IN DER KÜCHE – WO SONST

Frau HoffmannZimtsterne hin und her, was ich gegessen habe in den letzten Wochen war auch nicht so ohne. Zum Beispiel diesen Vogel, der unter dem Namen Taube verhasst ist. Nicht bei Gourmets, sondern bei Autofahrern, auf deren Glanzlackkarosserien sie unappetitliche weiße Apps hinterlassen, wie sie nur von großen, fetten Tauben stammen können. Das glaube ich jedenfalls, ob­wohl ich, der ich viel auf Bahnsteigen herumstehe, noch nie eine scheißende Taube gesehen haben. Vielleicht sind es Amseln, deren fäkale Spuren so auffällig sind auf den Kühlerhauben und Windschutzscheiben.

Aber eine Amsel habe ich nicht gegessen, sondern eine Taube. In der Auberge de l’Ill bei Marc Haeberlin.

Diese Taube ist Bestandteil eines Menüs des genialen Elsässers

Und sie ist außergewöhnlich. Nämlich riesig. Als sie mir vorgesetzt wurde, wusste ich zunächst nicht, ob es sich um etwas Essbares handelte oder um ein Kunstwerk. Dazu muss ich erklären, dass ich unlängst im Dresdner „Grünen Gewölbe“ war, was ein Museum ist, vollgestopft mit Gegenständen, welche einzeln gesehen auch mal Kunst sein können, insgesamt aber viel Ramsch enthalten.

Diese Art von Ramsch glaubte ich auf meinem Teller wiederzuentdecken. Es sah aus wie ein Bein, ein Bein eines großen Vogels. Albatross. Oder der Vogel Greif. Also ein Vogelbein, wie sie es im17. Jahrhundert aus gehämmerten Goldblech den jeweiligen Fürsten in die Schatzkammer gebaggert haben. Doch meine Taube bestand nicht aus Blech. Das, was ich auf dem Teller hatte, war nichts anderes als das Bein einer echten Taube. In seiner gigantischen Größe, konnte es ein Saurierbein sein. Es war alles in allem ein küchentechnisches Wunder.

Das stellte sich heraus, als ich mich daran machte, die Einzelheiten des Taubenbeins zu analysieren. (Das zweite Bein servierten sie einem Glückspilz am Nachbartisch.)

Zunächst müssen sie das Bein völlig von jeglichem Fleisch und Fett leer geschabt und an der Tankstelle aufgeblasen haben wie einen Fesselballon. Das versorgte die Beinfüller mit dem notwendigen Platz. Den benutzten sie, um verschiedene Schichten einer delikaten Masse anzubringen. Erkennen konnte ich vor allem Foie gras, Wirsing; wahrscheinlich auch Morcheln und zwei, drei andere Elemente, die ich in der Eile (das alles sollte ja in heißem Zustand gegessen werden) nicht identifizieren konnte. Jedenfalls handelte es sich um ein bemerkenswertes Kunstwerk von allergrößter Delikatesse. Daneben lagen drei schmale Scheiben vom Brustfleisch der Taube, die den Größenunterschied zwischen Brust und gigantischem Bein auf groteske Weise unterstrichen.

Die Kunstfertigkeit der Füllung gab erneut einen Hinweis auf die Zusammenarbeit der heutigen Patissiers mit den Küchen­chefs, wie sie in dieser und der vergangenen Saison den Stil der Hochküche bestimmt.

Letzten Endes ist es das, was Kochkunst demonstrieren soll: Die Perfektion der Arbeit in einer Profiküche, die sich von jeder anderen Küche abhebt und dadurch die Kochkunst bereichert.

3 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. oliver schuster |

    ich beneide Sie um diesen hochgenuss,und den besuch
    der auberge…

  2. Susan |

    Ich finde es wirklich klasse, dass Sie sich all diese Mühe machen und die Informationen aufbereitet für uns präsentieren. Weiter so!

  3. Reiner Scherpenstein |

    Ja, Marc Haeberlin.und sein Restaurant. Da bin ich schon davorgestanden, hatte leider nur sparsame Menschen mit, wir sind nicht drin gewesen. Das war seinerzeit nicht schlimm, denn im Elsaß gabs genügend andere sehr gute Stellen, den Hunger zu stillen. Aber in Paris, da hab ich seinerzeit erstmals eine Taube verzehrt. Aufgrund der Beschreibung des Inhabers dieser Seite hier im Restaurant des Pierre Vedel im 15. Arrondissement. Nach Bestellung wurde mir die noch rohe Taube gezeigt und dann zubereitet. Seither genieße ich Tauben, wenn immer ich sie bekommen kann. Allerdings nie mehr in einem Restaurant hier in Old Germany, die haben sie nicht auf der Karte, dafür bereite ich selbst sie recht passabel zu. Natürlich nicht auf die hier beschriebene Art des großen Künstlers Marc Haeberlin, aber eben so, wie vermutlich die durchschnittliche kochkundige französische Hausfrau es bewerkstelligen würde.

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