KNOSPENDE LANDSCHAFTEN (2)

Frau HoffmannMan könnte fragen; was geht uns heute die sächsische Hofküche um 1900 an? Gab es da etwas Besonderes? Doch, das gab es. Es war die Kontinuität der Feinen Küche, wie sie zu allen Zeiten von der Oberschicht geprägt wurde. Das heißt, die Arme-Leute-Küche der Bevölkerung war erkennbar daran, dass sie primitiv und anspruchs­los war, ohne ausgeprägtes Profil und sogar ohne Identität, während die Hofküche wie alle Hofküchen im 19. Jahrhundert unverwechselbar war, weil sie auf raren und teueren Produkten basierte. Also genau so, wie sich heute die Küchen der Kantinen von Feinschme­cker-Restaurants unterscheiden.

Diese Erkenntnis mag überraschen, widerspricht sie doch dem Glauben an den Fortschritt der Küchenmode, sowie dem der Kochtechnik. Aber wo damals wie heute das Hauptprodukt eines Menüs entscheidend war für den Ruhm der jeweiligen Küche, müssen auch andere Elemente eine Rolle gespielt haben als Fingerfertigkeit und Res­pekt vor den Traditionen. Und zwar ein individueller Ehrgeiz bei den Köchen, neben ihrem Bestreben, der Konkurrenz eins auszuwischen. Wobei weder einmal die Kochkunst beim Wort genommen wird.

Ohne die Idiosynchrasien einzelner hätte sie nie ihr derzeitges Niveau erreicht. Gesellschaftspolitische Zusammenhänge sind wichtig für das Befinden eines Volkes; mit Revolutionen und ideologischen Programmen kann man ein Land zwar elektrifizieren, aber eine Kunst von Dauer schafft man damit nicht. Dazu bedarf es nach wie vor der verrückten Visionen einzelner Individuen, Künstler genannt. Und wenn die für ihre Kunst nicht mehr verlangen, als ein brennendes Feuer, gut gemästetes Schlachtvieh und den einen oder anderen Löffel voll Salz, so muss man sie nur sich selbst überlassen, und die Kochkunst macht einen Schritt nach vorne.

So wie Rembrandt nur ein geheiztes Atelier brauchte, nebst Farbe und Pinsel, um Großes zu schaffen.

Mehr ist von der Kunst nicht zu erwarten. Wenn man sich darüber im Klaren ist, stören auch die unvermeidlichen Irrwege nicht, die Sackgassen und der berufsbedingte Größenwahn nicht.

In Dresden wird einem das eingebläut, bevor man das erste Gasthaus betreten hat. Weil es dort so viele Museen und Lagerhäuser für die Kunst des Barock gibt. Viel schwülstiger Kitsch ist dabei, wie überall, wo hübsche Stücke der Handwerkskunst in Gruppen herumstehen und auf Bewunderer warten

„Kastenmeiers“ am Tzschirnerplatz darf dabei nicht unerwähnt bleiben, weil es zu den raren Lokalen gehört, die täglich mittags und abends geöffnet sind. Wenn dort die Garzeiten der Fische nach Sekunden gemessen wür­­den anstatt nach Minuten, wäre man in dieser Neueröffnung der Moderne ein hoffnungsvolles Stück näher. Das ist der Fall im 5. Stockwerk eines schmalen Hauses im Stadtzentrum. Im „Moritz“ des kleinen aber eleganten Hotels Suitess (An der Frauenkirche 13) kann man an schönen Abenden auf der Dachterrasse so essen, wie man es bei Beans&Beluga erwartet. Die auch hier modisch-mini­malistische Küche ist jedoch längst nicht so überdekoriert wie im Weißer Hirsch genannten Wohnviertel an der Bautzner Landstraße. Erstaunlich bescheiden sind die Preise im Anblick der Frauenkirche.

Die der Museen sind es generell nicht. Aber erstaunlich ist schon, was man für Geld in den barocken Räumen be­sichtigen kann. Ich übergehe hier höflich die Kuriositätensammlung der sächsischen Kurfürsten und Könige im Grünen Gewölbe, die unweigerlich daran erinnert, dass es in der Neuzeit jüdische Sammler waren, die moderne Kunst sammelten und nicht der Adel. Der begnügte sich mit Grundbesitz.

Aber sogar der Vatikan hatte manchmal einen speziellen Geschmack. Das erkennt der Besucher im Albertinum, wo die „Indianer“ ausgestellt sind, ein Leihgabe aus Rom. Dabei handelt es sich um einen kilometerlangen Gipsfries mit Szenen aus dem Leben nordamerikanischer Ureinwohner, wobei sich gegenseitig skalpierende Rothäute vom Künstler besonders naturalistisch abgebildet wurden. Er hieß

Ferdinand Pettrich und stammte aus Dresden, lebte aber in Rom, der Stadt in der sich auch Goethe wohlfühlte, welcher jedoch – im Gegensatz zum neoklassischen Bildhauer – nach einigen Litern Frascati nach Weimar zurückkehrte.

7 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. oliver schuster |

    Frueher der hof und adel,heute unternehmer,welche die
    haute cuisine(als wahre schule des lebens), als teil des evolutionaeren prozesses
    der verfeinerung des lebens um ueber den menschen hinaus zu kommen,voranbringen:
    Fritz Eichbauer und Thomas Althoff
    unters volk bringen muessen es andere- die vielen
    familienbetriebe ,die es auch im oestlichen teil
    D’s gibt, leider noch durch einen „dornroeschenschlaf“ gehandicapt.

  2. Christian S. |

    Sehr geehrter Herr Siebeck,

    ich fordere Sie zu einer Gegendarstellung auf:

    Ca. 1996 habe ich im einem Zeitschriftenladen in Ihrer Feinschmecker Kolumne gelesen, dass es sich Ihrer Ansicht nach es um absolute Vandalen handele, die einen Chauteau Latour Premier Grand Cru mit einem Glas Orangensaft trinken würden…
    Den genauen Wortlaut habe ich leider nicht mehr parat und ich hatte mir diese Ausgabe auch leider nicht geleistet.

    Ich weiss jedenfalls, dass ich kein Vandale bin!

    Tatsächlich habe ich ca. 1994 im Alter von 24 Jahren einen LKW mit einem Anhänger und restlos gefüllt mit von mir damals vertriebenen englischen Kircheninventar an die deutsche Weinstrasse geliefert, daraus wollte ein ortsansässiger Gastronom eine Kneipe bauen. Der Gastronom liess mich und meinen Fahrer abladen, verweigerte dann aber die vereinbarte Bezahlung und wollte um mehrere tausend DM kürzen. Sodann haben wir den LKW wieder beladen. Als wir heim ins Ruhrgebiet fahren wollten, besann der Gastronom sich eines Besseren. Ich hatte ihm dann aber abverlangt, uns ein Mittagessen meiner Wahl zu sponsern. Ich bin dann wohl auch einer der ganz wenigen Gäste, die jemals vor der Traube in Tonbach mit einem LKW mit Anhänger gehalten haben, im Bundeswehr Panzerkombi. Irgendwo habe ich da auch noch ein Bild.
    Ich und mein Fahrer haben ganz vorzüglich gegessen und am Nachbartisch sassen Sie mit einer Dame, vorne rechts in der Schwarzwaldstube. Und wir jungen Spunde hatten noch nie Rotwein getrunken. Gott sei Dank hat mein Fahrer nur probiert und ich habe die ganze Flasche Latour alleine getrunken, und wegen der Strapaze abladen aufladen abladen auch noch 2 Orangensäfte dazu! Ich war also überhaupt kein Vandale sondern nur durstig!

    Mit freundlichen Grüßen

    Christian S., Berlin

  3. Klaus |

    Rembrandt: …und Licht.

  4. Christian Bartoschek |

    Excusez-moi, Messieurs … aber allmählich verkommt dieser meist doch höchst inspirierende Blog aufgrund technischer Insuffizienz leider zur Farce: Von durchschnittlich 4 Anklick-Versuchen lädt die Seite nur 1 x tatsächlich – ansonsten bleibt sie weiß. Irgendwann verlässt einen die Lust, es weiter zu versuchen … das muss doch auf die Reihe zu kriegen sein??? DANKE im voraus an den erleuchteten Webmaster! 😉

  5. Dieter |

    Da muß ich an das quietschende Siebeck Maskottchen aus Gummi denken.
    Das gab es damals für knapp 18,-DM

  6. Rabe |

    Diese Website ist leider zu 70% der Zeit nicht erreichbar – immer mit Fehler HTTP 500.

    Grüße
    Rabe

  7. Christian B. |

    Bei mir – trotz mehrfachem Hinweis – zu 90 % unerreichbar (und ohnehin schon länger nicht aktualisiert)… scahde, dass dieser Blog wohl dahinsiecht … MERRY CHRISTMAS from Scotland!

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