Gott, ist das schön…

… wenn ein Tag ohne Krisengerede vergeht, ohne Tornados in den USA, Bankenkrach, Überschwemmungen in Bangladesh und Bandenkrieg in Mexiko. Das passiert zugegebenermaßen selten, zum Beispiel wenn der Bildschirm beim Papstbesuch die Kinderschutzvorrichtung aktiviert und alles Elend barmherzig unseren Blicken entzieht.
Da bleibt uns dann –endlich! – das Erfreuliche des Tages. Dazu gehört für mich die Entdeckung, dass der fertig geriebene Parmesan – dieses Horrorprodukt der neunziger Jahre – neuerdings in respektabler Qualität zu kaufen ist. Wahrscheinlich muss man das der Verpackungsindustrie gutschreiben, welche normalerweise dazu beiträgt, dass wir alle wahnsinnig werden, wenn wir versuchen eine dieser durch­sichtigen Plastikhüllen zu zerstören, unter denen sich Seife, Zahnbürsten, Kartoffelschäler, Batterien und andere Kleinteile befinden, die wir nur befreien können, indem wir ständig einen Werkzeugkasten mit uns herumschleppen. Ohne ihn putzen wir uns nicht mehr die Zähne und kochen Kartoffeln mit der Schale. Letzteres, liebe Hobbyköche, kann durch die von mir entdeckte Neuigkeit des aromatischen, fertig geriebenen Parmesans zu einem guten Ergebnis führen – sofern Sie einen Blechschere  am Gürtel hängen haben.
Erfreulich ist auch der Beginn des Oktoberfestes in München. Fragen Sie mich nicht wieso. Es macht jedenfalls vielen Menschen Spaß, und das sollte genügen.

Ein weiterer Punkt auf der Liste der wohlgefälligen Dinge ist der Film über El Bulli, mit Ferran Adrià in der Hauptrolle. Der wird nur wenigen Menschen Spaß machen, und das ist auch nicht schlecht. Denn er ist das Gegenteil von einer TV-Koch Show, er ist intelligent und kühl (was man nicht mit cool verwechseln darf) und schreckt alle ab, die hoffen, durch den Film hinter das Geheimnis der Kochkunst zu kommen, wodurch vielen Menschen eine Menge Frust erspart bleibt.
Als ich vor siebzehn Jahren zum ersten Mal im El Bulli war, war nur die Hälfte der Tische besetzt und Adrià blickte sorgenvoll in die Zukunft. Ich munterte ihn leichtfertig auf: „Wenn Sie so weiter machen, sind Sie in zwei Jahren berühmt.“
Jetzt ist er es. Das El Bulli hat er vernünftigerweise geschlos sen.

Erfreulich ist auch die Einführung des Schmuddelbarometers für Restaurants. Je nach Größe der Kakerlakenpopulation vergibt die EU eine Hygiene-Ampel an Restaurants, so dass der Gast schon vor der Tür weiß, wie dick die Fettreste hinterm Ofen sind.
Das erinnert mich allerdings daran, dass die Ampel-Kennzeichnung schon einmal europaweit vorgeschlagen wurde und zwar für Lebensmittel: grün = bedenkenlos; gelb = mit Fremdstoffen angereichert; rot = gedopt, manipuliert, verfälscht, nicht genießbar. Diese Ampel sollte die mikroskopisch kleinen Angaben auf den Packungen ersetzen, welche sogar wenn sie jemand entziffert, nichts aussagen als dass die Tüte E 128, E 234, E 280-283, E 315-316, E 416 enthält. Was sich dahinter verbirgt, haben Autoren wie Hans-Ullrich Grimm, Petra Thorbrietz, Bernhard Ubbenhorst und mehrere andere seit Jahren immer wieder entlarvt, ohne dass unsere zuständigen Ministerien aktiv geworden wären.
Auch die Hygiene-Ampel, so vernünftig und notwendig sie ist, wird wohl nicht Realität werden. Die Lobbys sind schon emsig am Werk. Damit muss der deutsche Verbraucher immer rechnen: Was ihm nützen könnte, verhindert das Verbraucherministerium.

2 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Johannes |

    Was wäre der kulinarischen Welt erspart geblieben, wenn Sie Adria nicht aufgemuntert hätten? Auf alle Fälle jede Menge Additive (und Diarrhoen). Zum Glück ist jetzt Schluss damit, aber die Nachäffer gibt es leider immer noch zuhauf. Wie angenehm ist es doch, ein weder de- noch rekonstruiertes Chateaubriand (oder vielleicht auch mal ein Onglet) mit Sauce Bearnaise vor sich auf dem Teller liegen zu haben…

  2. Michael Müller |

    Lieber Herr Siebeck,

    bei allem verständlichen Interesse an reduzierten Kakerlaken-Populationen und Fettablagerungen, möchte ich Sie dennoch bitten, kurz inne zu halten und Ihren durchaus verständlichen Wunsch einer differenzierteren Betrachtung zuzuführen sowie die Folgen zu bedenken.
    Ihre Einschätzung zur Beteiligung der “Lobbys” teile ich, allerding teilweise mit umgekehrtem Vorzeichen

    Die deutsche HACCP-geprägte Lebensmittelhygiene-Verordnung ist inzwischen ein trauriger Euphemismus für “Sterilitätsverordnung”.
    Die Einführung einer Hygiene-Ampel mag an der einen oder anderen Stelle Verbraucher vor Misständen warnen oder vertrauensbildend wirken, sie ist m.E. jedoch nur eine Makulatur, die auch der Gourmandise schweren Schaden zufügen kann.

    Die Ampel dient nicht dem Schutz des – ohnehin nicht gefährdeten – Verbrauchers, sondern wird, wie so häufig, den Kunden in die Arme der Nestles & Co treiben, die ihre chemischen Gemege am liebsten direkt aus autoklavierten Plastikverpackungen unabgeschmeckt, und mit Mundschutz umgefüllt, auf dem Teller des Gastes sehen.
    Die Lobbythek mit Namen “Verbraucherministerium” wird es schon richten und tatkräftig unterstützen, per grüner Farbgebung, falls die Ampel kommt.

    Unterstützt werden solche Bestrebungen durch medienwirksame und oftmals unreflektierte Berichterstattungen auf Basis von traurigen Einzelfällen, die ein flächendeckendes Horror- und Ekelszenario etablieren und die Politik unter Zugzwang setzen.

    Abklatschproben vermeintlich verkeimter Demeter-Gemüse und brandgefährlicher Rohmilchprodukte werden manchen Sternekoch hart auf die Probe stellen und ggf. per Hygiene-Ampel ruinieren – entweder durch böse Ampelfarben oder durch Qualitätsverlust bei Verwendung zu Tode gequälter Zutaten.

    Jährlich sterben Zehntausende an multiresistenten Keimen in Krankenhäusern, ähnliche Folgen durch Gastronomiebesuche sind meiner Aufmerksamkeit bisher entgangen, abgesehen von den äußerst bedauerlichen Toten und permanent geschädigten EHEC-Patienten dieses Jahres. Aber das waren wohl eher die schlimmen Bio-Sprossen, nicht wahr?

    Ihr Michael Müller

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