GUTER RAT ODER NICHT

Frau HoffmannWer sich vor Beginn einer Reise über die gastronomischen Möglichkeiten informieren will, welche die geplante Reise ihm bietet, wird vernünftigerweise in einem der drei wichtigen Restaurantführer (Guide Michelin, GaultMillau, Der Feinschmecker) nachsehen, wo er ein ihm gemäßes Menü bestellen kann. Das mag luxuriös sein, kreativ bis zur Extravaganz, regional und traditionell, preiswert und bürgerlich – die Szene ist inzwischen so gut aufgelistet und bewertet, dass er die Empfehlung der guten Freunde getrost in den Wind schlagen kann. Deren Urteil ist in den meisten Fällen nicht durch Erfahrungen oder gar Sachverstand geprägt, sondern von Vorlieben bestimmt, die sehr irrationale Motive haben. Da muss nur Robert Walser zweimal eingekehrt sein, um den Literaturfreund von der Vorzüglichkeit der Küche zu überzeugen. Oder eine Reihe von polierten Pokalen auf dem Regal schraubt die Erwartungen des Leistungssportlers in ungerechtfertigte Höhen. Andererseits hat eine mit stattlichen Hirschgeweihen dekorierte Gaststube schon manchem Tierfreund den Appetit verdorben.

Nicht immer sind die offiziellen Guides in der Lage, die unterschiedlichen Vorlieben der Gäste auszubalancieren. Schon darüber können Feinschmecker heftig streiten, wenn sie mit der Bundesbahn einem kulinarischen Ziel entgegenfahren. Der eine sieht der Möglichkeit, am Ziel mit italienischen Opernarien empfangen zu werden, mit Grauen entgegen; der andere ahnt beim Anblick antiker Wagenräder an der Hauswand, dass ihm die seelische Kraft fehlen wird, die bodenständige Folklore im Inneren zu überstehen.

Der Mensch ist nun mal seinen Idiosynkrasien ausgeliefert bis zu jenem Grad der Adoration, den man hysterisch nennt. Diesem Zustand nähert er sich häufig in Bayreuth, im Vatikan und gelegentlich beim Anblick des ersten Spargels auf seinem Teller. Meschugge!

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  1. MonsieurCB |

    A propos Spargel & Meschugge: Die Jüngerschaft harrt einer erhellenden Stellungnahme des Meisters zum hochakuten Thema Spargel-Wahnsinn (Mania Asparagi): Erst muss es in der Holzklasse eingeflogener peruanischer Spargel sein, dann Syngenta-gepäppelter südfranzösischer und jetzt folien-turbo-getunter einheimischer … statt schlicht und einfach darauf zu warten, bis unser hiesiger Spargel – so gegen Ende Mai – seinen kulinarischen % papillaren Höhepunkt erreicht.

    Aber mit Erdbeeren und sämtlichen anderen Gelüsten ist es das Gleiche: Alles muss so frühzeitig wie möglich verfügbar sein … irgendwann schließt sich der Erd-Kreis (Südafrika! Australien!) und dann ist „frischer“ Spargel all year long (zu Mondpreisen) käuflich. Spätestens dann sollte man sich die (Rum)Kugel geben …

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