun ist es vergriffen?! Viele Grüße aus Hamburg

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