Nach dem Papstbesuch wird die Buchmesse das nächste große Medienereignis sein. Beide sind mit lärmenden Partys verbunden, mit Lesungen aus berufenem Mund, eitlen Selbstdarstellungen und dem Versuch, die Anhänger der jeweils geltenden Mode enger an diese zu fesseln.

Dem Papst scheint das nicht recht gelungen zu sein, aber die Verleger – zumindest die Kochbuchverlage – können hoffnungsfroh darauf verweisen, dass ihre Bücher dicker, schöner und kostbarer geworden sind.

Auch lesenswerter, sollte man gerechterweise hinzufügen. Jedenfalls aus der Sicht der evangelischen Köche. Mit dem Konservatismus, den das päpstliche Lager empfiehlt, ist in unseren Küchen kein Staat zu machen. Unsere Köchinnen verschließen die Augen nicht vor den Errungenschaften der Moderne, ob sie nun furchtlos die Molekularküche beim Namen nennen oder mit Xanthan und flüssigem Stickstoff vertraut sind. Aber die alten Mehlschwitzen der gestrigen Küche lehnen sie ebenso ab wie den Missbrauch der Haferwurzeln, die beim Matthaes Verlag in dessen Ducasse Ausgabe „Grand Livre de Cuisine“ vorkommen, obwohl es sich um Schwarzwurzeln handelt. Die heißen auf Französisch salsifis, was ein Übersetzer, der gerade noch die päpstlichen Ansprachen vom Deutschen ins Lateinische übersetzt hat, nicht wissen kann.  Da sie (die Haferwurzeln) als Zutat zum Kalbsbries empfohlen werden, ist der Schaden nicht groß, denn Bries gehört bei deutschen Essern zu jenen Dingen, die man nicht isst, ohne sich vorher zu bekreuzigen. Viel schwerer wiegt, dass die deutsche Ausgabe weniger wiegt als das französische Original und auch kleiner ist. Aber immer noch so schwer, dass man lieber einen vom Dach fallenden Piusbruder auffangen möchte als diese deutsche Erstausgabe samt ihrer beigefügten CD. Dass sie bereits 2006 den interessierten Lesern in den Schoß fiel, ist hingegen kein Nachteil. Denn die Rezepte des französischen Großmeisters sind fabelhaft, für einen ehrgeizigen Hobbykoch sogar nachkochbar, in jedem Fall aber inspirierend. Er braucht nur eine Trüffelplantage in seinem Garten.

Das wuchtige Buch dokumentiert nicht mehr und nicht weniger als den Stand der Hochküche am Beginn des dritten Jahrtausends ohne Berücksichtigung der aktuellen Moden und exotischer Kochtechniken. Ducasse hat sich nie als avantgardische Speerspitze der Cuisine francaise verstanden. Er ist bescheiden und wollte nur der beste aller Köche sein. Das ist ihm auch gelungen, wenn man die Sterne, die der Rote Michelin vergibt, zum Maßstab für gastronomische Qualität nimmt: Zwei 3-Stern-Restaurants allein in Frankreich, dazu eine Handvoll Adressen mit einem oder zwei Sternen überall in der Welt legen Zeugnis ab für die enormen Ansprüche, die er an sich und seine Vize Chefs stellt, sowie für sein Organisationstalent, mit dem er sein Imperium aufgebaut hat und erfolgreich steuert. Wobei natürlich eine gehörige Portion Intelligenz notwendig ist. Beispielsweise hat er zwei der schönsten Pariser Bistros übernommen („Benoit“ und Aux Lyonnais“), alte Schmuckstücke in poliertem Messing, aufwendig gekachelt und die Belle Epoque besser repräsentierend als pittoreske Nachbauten. Beide waren nicht nur Pilgerstätten für Bistro-Liebhaber, sie hatten auch eine exzellente Küche. Als ihre Übernahme durch Ducasse bekannt wurde, schockierte es die Herren mit der Uhrkette auf der West zutiefst, die um ihren geliebten Mittagstisch zitterten. Doch Ducasse änderte nichts, auch die Speisekarten blieben fast wie sie es seit Jahren waren. Dazu hatte der Kluge Superkoch die von ihm eingesetzten Chefs sorgfältig auf die Tradition des jeweiligen Hauses eingeschworen und ließ nur kleine Verbesserungen zu.

Diese verfeinerte Bistroküche bildet in seinen dicken Büchern (es sind zwei, die süßen Sachen haben einen extra Band) das Rückgrat seiner Küche, welche aber – das soll nicht verschwiegen werden – die höchste Stufe der Kochkunst nicht vernachlässigt, weshalb ich das gastronomische Werk von Alain Ducasse auch noch 10 Jahre nach seiner französischen Erstausgabe für einen unverzichtbaren Baustein im Tempel der Kochkunst halte.

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