TRÜFFEL

Frau HoffmannMehr als zehn Seiten widmet das amerikanische Magazin The Atlantic den Trüffeln. Daran ist ungewöhnlich nur die Länge des Textes. Denn jetzt, in den Monaten vor und nach Weihnachten, hat diese unscheinbare Knolle ihre Hochsaison. Und wenn man in den USA sitzt, ranken sich um den Edelpilz die abenteuerlichsten Geschichten. Vom Kilopreis ist am häufigsten die Rede, der sich bei 2000 bis 3000 Dollar $ bewegt, anscheinend unterschiedslos von der Herkunft der Trüffel. Die chinesischen werden als genau so wertvoll eingeschätzt wie die weißen aus dem Piedmont oder die schwarzen aus dem Perigord.
Vielleicht werden sie bei Lehmann Brothers so gehandelt. Die routinierten Händler hierzulande kennen andere Preise. Sie wissen auch, dass die sogenannten Perigord-Trüffel zum größen Teil schon seit Jahrzehnten in der Provence gefunden werden.
Aus der Ferne lassen sich kuriose und spannende Stories über Trüffel schreiben, vor allem, wenn die Autoren 8000 Kilometer entfernt wohnen und gern über Mord und Mafia meditieren. Meistens geht es dabei um die Trüffelhunde, welche von neidischen Nachbarn mit Gift und Galle zur Strecke gebracht werden. Vielleicht gibt es solche Fälle en masse; vor allem aus Italien werden kriminelle Vorgänge berichtet, wo die teuren Erdknollen gefälscht, bearbeitet, parfümiert und mit Botox behandelt werden, was niemanden wundert, der den „Paten“ im Kino gesehen hat.
Ich hatte das Glück, fast zwei Jahrzehnte im Zentrum der provencalischen Trüffelreviere zu wohnen. Dort entging mir nichts von dem Wahnsinn, der die Trüffelsucher jedes Jahr im Winter befällt. Das ist die Zeit, wenn die Nimrods nicht mit ihren Schießprügeln auf die Jagd gehen, sondern mit dem Trüffelhund, und die Kids den Tagespreis der Trüffel in ihre Smart Phones einspeichern. Es ist aber auch die Zeit, wenn jede Billigkneipe eine brouillade aux truffes auf der Speisekarte hat. So wie jetzt.
Es geschah, dass ein großes Böblinger Blech vor der Burg bremste und der Chauffeur auf die freien Fondsitze deutete: „Einmal La Beaugravière und zurück, wie wär’s?“
Nun muss man wissen, dass sich hinter dem eindruckvollen Namen keineswegs ein Schloss verbirgt, sondern ein Landgasthaus, wie es sie hier am aufgeräumten Schwarzwald längst nicht mehr gibt: Seit dreißig Jahren nicht mehr renoviert, auch davor völlig schmucklos. Die Wände kahl, die Beleuchtung grell, die Autos der Gäste blockieren den Eingang: Eine Landstraßenkneipe an der N 7 bei Mondragon mit der größten Weinkarte des Rhonetals
Und noch eine Spezialität karrt die Gäste hordenweise in das Genießerzentrum. Genau – die Trüffel. Monsieur Jullien muss sie in dieser Jahreszeit tonnenweise verarbeiten. Ihretwegen ist der Laden mittags und abends bumsvoll. Zwei Menüs feiern den Höhepunkt der Wintersaison. Das am wenigsten teure kostet 130 €. Es bestand bei unserem Besuch aus einer getrüffelten Weiße-Bohnen-Creme, aus einem flüssigen Rührei mit Trüffeln (Brouillade), einem Huhn-in-Halbtrauer (bei dem die Trüffel in Scheiben unter der Haut sitzen) einem Weichkäse und – als einziger Gang ohne Trüffel – einer knusperigen Apfeltorte.
Die Trüffel glichen in allen Gängen einer Sättigungsbeilage, das heißt, sie lagen in nicht zu dünnen und keineswegs kleinen Scheiben auf den Tellern in einer pampigen Cremesauce, welche ihre Pampigkeit nicht irgendwelchem Mehl verdankte, sondern ungeheueren Mengen Trüffelkrümeln. „Trüffel satt“, wäre der passende Name für unser Menü gewesen. Es hätte aber auch am nächsten Tag als „Trüffeltransport auf der N 7 verunglückt“ stehen können. Denn geschmeckt hat die ganze Trüffelorgie überhaupt nicht. Um es deutlich zu sagen: Was wir da für viel Geld in uns hineinschaufelten, war weder delikat noch sonstwie erfreulich. Bemerkenswert war lediglich das zerknirschte Achselzucken des Wirts: „Ja, dieses Jahr ist eine Katatrophe.“ Mit diesen Worten tröstete er jeden, der das ebenfalls gemerkt hatte.
Womit sich wieder einmal die enge Verwandtschaft von Trüffel und Wein erwies. Beide sind von der Witterung abhängig wie alte Rheumatiker.
Die wirklich schlauen Gäste wussten das längst und hatten à la carte Gerichte ohne Trüffel bestellt. Denn Guy Jullien ist in diesem Teil der Provence seit Jahrzehnten auch ein sehr populärer Küchenchef.

3 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Dieter |

    Zum Luxus wurden Trüffeln erst, als sie seltener wurden.
    Früher waren sie Volksnahrungsmittel.
    Heute allerdings wird mit den Worten „Trüffel“ oder „getrüffelt“
    ein arger Mißbrauch getrieben, denn meistens sind Trüffeln nur
    dazu da, das Gefühl von Prestige und Luxus zu vermitteln und die
    Preise für die Gerichte hochzutreiben.
    Der Gourmet wird als Gericht nur die ganze, gekochte Trüffel wählen, die sich
    dann durch Duft und Geschmack voll entfalten kann.
    An eine erotisierende Wirkung glaube ich bis heute nicht.

  2. Frank Mueller-May |

    Armer Monsieur Jullien – da hat er sicher nicht in Carpentras, auf dem Markt für Trüffel, eingekauft. Das Kilo für 680€ in diesem Jahr, und die Knollen waren „erste Sahne“ !!!! Kleiner Tipp: Trüffel kann man einfrieren. Zum essen dann aber bitte in angefrorenem Zustand hobeln oder reiben – sonst werden sie matschig und schmecken wie: s.o. im Text
    Frank

  3. Thomas |

    Strimmt, man(n) sollte mal wieder nach Lorgues reisen oder nicht?

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