MACHT DEM VERLEGER EINE FREUDE

Frau HoffmannWir leben in einer von Krisen geschüttelten Zeit. Das Wort Krise trifft auf alles zu, was nicht gerührt ist, wusste schon James Bond. Was er aber nicht ahnen konnte, ist die Existenz einer Zeitungskrise. Die ist entstanden, weil einige Zeitungsbesitzer (Verleger) dem bedruckten Papier nicht mehr zutrauten, ihnen weiterhin sorglosen Wohlstand zu verschaffen. Also steckten sie riesige Summen in Projekte, die mit bedrucktem Papier nichts zu tun hatten. Dieses Geld fehlte den Zeitungen, weshalb sie peu à peu Pleite gingen. Daraufhin geschah, was immer geschieht, wenn eine Firma Pleite geht. Die Angestellten werden entlassen.

Das waren überwiegend Journalisten, die sich für diesen Beruf entschieden hatten, weil sie glaubten, er garantiere ihnen ein Beamtendasein, unkündbar wie in Italien und anderen südlichen Ländern.

Diese Illusion war so verbreitet, dass Verlagsangehörige ihre fristlose Kündigung laut bejammerten. Ich möchte dazu nur anmerken, dass ich während meines langen Berufslebens jeden Tag damit rechnete, von Verlegern oder ihren Handlangern, den Chefredakteuren, an die Luft gesetzt zu werden. (Viele haben es versucht, einige haben es geschafft.) Wem das zu riskant ist, der hat einen falschen Beruf gewählt.

Das Resultat der falschen Berufswahl zeigt sich in diesen Tagen im Wahlkampf. In Zeiten einer konservativen Rechtsregierung war der Platz intelligenter Bürger stets in der Opposition, also dort, wo man das Linksliberale vermutet. Doch bis auf wenige Ausnahmen (SZ, Spiegel,) bedienen sich die Herren Kollegen bei den griffigen Argumenten der bürgerlichen Boulevard­­presse. Keiner fragt in einem Leitartikel, wer denn Herrn Assad das Giftgas verkauft hat, mit dem er seine Landsleute umbringt. Gleichzeitig will niemand erken­nen, welches Bündel an Lügen, Verharmlosung und Tücke die Merkel-Koalition uns zumutet, wenn sie die Ausspäh­prak­tiken der Geheimdienste als Spielplatz unserer Part­ner darstellt .

Die Subtilität der Berichterstattung über die anstehende Bundestagswahl wird deutlich bei einem Überblick über die Topoi, an denen kein Kommentator vorbeikommt, ohne sie wie eine Gebetsmühle schnell noch einmal in Betrieb zu setzen: Das sind die ‚Fettnäpfchen‘ des SPD-Kan­didaten. Und als unwiderstehlich erscheint den Kollegen vor allem die realistische Einschätzung Steinbrücks, dass ein Grauburgunder unter 5 Euro nicht trinkbar sei. Niemand von denen, die darüber hämisch gackern, würde einen Wein dieser Kategorie trinken. Mindestens 8 bis 10 € muss jeder Konsument für einen billigen Wein berappen, wenn ihm seine Leber lieb ist. Das weiß auch jeder Journalist. Aber sie stellen sich an, als hätte Steinbrück den Herrn Jesus mit Herrn Mohammed gleichgestellt.

Sie alle haben bei der Berufswahl einen Fehler gemacht. Um für den modernen Journalismus fit zu sein, muss ein Aspirant folgende Bedingungen erfüllen:
Er muss schwul sein, mietfrei bei seinen Eltern in der Großstadt wohnen, ein leidenschaftlicher Radfahrer sein (kein Auto!); ein abgebrochenes Jurastudium ist empfehlenswert, da es ihm eventuell ermöglicht, bei seiner Kündigung eine bescheidenen Abfindung zu erstreiten.

Das gleiche gilt für weibliche Journalistinnen. Kochkenntnisse sind nicht erforderlich, da die erste Regel in dem, was einmal ein Traumberuf war, lautet: Immer nur schön anpassen, das freut den Verleger.

5 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. fritz_ |

    Ich durfte einmal Zeuge sein, als ein junger Mann von 18 Jahren in einer Redaktionsstube hospitierte. Seine Urteilsfähigkeit war noch schwach, er konnte dem Focus als idiotensicher einiges abgewinnen und fand den Spiegel damals schwierig zu lesen für den gemeinen Mann. Befragt nach seinem Studienwunsch, war der junge Mann unschlüssig. „Vielleicht Journalismus.“ Schweigen in der Redaktionsstube. „Oder Medizin.“ – „Medizin!“ schrien, nach einer Gedenksekunde der Verblüffung, alle anwesenden Journalisten im Chor. Als ob das nicht selbstverständlich wäre!

  2. oliver schuster |

    wenn es nach der kulinarischen kompetenz geht : eindeutig Steinbrueck !
    auch wenn es frueher bzw. erst recht nicht heute ein sogenannter journalist schreiben darf- ich habe
    Steinbrueck selbst gesehen wie er sich das dejeuner
    in einem berliner sterne-restaurant abholte.
    In F (westgoten) ein stichhaltiger grund fuer den
    kandidaten,im land der maerkischen suppen- und kartoffelesserin ein grund fuer die oberpfaelzische
    psychatrie

    • Wolfgang Kretschmer |

      Mon Dieu, was haben Sie da wieder einmal alles in einen PresseTopf geschmissen bis zur völligen Unkenntlichkeit der Zutaten verrührt, gewürzt mit allerlei Behauptungen. Selbst Ihnen dürfte nicht entgangen sein,wie etwa im sog Ruhrgebiet Zeitungen eingedampft wurden und werden. Die WAZ ist auseinandergebrochen und der Funke-Teil dealt gigantische Summen mit dem Springerverlag, die auf Kosten von Beschäftigten gehen werden. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie Journalistinnen/Journalisten eine Abart von Beamten-Mentalität unterstellen. Wer sich für einen solchen Job entscheidet, wie mal Sie, viel später ich, weiß doch, dass man sich bei Tageszeitungen mit Meinungsfreude und investigativer Recherche auf einen Feuerstuhl gesetzt hat. Andererseits funktioniert eine Demokratie nicht, wenn nicht Journalisten von Chefredaktionen und Verlagen der Rücken freigehalten wird. Kurzum, es gibt eine Zeitungskrise, weil im Internet-Zeitalter die Rendite nicht mehr so arg opulent ausfällt. Ich finde es erbärmlich, Journalisten eine Art von Beamtenmentalität bei der Berufswahl zu unterstellen. Mit denen werden schließlich im immer häufigerem Fall des Falles auch damit zusammenhängende ganze Abteilungen, freie Mitarbeiter samt Karikaturisten vor die Tür gesetzt. Völlig unsinnig ist Ihre Behauptung, kein Leitartikel beschäftige sich mit der Herkunft von Giftgas für Assad. Die üblichen Verdächtigen sind Russland und Iran. Wirklich geklärt ist in der Syrien-Lage ähnlich wenig wie in Afghanistan oder Somalia. Bei ihrem insgeheimen Lob für SZ und Spiegel haben Sie übersehen, dass die SZ auch schon nahe am Konkursabgrund stand und steht, die FR nun Teil der FAZ ist, dass der Spiegel derzeit die übliche Zerrüttung (Blome) durchlebt. Seltsamerweise ist Ihnen die ZEIT keine Silbe wert. Gemein und diffamierend ist Ihre Ansicht zu „Journalismus-Aspiranten“. In Unkenntnis der aktuellen Ausbildung übersehen Sie, dass die auch perfekte „PC-Techniker“ sein und im Verlagsberitt jahrelang mitsamt Hungerlohn wie Nomaden umherziehen müssen – bei mieser Ernährung ohne Aussicht auf eine dann schlecht bezahlte Festanstellung. Leserinnen und Leser, Radio-Hörer, TV-Gucker wissen klar strukturierte Informationen zu schätzen (s. Grundgesetz, 4. Gewalt). Das ist teuer. Dies ist in der Tat eine Welt außerhalb von Kochtöpfen, die Sie offensichtlich nicht mehr begreifen werden. Weil ich Sie schätze, habe ich als ehemaliger Redakteur diesmal noch auf Ihre gedanklichen Ausritte und Ausfälle reagiert.

  3. Schorsch |

    Och, die trinkende Frau kommt manchmal ganz gut. Der Rest? WG-Küche.

  4. Cassandra |

    Bei allem Respekt, Herr Siebeck, wie sieht es denn in „Ihren“ Verlagen aus? Die „Zeit“ steigert ja ihre Auflage. Leider sind Ihre Beiträge dort seltener geworden. Der „Feinschmecker“ aus dem Jahreszeiten Verlag hat hingegen abgebaut und sämtliche Redakteure entlassen. Es blieben Redaktionsleiter und die Chefredaktion. Ich behaupte einfach mal: Das merkt man dem Heft an. Dazu würde mich Ihre ehrliche, ungeschminkte Meinung interessieren.

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