Nicht weit von Sansibar entfernt, nämlich ebenfalls in Rantum, hat der Feinschmecker die Chance eines gastronomischen Abends der Extraklasse. (Obwohl die wohlhabenden Urlauber hier endlich mal Zeit für ein feudales Mittagessen hätten, sind einschlägige Häuser nur abends geöffnet.) Das trifft auch auf die Küche des Johannes King im Dünenhotel Söl’ring Hof zu. Bei ihm habe ich das beste und modernste Gourmet-Essen seit Jahren erlebt. Sein Restaurant ist nicht besonders groß und schon gar nicht herrscht dort jener Luxus, den man in Sylts Topadressen erwartet. Man kann King und seinen Köchen in der offenen Küche auf die Finger gucken und weiß trotzdem nicht, warum es bei ihm so viel besser schmeckt als bei den Konkurrenten, die ebenfalls 2 Michelinsterne besitzen. King ist kein Bastler, der komplizierten Konstruktionen krude Knalleffekte entlockt; er experimentiert nicht mit den Regeln der Gravitation, nicht mit absurden, ungewohnten Gartemperaturen. Auch überlässt er keinem asiatischen Einfluss die Aufgabe, Exotik zu verbreiten. Aber er aromatisiert seine Gerichte, dass es eine Wonne ist. Und zwar jedes Detail individuell. Dadurch gewinnt seine Küche eine Vielfalt, die weit über die Zahl der Maiskörner und Minzblättchen hinausgeht, welche neben ihrer dekorativen eine zusätzlich aromatische Bedeutung bekommen, was zwar zur Zeit von allen Köchen gewünscht wird, aber nichts daran ändert, dass die üblichen Kräuterbeigaben a la mode völlig beliebig wirken und, statt den Koch als Avantgardisten auszuweisen, nur enthüllen, dass er ein weiteres Mitglied im Klub der Langeweiler ist. Wohingegen Johannes King genau das tut, was man von einem echten Modernisten erwartet, und wozu die wenigsten Willens und in der Lage sind: Er beweist Originalität, ohne dafür auf die höchste Stufe des Wohlgeschmacks zu verzichten. Und sie, die man in Norddeutschland ungestraft mit dem Wort ‚lecker‘ bezeichnen darf, besitzt diese Eigenschaft in so hohem Maße, dass der Inhalt jedes Löffels und jeder Gabel ein kulinarisches Abenteuer ist, von dem man hofft, dass es nie enden möge.
Typisch ist, wie er Sylter Austern paniert und auf einer Unterlage von Sauerkraut serviert. Das hat nicht das Geringste mit der Elsässer Prestige-Version zu tun, und schon gar nichts mit dem amerikanischen Modell, bei dem Jeep und Toyota zusammenstoßen. Die Verfeinerung, die im Rantumer Strandhotel Söl’ring Hof praktiziert wird, zeigt unmissverständlich die Handschrift eines großen Meisters.
Und seines Patissiers, sollte ich gerechterweise hinzufügen. Denn das Wunder dieser außergewöhnlichen Küche setzt sich bei den Desserts bruchlos fort. Auch hier glaubt man zu träumen, weil all die süßen Einzelheiten individuelle Kreationen bleiben. Hier wird der Gast am Ende des Menüs nicht mit Süßigkeiten abgefüllt, sondern erlebt noch einmal Kochkunst in ihrer idealen Form, raffiniert, vielseitig und überraschend.
Eigentlich ist es unnötig, darauf hinzuweisen, dass auch die Weinkarte dem hohen Niveau der Küche entspricht. In meiner weinseligen Nachbarschaft im Süden, kenne ich kein derartiges Angebot. Hier auf dieser Insel, das sei extra betont, sind die Weinkarten auch anderer Häuser mit besonderer Sorgfalt zusammengestellt, hier findet man Flaschen von Winzern, die auf dem Festland kaum existieren, wozu zweifellos auch viel Glück beim Einkauf gehört. Wo sonst existiert die Möglichkeit, die Chardonnays und Pinot Noir des Schweizer Winzers Gantenbein zu entdecken? Oder ganze Strophen von van Volxem,
oder die Sauvignon Blancs aus der Hinterlassenschaft des, Bacchus hab’ ihn selig, Didier Daguenau?
Ich sag es ja, die Nouvelle Cuisine lebt, gerade im Söl’ring Hof.
Ein Highlight für Genießer, am Busen der Natur!
Lieber Herr Siebeck, welch herrliche Zeilen – tausend Dank dafür. Es macht wirklich Spaß & Freude Sie als genusssüchtigen Connaisseur zu erleben. Mögen Sie unendlich lange gesund bleiben, damit Sie uns Ihre(scheinbar) unerschöpfliche kulinarische
„Lektüre“ weiter um die Ohren hauen können.
Herzlichste Grüße, ganz besonders auch an Ihre Frau.
Ihr
JOhannes King