IN ALLEN FAMILIEN

Frau HoffmannWas ist nun – sind wir ein Volk von Paranoikern oder habe ich Halluzinationen? Werden wir jede Woche heimgesucht von einem neuen Skandal, der die Nation nur deshalb nicht bis in die Grundfesten erschüttert, weil wir schon so abgebrüht sind, dass wir unterhalb eines Militärputsches nichts wahrnehmen, was um uns herum geschieht?

Natürlich nicht. Den Rücktritt Herrn Ratzingers vom Posten des Vorstandsvorsitzenden der Katholischen Kirche haben wir sehr wohl wahrgenommen. Und wer der Meinung ist, das sei ja auch so etwas wie ein Vatikan-Putsch gewesen, der muss sich nur ansehen, welches Aufsehen der Rücktritt des Vorstandvorsitzenden der Deutschen Provinzler bewirkt hat. Ich fürchte, die mickerige Hoteleinladung des Christian Wulff durch einen unbeholfenen Filmfritzen wird unsere Presse noch wochenlang beschäftigen. Dass der dumme Niedersachse dafür angeklagt wird, geschieht ihm nur Recht. Wer sich in an die Spitze der Macht drängt und die Spielregeln nicht kennt, darf sich nicht wundern, wenn er plötzlich auf der Straße steht anstatt in den eigenen vier Wänden. Aber wirklich skandalös ist diese Provinzposse nicht. Das sind nicht einmal die 14.000 Lkws voll Pferdefleisch, die von holländischen Betrügern unter unsere Rindsbuletten gemischt wurden. Ein ähnlicher Fall hat sich erst vor zwei Wochen ereignet und sollte deutsche Billigeinkäufer gelehrt haben, dass Betrug hinter jeder Ecke lauert, wo sie ein leckeres Schnäppchen erwarten.

Apropos. Ob Schnäppchenjäger wirklich „etwas Leckeres“ erwarten, wenn sie die Supermärkte nach Billigangeboten durchsuchen, wurde meines Wissens bisher noch nicht ernsthaft erforscht. Ich bin überzeugt, dass es ihnen nur um „billig“ geht. Dass das Zeug, mit dem sie ihren Magen füllen, eventuell auch gut schmecken könnte, können sie nicht erwarten, wenn sie den Preis für 1 Kilo ihres Billigeinkaufs in Betracht ziehen. Nur Massenprodukte, die unter widerlichen Bedingungen produziert wurden, können so billig sein, dass eine große Portion Dummheit dazu gehört, den Herstellern den Mist abzukaufen.

Nun ist Dummheit eine wohlfeile Währung, welche vom Verbraucher geliebt wird wie der Fliegenleim von der Fliege. Also entsetzt er sich, wenn er von erneuten Pferdefleischbeimischungen der letzten Wochen erfährt, anstatt sich zu beglückwünschen, dass er endlich mal ein vernünftiges Fleisch auf den Grill legen kann.

Zwischenbemerkung: An den Ostertagen brachten Besucher aus Belgien sieben portionierte Pferdesteaks auf die Burg, die ich eigenhändig in die Pfanne legte. Sie waren unter den roten Fleischsorten die sauberste, zarteste und bekömmlichste, die ich seit Jahren gegessen habe. Insofern glich das Pferd dem SPD Kandidaten Steinbrück, bei dessen Erwähnung die Wähler „Igitt!“ kreischen, während sie aus Gewohnheit das Fleisch der langweiligen Kuh bevorzugen.

Ende des Einwurfs.

Wenn bei uns jemand ‚Igitt‘ rufen will, dann darf er das, denn hier herrscht Gedankenfreiheit. Um sie gesetzestreu anzuwenden, genügte es dem Münchener Oberlandesgericht, türkischen Journalisten keine Plätze zu reservieren, wenn wegen der Morde an acht Türken verhandelt werden soll. Für welche Art von Gedanken der zuständige Richter diese Freiheit einforderte, weiß man nicht genau. Dummheit, wahrscheinlich. Kann aber auch sein, er klebte am Fliegenleim wie eine musca domestica. Wobei der Leim als Rassenhass bekannt wäre, der seit Jahrhunderten immer wieder unter der deutsch-nationalen Ober­fläche zum Vorschein kommt. Und zwar nicht nur in der Justiz, nicht nur bei Politikern und in der Kirche, sondern in allen Ämtern und in allen Familien.

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  1. fox |

    Herr Siebeck, ihr messerscharfer Verstand. Zum Glück oder Leid haben den die meisten Germanen nicht. Das Rentenalter könnte sonst nochmals schnell erhöht werden.
    Die Produzenten, Hersteller, Erzeuger, Lieferanten können nur das machen, was der „König“ Kunde so gern kauft, billig und billiger. Wir könnten uns an den feinsten Delikatessen laben, wenn Ekel nicht gekauft würde. Hersteller sind flexible Kaufleute die anbieten was gekauft wird.
    Zu diesem Steinbr…dings..bums ! Als der „Antifaschistische Schutzwall“ zusammen gekracht, das Rad der Geschichte „zurückgedreht hatte“, war ich im sog. Berliner Speckgürtel. Im Restaurant beim Essen, möchten sie eine Hühnerfarm sehen, 25.000 Tiere. Mich interessierte die tägliche Entsorgung der Unmengen Abfall. Eine delikate Frage bei einem Essen. Daneben ist eine Schweinefarm. Natürlich kriegen die Schweine die Hühnerscheiße, was ist dabei. Pferd und Steinbrück in einem Satz gleicht Tierquälerei – Schwein und Stein… paßt besser.

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