BUNT BEMALT UND EISGEKÜHLT

Frau HoffmannOstern ist vorbei. Die Feiertage gingen vorüber wie ein Hochgeschwindigkeitszug (ICE), das heißt, alle paar Stunden verzögerten sich die Ereignisse, Reparaturen waren notwendig, weil sich irgendjemand lustvoll überfahren ließ, weil Ver­wandte sich stritten oder sich versöhnten, weil Fleischfresser auf Vegetarier trafen. Wer auf dem Weg zu den Eltern, Schwiegereltern oder Adoptiveltern einen Umweg machte und in einem Fabrik-Outlet für 100 Euro die Familie mit China-Schrott neu einkleidete, musste sich anhören, dass nur 200 Kilometer weiter ein anderes Outlet existierte, wo man noch schrottiger und noch billiger einkaufen kann.

Solche Erkenntnisse heben die festliche Stimmung bekanntlich nicht, egal, ob das Fest einem Religionsstifter gewidmet ist oder der Verhinderung von Atomkraftwerken. Ganz unverträglich ist die dringende Suche der Jugendlichen nach Passwörtern, Apps und sonstigem Zubehör für die Wisch-wasch-und-Klick-Maschinen, die heute das Interesse der Minderjährigen beanspruchen wie früher die Ostereier.

Um diesen Feierlichkeiten möglichst zu entgehen – oder mich von ihrer Unruhe zu erholen – bin ich mit Barbara zu lieben Nachbarn gefahren, deutsch-französischen Feinschmeckern (Fahrzeit eine knappe Stunde), wo Lebensqualität nicht in erster Linie als digital verstanden wird.

Dort versammelten sich im Verlauf des Mittags reitende Boten aus allen Himmelrichtungen, welche Austern heranschlepp­ten, Krevetten unterm Sattel weich ritten und genügend Tauben fingen, um die Spatzen in der Hand ignorieren zu können. Die Tagestemperaturen ermöglichten es, den Wein auf dem Balkon zu kühlen, so dass die restlichen Minusgrade für eine große Eisschale reserviert werden konnten, in der die Sorbets zum Nachtisch lagerten wie seinerzeit in Sapporo.

Wer es für unwahrscheinlich hält, dass all das geschah, ohne dass sich maulende Kinder mit ihrem digitalen Spielzeug dazwischen drängten, sei daran erinnert, dass die anwesenden Kinder französische Eltern hatten, das heißt, sie saßen still und manierlich vier Stunden am Tisch und aßen alles, was ihnen vorgesetzt wurde, ohne zu zappeln, zu twittern und zu simsen. Ihre Verdummungsapparate hatten sie erst gar nicht mitgebracht.

2 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. donata apelt-ihing |

    LIebste Ostersamstagmittagsgäste : welch‘ freudige Überraschung von Euch/uns so charmant zu lesen. Immer wieder ist es wunderbar, wenn sich Sich -Zugeneigte zu einem guten Essen mit guten Getränken mischen und treffen – ich freue mich auf die Autobahn, bis dahin alles Liebe und seid herzlichst gegrüßt
    Eure Donata u. Ottmar

  2. Juliane |

    Wie wahr!
    Zu all den smartphonebesitzenden Minderjährigen gehören Erwachsene, die ihnen den Reiberdatschi-Schrott auch kaufen!
    Vive la France – scheinbar ist das allgemeine kulturelle Klima dort nach wie vor ein deutlich anderes als bei uns Geiz-ist-Geil-Deutschen. Würde doch der Geiz endlich mal dazu führen, zeit- und geistfressenden Blödkram einfach NICHT zu kaufen. Das gesparte Geld kann man im übrigen trefflich in anständige Lebensmittel, die diesen Namen auch verdient haben, investieren. Ganz zu schweigen, von der Zeit, die dann zur Zubereitung von richtigem Essen bleibt.
    Prost Mahlzeit 🙂

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