CAVE PLASTIK

Frau HoffmannNach jahrelangem Leiden ist unser bedrohliches Schreckgespenst, die Gefährdung durch gepanschte Öle, überaltertes Frischfleisch und genmanipuliertes Gemüse, kurzum die gesamten Verbrechen der Nahrungsmittelmafia, die Landschaftszerstörung durch gierige Großagrariern und das Massensterben der Fische und Vögel, zu unserem Leidwesen elendiglich auf den zweiten Platz der nach unten offenen Horrorskala gerutscht.

Den ersten Platz hat seit vorgestern die Plastikpest eingenommen, als uns Arte die Augen für den finalen Tag geöffnet hat. Denn es lässt sich nicht leugnen: Wir essen Plastik, trinken Plastik und atmen Plastik, weil uns schon heute unglaubliche Mengen Plastikmüll ersticken. Uns und alle, die mit uns die Erde bewohnen. Also nicht nur große Orkas und kleine Mickymäuse, nicht nur den Pabst und Peer Steinbrück, sogar Frau Merkel wird sich nicht retten können, und nicht einmal die skrupellosen Hersteller der Milliarden Plastikflaschen werden verschont werden. Dazu muss man nicht die kilometergroßen Strudel aus Plastik besichtigen, die überall in den Meeren treiben. Es wird die gierigen Chinesen ebenso treffen, wie die trigger happy citizen der USA, die Armen in den Slums und die Reichen am Starnberger See.

Niemand wird in der Lage sein, sich gegen die Durchdrin- gung unserer Organismen mit mikroskopisch kleinen Plastikteilchen zu wehren. Aus Plastik ist mittlerweile alles, was existiert, mag es auch so harmlos aussehen wie ein Neun-Elfer oder so gefährlich wie die Deutsche Bank.
Als es auf die Welt kam – als die Chemie begann, damit Geld zu verdienen – haben wir seine Gefährlichkeit wahrscheinlich nicht erkannt. Obwohl die üblichen Bedenkenträger gewarnt haben mögen. Aber wer hat Warnungen jemals ernst genom­men? Die Warnungen vor der Finanzkrise? Vor der Wiedervereinigung? Vor Asse? Vor allem und jedem wurde gewarnt. Das begann schon in meiner Kindheit.

Cave Canem stand an mancher Haustür. Das war eher eine Warnung vor der Bildung des Hausbewohners als vor dem Hund. (Damals gab es Leute, die mussten mit ihrer Bildung protzen, sonst hätte man sie für blöde Nazis gehalten wie alle anderen). Es gab eine Warnung vor Kinderschändern und vor Zigeunern. Die stahlen die Wäsche von der Leine, fürchteten die Haus­frauen. Inzwischen haben sie alle Waschmaschinen mit eingebautem Trockenschleuder, was den Diebstahl der Wäsche erheblich erschwert, aber nicht verhindern kann, dass in unsere Tischwäsche längst Plastikstaub eingedrungen ist.

Ist das Leben also hoffnungslos? Ja, definitly. Bis zur Entdeckung, dass die nächste Heimsuchung noch verhängnisvoller, noch vernichtender sein wird. Sie wird rechtzeitig in Ihrer Fernsehzeitung angekündigt werden.

4 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Jeeves |

    Ist der „Pabst“ gewollt (nur ich versteh den Sinn nicht)? Oder ist’s doch nur’n schlichter & entschuldbarer Vertipper?

    DAS neh’m ich in meinen privaten Zitatenschatz auf: „(Damals gab es Leute, die mussten mit ihrer Bildung protzen, sonst hätte man sie für blöde Nazis gehalten wie alle anderen).“ Daanke dafür.

  2. wolfgang Kretschmer |

    Sie sitzen wahrscheinlich sicher, teils entspannt, teils angespannt in Ihrem Schreibsessel und tackern Ihre WeltKritik in die Tastatur. Alles aus Plastik. Das womöglich lederne Sitzmöbel vor Ihrem Bildschirm ist aus einem Stoff höchst zweifelhafter Herkunft. Meines jedenfalls. Zur globalen PlastikKatastrophe gesellt sich längst bereits die des geschredderten und in afrikanische Länder exportierten und dort von kranken Kindern für ein paar Cent behämmerten und dann verbrannten Elektronikschrotts. In der Kommentierung eines Ihrer Texte im Juni vergangenen Jahres ist mir entgangen, dass Sie als passionierter Fahrzeuglenker neben der Geißelung sämtlicher Umweltverbrecher etwa der Lebensmittelindustrie und rücksichtsloser Erdausbeuter vergessen haben, auch die Auto-Hersteller an den Pranger zu stellen. Als 62jähriger gebürtiger Niederrheiner bin ich noch nicht soweit gereift, das Leben und das von Galle und Leber wie Sie als definitiv hoffnungslos zu empfinden. Ihre Stimmungslage erinnert mich an die Zeit, als ich mit 17 Camus und Sartre entdeckte. Heidegger. Bloch. Marcuse. Wir wurden politisch aktiv. Gibt es womöglich auch eine Art von als existenzialistisch empfundener resignierter Spätpubertät? Die sich in Rundumschlägen selbst erschöpft? Nach Art spätantiker Dekadenz im Rückblick auf ein letztendlich genussreich vergeigtes Leben in einer vermeintlich untergehenden Welt? Warum nutzen Sie als Prominenz nicht konsequent mit anderen älteren angesehenen Menschen Ihre Verbindungen, um Parlamente zu Diskussionen über die von Ihnen richtig benannten Katastrophenthemen zu zwingen? Auf dass es unter Politikern, Bankern, Lebensmittelindustrie, Naturvernichtern etc alsbald heißt: cave Siebeckem!

  3. Heinz Magnus |

    In der Tat, der Satz mit dem „Pabst“ ist durch falsche Verwendung der Fälle grammatikalisch entgleist. Zudem ist die Trockenschleuder so weiblich wie die Waschmaschine. Bei guten Köchen geht nichts ‚raus ehe der Chef das geprüft hat. Es wäre schön, wenn ein Autor seine Texte vor der Veröffentlichung noch einmal durchlesen würde. Stimmt die Form nicht, schenkt man dem Inhalt auch nicht viel Vertrauen.

  4. Juliane |

    Leute, ES GIBT KEINE HOFFNUNG!
    Um das zu realisieren, muß man weder 17 noch 87 sein – pardon Herr Siebeck, ich weiß, daß Sie deutlich jugendlicher sind 😉 — es genügt, sich den Lauf der Welt offenen Auges anzusehen und sämtlicher Verblendung durch vermeintliche „Fortschritte“ zu widerstehen.
    Lieber Herr Siebeck, schreiben Sie weiter so herrlich bissig und lassen Sie andere die Korinthen kacken.

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