BITTE NICHT STÖREN

Frau HoffmannZu den neuesten Errungenschaften unserer freiheitlich recht­lichen Demokratie gehört eine Verordnung, die es den Müttern verbietet, Kuchen zu backen und davon ihren Kindern etwas für die Schule mitzugeben. Es könnten ja – so lautet die amtliche Erklärung für diesen Unsinn – Salmonellen in den Eiern gewesen sein (oder Dioxin, oder was sonst bösartige Hühner in unser Frühstück schmuggeln, um sich für ihre Massenquartiere zu rächen).

Die Folge dieser kinderfeindlichen Maßnahme sind so grotesk, dass ihre Schilderung einer Kabarettnummer ähnelt:

„Elvira, schluck den Kuchen runter, bevor du gehst. Und bürste deine Jacke ab! Wenn die Lehrerin entdeckt, dass du noch Kuchenreste an dir hast, wird sie dich der Gesundheitspolizei melden, und sie sperren dich für Jahre ein.“
„Wie den Heiner?“

„Genau. Dem seine Mutter selbstgebackene Krapfen mit in die Kita gegeben hat.“

„Und nun ohne Familienzuschuss leben muss, nicht wahr?“

„Ein unverantwortliche Mutter. Solche Frauen dürften keine Kinder kriegen.“
„Und keine Krapfen selber backen!“
„So ist es, Süße. Schließlich stellt die Industrie alles her, was Kinder brauchen.“

Was sie nicht herstellt, ist die Wut gegenüber schwachsinnigen Verordnungen. Die Öffentlichkeit ist bereits von so viel Schwachsinn durchseucht, dass sie offenbar keinen Mut auf­bringt, gegen den amtlichen Mist zu protestieren. Das betrifft nicht nur die Eier im selbstgebackenen Kuchen, sondern jeden Aspekt deutscher Politik. Auf regionaler wie auf Bundesebene werden ständig falsche Entscheidungen getroffen und neue ausgeheckt, welche alle nur das Ziel haben, die bürgerlichen Freiheiten zu beschränken, Selbstbestimmung zu verhindern sowie den Banken und der Industrie hor­­rende Gewinne zu sichern. Egal ob es sich dabei um selbst­gebackene Krapfen in der Kita handelt oder um Selbst­­morde in Afghanistan, um Strompreisabsprachen oder Nach­sicht gegen­über grölenden Nazis durch unsere Justiz.

Die Regierung in Berlin erweist sich als Erfüllungsorgan des Populismus, dem alle Parteien gleichermaßen hörig sind und der als Bundesgenossen die Medien hat.

Das Fernsehen und die meinungsbildenden Zeitungen – wo hört und sieht man sie Meinungen bilden? Sie sind verstummt, weil ihnen Quote und Anzeigenaufkommen wichtiger sind als Gedankenfreiheit. Also wagen sie nicht auch nur einen einzigen Leser zu vergraulen. Sie haben sich angepasst. Wo sind die wortgewaltigen Chefredakteure, die flammende Leitartikel verfassen, wo die Kommentatoren, die sich um Kopf und Kragen schreiben, weil sie ihre eigene Meinung nicht dem Boulevard opfern wollen?

Wie eine Dunstglocke hängt über unserem Land das Spießbürgermotto „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“. Und da niemand beunruhigt werden will, weder durch Salmonellen im Krapfen noch durch Kabinettentscheidungen in Berlin, herrscht Ruhe im Land. Dass es nur eine scheinbare Ruhe ist, und wir uns bereits in einer vorrevolutionären Epoche befinden – wer will das schon wissen.

7 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Alex |

    Auch wenn ich mich mit dieser Frage vielleicht lächerlich mache: diese Verordnung gibt es nicht tatsächlich ? Das ist nur Ironie, oder ? … oder ?!
    Denn wenn es die tatsächlich gäbe, wird es nicht mehr lange dauern, bis sie von unserem betrieblichen Qualitäts- und Gesundheitsmanagement aufgegriffen und umgesetzt wird.
    Obwohl das für mich ja eigentlich eine Erleichterung wäre… Süßigkeiten sind schneller gekauft als zwei bis drei Kuchen gebacken… 😉

  2. Hildegard Reinsch |

    Das kann ja wohl nicht wahr sein – so einen Schwachsinn habe ich ja schon lange nicht mehr gelesen- da müßte man unbedingt eine Petition ins Leben rufen ‚ Rettet Muttis Kuchen‘

  3. Nikolas Haugeneder |

    Ich hoffe die Revolution ist bald da und spült die Idioten alle weg. Wir leben mittlerweile in einer moderen Sklaverei. Die Sklaverei des Geldes, die den einzigen Zweck hat uns zu kontrolieren und im Arbeitsprozess zu halten, damit einige Wenige die Macht behalten. Leider ist die Macht nicht mehr bei den von uns gewählten Vertretern, sondern dort wo das Geld ist. Bei den Konzernen. Wo kämen wir da hin wenn unsere Mütter die Kuchen selber machen? Hoffentlich zur Revolution!

  4. Jeeves |

    Wie hieß das bei diesen …Isten = #aufschrei (?)
    Und wo sind sie nun?

  5. oliver schuster |

    sehr zu empfehlen Julie Zeh :“Corpus delicti“;
    etwas altmodischer, Mary Shelley ruft zu den waffen auf :“frauen zu den waffen-greift backformen und ernaehrt eure kinder mit selbst
    gebackenen plaetzchen,kuchen und desserts;“
    oder mit brillat-saverin’s schwester vermeintlich kurz vor ihrem tod:
    „vite , vite le dessert“(wurde uebrigens ~90 jahre alt).

  6. Schorsch |

    Selbstverzwangsjackung.

  7. Martin Emmerich |

    Gestern in der WELT: http://www.welt.de/vermischtes/article114754576/Butterkekse-in-der-Brotdose-Kita-kuendigt-Thore-4.html

    „Gegen die Gebräuche einer Kita in Schleswig-Holstein hatte ein Vierjähriger Butterkekse und Frischei-Waffeln in der Brotdose. Das bedeutete für ihn den Rauswurf. Nun muss ein neuer Kita-Platz her. …“

    Wo haben Sie denn die Frischei-Verordnung her, Herr Siebeck? Ich habe dazu nichts finden können, nur o.g. Artikel.

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