INZWISCHEN……….

Frau HoffmannVierzehn Tage sind eine lange Zeit für YouTube Addicts, habe ich mir sagen lassen. Ich hingegen – von YouTube weiter entfernt als von einer Tube Tomatenketchup – fand die erzwungene Pause ganz erholsam. Solange hat es nämlich gedauert, bis jemand von der Telekom kam und das von einem YouTube-Fan angerichtete Chaos an meinem Rechner zu reparieren. Dass ich seitdem auch stolzer Besitzer eines neuen Routers bin und wir alle eine neue Regierung haben, wurde vom deutschen Volk mehrheitlich begrüßt, wenn nicht gar bejubelt. Sie mögen’s nun mal lieber ruhig, die Deppen, weil sie sich nicht daran erinnern, wie es immer endete, wenn sie mehrheitlich gejubelt haben.

Nun bleibt uns also eine 1-Mann-Opposition in Gestalt des netten Herrn Gysi, der nur noch Veganer werden muss, um als Bundeskanzler gewählt zu werden. Er sollte sich allerdings mit dem Tofubacken beeilen, denn der nächste Küchentrend liegt schon in der Luft.

Was das Knacken von Nüssen ersetzen wird, ist das gute, alte Brot. Die Beschreibungen vom Brotbacken im eigenen Herd stapelten sich unter den Weihnachtsbäumen der letzten Wochen, dass für die Tofubibeln kaum noch Platz blieb. Brot ist den Deutschen so heilig wie den Belgiern das Bier. Jeder zweite Belgier braut sein eigenen Bier, erfuhr ich Weihnachten, als ein aus Antwerpen angereister Gast seinen Kofferraum entlud, der mit Bierflaschen gefüllt war wie meiner manchmal mit Wein. Gottseidank blieb noch genug Platz für einige Filets Pferdefleisch, so dass wir den Tisch noch einmal für ein vorzügliches Mahl decken konnten. Das Brot, das dazu gereicht wurde, stammte aus einer nahen Bäckerei, vor der die Kunden Schlange stehen, wie ich sie nie vor einem Veggi-Shop habe Schlange stehen sehen. Das lässt mich hoffen, dass die anämische Kost aus den Charts verschwindet. Denn ob man extrem teuere Gemüsemenüs in der Spitzengastronomie toleriert oder die bescheidenen Tofuklopse entbehrungsbereiter Hausfrauen erduldet, viel Inspirationen haben beide nicht ans Essen gebracht, mögen unsere Mütter auch die Petersilie künftig nur mit Tatort-Handschuhen anfassen.

Ob das Brot, selbstgebacken oder nicht, ein kulinarischer Ersatz werden wird, ist nicht sicher. Die zeitsparende Technik setzt auch den Knethaken in Betrieb und hat Fertig-Back­mischungen im Gefolge. Nicht zufällig liegt die größte und erfolgreichste Aromafabrik auf deutschem Boden. Die dortigen Ingenieure sorgen dafür, dass sich ein Dinkelbrot unmissverständlich von Brot einer anderen Getreidesorte unterscheidet. Oder dafür, dass ein deutscher Rotwein das exotische Pflaumenaroma besitzt, das wir an einem Pomerol schätzen.

Merkwürdigerweise gehört eine unserer Spezialitäten nicht zu den populären Produkten made in Germany. Das ist der Pumpernickel. Er hat seinen Auftritt höchstens bei einer Platte Austern, wo er, mit einer obskuren Käsesorte scheibchenweise gefüllt, als kleiner Würfel eine unerklärliche Rolle spielt.

Deutsche Aromen tragen auch zu dem lukrativen Aufschwung bei, den sich unsere Wirtschaft vom kommenden Jahr verspricht. So soll es künftig nicht mehr vorkommen, dass das Interieur eines großen BMW genau so duftet wie die S-Klasse von Mercedes. Die Chinesen mit ihrer tausendjährigen Schnüffeltradition legen Wert auf solche Unterschiede.

Davon werden zweifellos auch unsere Bäcker lernen, so dass ihre Reform-Brote nicht mehr aussehen, als wäre in der Back­stube eine Tüte mit Vogelfutter geplatzt. Ob sie anders schmecken werden als 2013 ist dem Konsumenten weniger wichtig. Wenn nur BIO dransteht, kann es auch Kommissbrot sein.

Was aber, wenn eine Kneipe „Schlachterbörse“ heißt wie die Spelunke, in die ich in Hamburg geraten bin? Winzige Halb­etagen, vollgestopft mit dem Kitsch der letzten 40 Jahre und Stammgästen, welche die Speisekarte mit der Erwartung lesen, die man sonst nur auf dem Petersplatz in Rom beobachtet, wenn die Gläubigen dem Papst seinen Segen von den Lippen ablesen. Denn hier, in der Kampstraße 42, im berüchtigten Schanzenviertel, liegt meine originellste Entdeckung des vergangenen Jahres. Nämlich die schlichte Schlachterbörse, deren Besitzer den Ehrgeiz haben, ihren Hamburger Kunden das beste Fleisch zu bieten, für das je ein Tier geschlachtet wurde. Und das ist tatsächlich wunderbar zart und saftig und voller Aromen.

Im Gegensatz zu den trockenen und harten Geflügelstücken, für die in der schicken Milchstraße das „Anna Sgroi“ unerklärlicherweise einen frischen Michelinstern erntete.

Da lobe ich mir die Anstrengungen, die zwei unserer Spitzenköche kontinuierlich unternehmen, um ihren hohen Rang zu rechtfertigen. Ich meine damit Sven Elverfeld vom „Aqua“ in Wolfsburg und Christian Jürgens von der „Überfahrt“ in Rottach-Egern. Obwohl Jürgens seinen dritten Stern erst in diesem Herbst bekam, besaß er schon immer die Souveränität eines Meisterkochs, wie sie auch Elverfeld in der Wolfsburger „Autostadt“, im Hotel „Ritz Carlton“ seit Jahr und Tag demonstriert. Beide sind herausragende Küchenchefs im deutschen 3-Sterne-Team, eigenständig und hemmungslos kreativ. Solange unsere Gastronomie mit solchen Spitzenleistungen aufwarten kann, kommt es nicht darauf an, dass sich der Rote Führer zu sehr auf den Südwesten des Landes konzentriert, der unter der Last der Sterne bereits Anzeichen von Müdigkeit zu erkennen gibt. Anders als in der Politik richtet Mittelmaß in der Kochkunst keine großen Schäden an. Das Publikum wurde rechtzeitig auf regionale Kost eingeschworen. Provinzialismus schreckt niemand mehr.

4 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Burkard Fries |

    Danke, dass Sie immer noch zu lesen sind. Warum schreiben Sie nicht wieder mehr in der „Zeit“? Die Art, sich auszudrücken wird dort immer unerträglicher und ihre Hilfe wäre bitter nötig.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Burkard Fries

    • Adrian Magenbitter |

      Ja,diese Hilfe hätte das Blatt bitter nötig. Aber ich vermute, sie ist dort gar nicht mehr so erwünscht. Jedenfalls haben die zwei Beiträge (zuzüglich dem jährlichen Weihnachtsmenu), die von unserem geschätzten Autor W.S. noch pro Jahr im Zeitmagazin erscheinen, bisweilen eine beachtliche Fassreife zwischen Schreiben und Erscheinen hinter sich. So erschien im Juni 2013 ein Beitrag über Bocuse, den W.S. wohl schon im Oktober 2012 geschrieben hatte, denn er nahm darin auf die „goldene Herbstsonne“ Bezug. Offensichtlich fungierte das Ganze im Juni nur als Lückenbüßer.

      Auch hat Siebeck selber wohl in einem Interview geäußert, man habe ihm schon seit einiger Zeit nahegelegt, einmal Jüngeren eine Chance zu geben, bevor 2011 der „Zeitschmecker“ dann Vergangeheit war. Die Artikel der Dame, die die Ehre hat, ihn mit der Rubrik „Wochenmarkt“ beerben zu dürfen, sind kein Ersatz für den Verlust, den wir mit dem Hinscheiden der Rubrik „Zeitschmecker“ erfahren mussten, weder in kulinarischer noch in literarischer Art: Sie beschreibt meist nach dem „Man nehme…“ – Prinzip Rezepte einfacherer Küche aus aller Herren Länder, die sich postmoderne Büromenschen am Feierabend noch schnell zusammenbrutzeln können. Bringt sie ausnahmsweise mal was aus dem Land der Grande Cuisine, dann durch Amerikaner wiedergekäut mit dem Hinweis auf Pariser Salonkommunisten, die unerträglich seien.

      Sollte dies, was ich hier vermute, den Tatsachen entsprechen, so wäre der Umgang mit einer so verdienten (und nach wie vor schreiblustigen) Person, wie sie unser Autor W.S. ist eine Schande ersten Ranges für ein Blatt, das mal ein liberales Blatt mit hohem kulturellem Anspruch war.

      „Die Zeit“ ist mehr und mehr wirklich zu einem Blatt für Dr. Lieschen Müller geworden, wie sie von Henri Nannen einmal vor langer Zeit charakterisiert wurde.

  2. Ingrid Hermann-Mehrtens |

    Richard Bertinet Brot für Geniesser . seit 4 Jahren von mir erhaltene 3*** .

  3. Felix Kissling |

    Ich habe soeben zwei Schätze gefunden. Der erste ist dieser Blog, der zweite das Buch ‚Kochschule für Anspruchsvolle‘. Dieses war über eine sehr lange Zeit in meinem Bücherhaufen verschollen. Ich suchte es Stundenlang. Heute, so als letzte gute Tat vor dem Jahresende, entschloss ich mich es noch einmal zu kaufen. Um es kurz zu machen – es ist kaum erhältlich. Da ich auch den Titel vergessen hatte musste ich mich vorgängig auf Goggle stürzen und da fand ich eben den Blog. Die selbe Sprache wie ich sie vom Buch her in Erinnerung hatte und die ich so schätze. Beim lesen des Blogs kam dann die Erleuchtung – ich habe auch das Buch wieder gefunden. Und jetzt muss ich dringend die Geschichte mit dem Stockfisch lesen und an Silvester versuche ich das Mousse au chocolat. Ich bin gespannt ob ich diesmal den Butter mit der Schokolade besser verrühren kann.
    Vielen Dank Herr Siebeck für die vergangen und auch die zukünftigen vergnüglichen Stunden mit Ihren Texten.
    Alles Gute zum neuen Jahr.
    Felix Kissling

Schreibe einen Kommentar