WIR HAMS JA

Frau HoffmannDie europäischen Landwirtschaft steckt in einer wunder­baren Krise. Sie könnte sich zum Segen der Konsumenten entwickeln. Dazu bedarf es allerdings einer radikalen Ver­änderung in der Agrarpolitik. Der Rationalisierungswahn mit seiner zwangsläufigen Massenproduktion muss als das Erzübel erkannt werden, das wie eine Seuche jede Qualität der Nahrungsmittel verhindert.
Aber Halt! War da nicht was? Haben wir nicht soeben aus dem Mund der ehemaligen CSU-Landwirtschaftsministerin ein Bekennt­nis zu genfreien Pflanzen gehört? Es klang sehr leise, fast zag­haft, aber es war deutlich.
Sie, die jahrelang unverdrossen für die genmanipulierten Produkte des Samengiganten Monsanto geworben hatte, die ihr besonders ans Herz gewachsen schienen – und die auch sonst ein offenes Ohr von der Größe eines afrikani­schen Dickhäuters für die Wünsche der Agrarindustrie hatte, sie gelobte, dass dieses Teufels­zeug auf bayeri­schem Boden nicht ausgesät werde. (Das kann nur be­deu­­ten: den Bajuwaren steht eine Landtagswahl bevor.) Immerhin sollte es uns eine Lehre sein, wie plötzlich sich die offi­zielle Doktrin ändern kann. Da musste nur ein un­fä­higer Minister ge­kippt werden, weil ein anderer, der es nicht einmal zum Minister gebracht hat, sich auf dem Klo Nacktfotos ansieht, so dass in der militärischen Ecke der Republik ein paar clevere Typen zig Millio­nen Euro am Par­lament vorbei verjuxen, was ihnen eine penible Haushäl­terin nicht gönnt.
Erstaunlich bei dem Verwirrspiel ist jedenfalls die Ge­schwindig­keit, mit der da neue Agrarminister, Drohnen­beschaffer, Softpornografen, Aufsitzende, Vorsitzende, Plagiatorinnen und Nachsitzende aus dem Hut gezogen werden.
Nun ja – wer hat, der hat.

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Die Einzelheiten zu beschreiben, die zu dem Fiasko geführt haben, ist nicht nötig. Jeder, der sich informieren wollte, hatte im letzten Jahr Gelegenheit genug, die unappetitlichen Details kennenzuler­nen. Kein einzelnes ist wie ein Naturereignis über die Konsumen­ten gekommen. Alle Katastrophen sind hausgemacht. Die hun­dert­­tausend abgeschlachteten Rinder, die exekutierten Schafe, die brennenden Schweine – und was sonst alles dem Irrsinn der Funktionäre zum Opfer fiel – sie sind einem gemein­samen Virus erlegen: der Sucht des Konsumenten nach dem Billigangebot.
Weil die Eier immer noch so billig sein sollen wie vor vier Jahr­zehnten, werden Millionen Hühner in KZ-ähnlichen Käfigen gequält; weil die Verbraucher jeden Tag Fleisch essen wollen, werden Schweine und Kälber mit Wachstumshormonen gedopt, Tier­quälerei ist die tägliche Beilage auf unseren Tellern.
Was dort seit langem nicht mehr zu entdecken ist, nannte man früher Produktqualität. Alles was in Massen produziert wird, damit es möglichst billig ist, verliert an Qualität. Das ist so etwas wie ein Naturgesetz in unserer globalisierten Gesellschaft. Entsprechend verkam die Qualität unserer Ernährung in dem Maße, wie das Essen durch Massenproduktion immer billiger wurde.
Das tägliche Stück Fleisch wurde zum Symbol unseres Wohl-stands, und nie hat sich die zivilisierte Menschheit so zynisch über die Naturgesetze hinweg gesetzt wie in unserer Zeit. Dafür büßen wir.
Den einen zerfrisst die Furcht die Seele, am Essen zu erkranken. Andere fürchten um ihre Einnahmen, wenn die kriminelle Behand­lung, die sie den ihnen anvertrauten Tieren angetan haben, plötz­lich verboten wird. Die dritten fürchten allgemein um ihren Berufsstand, weil sie nicht wissen, wie sie ihn erhalten können, wenn seine Methoden radikal geändert werden. Wieder andere fürchten um ihre Pfründe, weil der Volkszorn ihnen möglicher­weise die Wiederwahl verweigert. Die Furcht geht um in unserer Gesellschaft, und das ist gut so. Denn die Furcht ist die Mutter der Vernunft.
Darüberhinaus muß der Verbraucher erkennen, dass er nicht nur Opfer, sondern auch Täter ist. Mit seiner hartnäckigen Weigerung, für gute Qualität mehr Geld auszugeben als für schlechte, hat er den Produzenten die Möglichkeit gegeben, den Markt zu über­schwemmen mit Produkten, die biologisch und kulinarisch gese­hen Schund sind. Nicht nur die Produkte der Landwirtschaft. Auch was sonst in Dosen und Döschen, in Bechern und Büchsen, unter Plastik und eingefroren dem Konsumenten aufgeschwatzt wird, ist größtenteils nicht für den menschlichen Verzehr geeignet – sofern der etwas mit Genuss zu tun haben soll.
Nicht anders bei den billigen Schnitzeln vom Schwein, den Hühnerkeulen und Rindersteaks aus Massentierhaltungen. Die Feinschmecker unter den Verbrauchern haben das als erste er­kannt; allein ihretwegen konnten die ersten Biobauern existie­ren. Nun ist die Furcht dazu gekommen und hat die gesundheitlichen Aspekte unserer Ernährung in den Mittelpunkt gerückt. Dass damit gleichzeitig die Interessen der Feinschme­cker berücksich­tigt werden, ist zwangsläufig, auch wenn diese mit den Schnäpp­chenjägern, die jetzt um ihren Kreislauf fürchten, wenig gemein­sam haben. Eine Zwangskoalition nennt man das. Ihre Notwen­digkeit steht außer Frage. Denn beide zusammen haben eine starke Waffe in der Hand: den Boykott der minderwertigen Qua­litäten.
Die Chance für eine Wendung zum Besseren war noch sie so groß wie jetzt, da über europäische Äcker die Giftwolken der chemi­schen Spritzmittel ziehen. Der Konsument muss sich nur seiner Macht bewusst sein – und seine unselige Bedürfnislosigkeit ge­genüber dem besseren Essen aufgeben.

5 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Dieter |

    Selbstmord mit Messer und Gabel?
    Nun ist alles gesagt(geschrieben).
    Ob sich was ändert?
    Warten wir’s ab.

    • Dieter |

      Man muß zugeben, daß unsere Verbrauchergesellschaf durch mehrere Plagen belästigt wird, die die Leute leiden lassen oder zu früh in den Tod schicken: u. a. sind es Tabak, Alkohol, Zucker, die in Übertreibung verbraucht werden. Das übermäßige Fett, das Fettsucht hervorruft, unsere Arterien blockiert.
      Man hat die Neue Küche beerdigt. Ist das seriös? Ich denke im Gegenteil, daß man die erworbenen Vorteile bewahren muß. Man muß sich anstrengen, den Geschack mit der Gesundheit zu vereinigen, indem man Übertreibungen fortläßt und die vernünftigen Dinge der klassischen Küche bewahrt.Ich bin also nicht dafür, die Neue Küche zu unterdrücken; aber auch: Man lasse die erleichterte traditionelle Küche leben.

  2. Jeeves |

    Wird dieser neue Aufschrei helfen?
    Wohl leider nicht.
    Seit zwei Jahrzehnten (oder länger; ich erinnere mich, dass mir um 1970 herum die Idee kam: wie kann es sein, dass z.B. Bananen bei uns so billig sind? Und das Denken ging weiter) …weiß auch ich um die Misere, genauer: um die Schweinerei, die falschen Prioritäten, gesetzt von entweder dummen & lernresistenten … oder lobby-ierten (vulgo: bestochenen) Politikern und Beamten.
    Es gibt inzwischen Meersalz und „richtige“ Butter aus der Bretagne (und vieles Schönes & Gutes mehr), aber 99% der „Leute“ kaufen weiterhin dsen gar nicht mal so billigen Dreck /wenn ich z.B. an Tütensuppen denke: 3 (drei!) Gramm ominöses Hühnerfleisch für 79 Cents) im Supermarkt, oder schlimmer: bei Aldi und anderen Billigläden).
    Soll man aufgeben?

  3. Reiner Scherpenstein |

    Gutes Essen zu angemessenen Preisen hat bei uns in Deutschland keine Tradition. Ein überteuertes Auto mit Schnickschnack bis zum Abwinken, ein super Haus, Urlaub um die halbe Welt an einem verlängerten Wochenende usw….., das zeugt von Lebensart.
    Aber Geld für echtes Fleisch, Gemüse ? Verschwendung !
    20 Euro für einen Liter Olivenöl, der muss verrückt sein !
    100 Euro für ein Menue in einem guten Restaurant, ab in die Klapsmühle. Sowas kann nur geduldet werden, wenn auf Firmenkosten. Das war dann ja also doch billig, also ok.
    Und jetzt fahren wir alle mit unserem Rolls zum Aldi !

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