Restaurant du Champs de Mars

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Die Kneipe am Champ du Mars – sagte der Briefträger – hat einen neuen Besitzer. Der hat einiges investiert und sich den Küchenchef aus Mirmande geholt.
Die Kneipe am Champ du Mars kenne ich seit fast zwanzig Jahren. Damals hatte ich sie mit den zwei anderen Bars des Dorfes auf die Möglichkeit  getestet, ob es unsere Stammkneipe werden könnte.
Doch was sie uns und anderen Gästen zumuteten, war so katastrophal, dass wir uns lieber über mehrere Hügel durch finstere Wälder und Wildschweinrotten kämpften, um in Mirmande ein bescheidenes Mahl einzunehmen. Die dortige Kneipe, deren Namen ich vergessen habe, war gemütlich wie ein Pariser Künstlerkeller und das Essen akzeptabel, sofern man hungrig war. Es handelte sich um Hausmannskost, wie sie jeder gutwillige Autodidakt fertig bringt. Leider gibt es so wenig gutwillige Autodidakten.
Aber es gibt gutwillige Touristen, von denen einige in Mirmande die steile Hauptgasse hinaufklettern, auch wenn sie nicht googeln um zu erfahren, wer André Lhote war, der den Ort aus dem Dornröschenschlaf weckte.
Ob der neue Pächter und sein Chef unser Kaff ähnlich wirkungsvoll aus dem Tiefschlaf holen würden? Tatsächlich war die etwas erhöhte Holzterrasse vor dem „Restaurant du Champs de Mars“ fast besetzt, als wir ankamen. Aber wir fanden noch einen freien Tisch unter den Platanen mit Blick auf den Parkplatz und das Bureau der Gendarmerie. Und schon begrüßte uns Monsieur Raymond, der Elektriker, der in unserem Haus die antiken Leitungen ersetzt hatte und seit Jahren verschwunden ware. Ich vermutete ihn in Rente wie seine Kollegen. Er war des Lobes voll über das Essen, welches unserem gottverlassenen Dorf endlich ein Glanzlicht verschaffte und versprach, morgen zu kommen, und sich um die defekte Beleuchtung des Weinkellers zu kümmern. Bedarf es eines besseren Beweises für die soziale Kraft der Gastronomie?
Dann kam der Typ, der sich im Laufe des Mittags als der Boss zu erkennen gab, mit der üblichen schwarzen Tafel, auf der das Menü verzeichnet war: 3 Gänge für 12 EURO.
So begann mein billigstes Mittagessen dieses zu Ende gehenden Sommers, und es war überhaupt nicht schlecht, weil jeder Gang frisch zubereitet worden war: ein Gaspacchio von Tomaten, Lachs in Schinken, Crème caramel.
Die Vorspeise war besonders originell und lecker. Dazu hatte der Koch enthäutete Tomaten zusammen mit etwas rotem Paprika (vorgegart und enthäutet) und Sahne im Mixer grob zerkleinert, mit reichlich durchgepresstem Knoblauch und Chili gewürzt und dann kalt gestellt. Ich fand in der Masse noch eine gebratene Schinkenscheibe. Serviert wurde die kalte Pampe in einem tiefen Teller und mit Créme fraîche sowie gehacktem Basilikum verziert.
Genau so etwas erwarte ich im Sommer in einer provencalischen Auberge, und nicht die ewigen Zwiebelkuchen und Lammkoteletts aus Neuseeland via Tiefkühltruhe. Zum Lachs gab es Salat und sehr gute Bratkartoffeln, die Süßspeisen waren ebenfalls hausgemacht und lecker.
Diese simple Interpretation der Hausmannskost findet man wahrscheinlich gar nicht mal so selten. Doch man muss sie finden! Zwischen all dem angestrengten Mist, den junge Köche uns zumuten, weil sie sich über- und uns unterschätzen, sind die schlichten Einzelstücke rar wir Gold.

Fotos: Barbara Siebeck

 

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