50 JAHRE DUSEL (2)

Frau HoffmannAls der Elysee-Vertrag dann unterzeichnet wurde, war ich bereits jahrlang in seinem Sinne unterwegs. Ich hatte Frankreichs sechs Ecken gründlich erkundigt, kannte Paris wie meine Westentasche und wusste, was es bedeutete, wenn auf einer Speisekarte Begriffe auftauchten wie ‚Lamproie à la bordelaise‘, oder ‚Baeckeoffa de foie gras d’oie entier‘, ‚à la plancha‘, ‚parmentier de queu de boeuf‘, ‚Pressé de jarret de veau au langoustines‘, ‚Duo de foie gras aux figues vigneronnes…“

Ja, das reicht jetzt.

Nein, keineswegs! Denn da gibt es noch das ‚Aligot‘ aus dem Südwesten, die ‚Andouillet à la moutarde‘, die ‚Bohémienne de morue aux parfums de garrigue‘, die ‚Hure de porc en gelee‘, ‚Salat folle‘, ‚Ravioles de Royans‘, ‚Tablier de sapeur‘, ‚Clafoutis de mules au coulis de tomates‘, ‚Homard a….'“

Ich kann wirklich nichts dafür, aber diese Namen üben auf mich auch heute noch jenen Sog aus, der mich mein halbes Leben lang ins Auto springen ließ, um Richtung französischer Grenze durchzustarten. Eine auf Französisch geschriebene Speisekarte wirkt auf mich so magisch wie die Gebetsformeln der Buddhisten auf tibetanische Wandermönche. Jahrelang zählte der Michelin – und die fabelhaften Detailkarten von Michelin – zu meiner Lieblingslektüre. Jede Mark, die ich verdiente, investierte ich in der Französischen Gastronomie. Als um das Jahr 2000 herum die Europäische Dauerkrise begann und die Printer in Scharen zu den Online Freaks (Nerds) überliefen, ermattete das Interesse der Öffentlichkeit an verfeinertem Essen deutlich. Für mich änderte das nichts an der d.-f. Freundschaft, Aber in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses rückten Dorfgasthäuser, Bistros und Aubergen. An die Stelle der Grammpreise für schwarze Trüffel trat der Kilopreis für Sieglinde.

Ich will nicht behaupten, dass ich am Hungertuch nagte, aber so ein Tuch hätte in einem Pariser Bistro wenigstens gut geschmeckt; in einem Drei-Stern-Restaurant wäre es eine Delikatesse gewesen.

Nein, meine zeitweilige Verarmung lag zum Teil auch an den hohen Un­kos­­ten, die ich mir durch das Haus in der Provence aufgehalst hatte. Ohne eine solche Sommerresidenz – das wissen inzwischen tausend Deutsche und mehr – kann von einer deutsch-französischen Freundschaft nicht die Rede sein. Man muss das durchgemacht haben, die Suche mit einer schicken Immobilientante nach der Mas de Provence genannten Ruine, die Verhandlungen und das Kaufzeremoniell beim Notar, die erst danach folgende gründliche Untersuchung des neuen Besitzes. Das Planen des Gartens, die Suche nach Handwerkern, welche von nun an für eine lange Zeit zur Familie gehören. In dieser Phase des Neubesitzes sind französische Sprachkenntnisse noch nicht zwingend erforderlich. Man ist Auftraggeber, man zahlt, man ist gern gesehen – deshalb versteht man sich gut.

Das ist die Epoche, deretwegen De Gaulle und Adenauer den Vertrag unterzeichnet haben, Kohl und Mitterand Händchen hielten, Merkel Sarcozy abknutschte und Holland gestern in Berlin mit preußischem Charme bewirtet wurde: die Deutsch-­­Französi­sche Freundschaft. Sie in der Zeit ihrer schönsten Blüte erlebt zu haben, war mein Glück – zu dem auch die Widerstandsfähigkeit meiner Leber beigetragen hat.

Etwas Ärger gab es immer dann, wenn ich als Neusiedler mit der französischen Bürokratie zu tun hatte. Jetzt verstand ich meinen verstorbenen Freund Jan Lenica, der von Warschau nach Frankreich emigriert war und gelegentlich stöhnte: „In Polen war die Bürokratie reinster Kafka; schlimmer könnte es nicht kommen, dachte ich. Bis ich nach Frankreich emigrierte: Die hiesige Situation ist Kafka plus Dante plus Hironimus Bosch!“

Das wird niemand leugnen wollen, der es mit Angestellten und Beamten zu tun bekommt, die, wie landesweit üblich, kein Wort irgendeiner Fremdsprache beherrschen.

Zur allseitigen Beruhigung lässt sich dazu sagen, dass solche Fossilien nur zwischen der Atlantikküste und dem Rhein existieren.

Aber wo es zu Unklarheiten mit der Bank kommt, Unklarheiten mit dem Finanzbehörde oder mit der Telecom, der muss sich auf einen Albtraum vorbereiten. Weil Unklarheiten für Franzosen nicht existieren. Das Problem hat Descartes für sie gelöst, der Begründer des modernen Rationalismus‘. Ihm sind letzten Endes die großartigen Autobahnen zu verdanken, sowie die Überzeugung unserer feinschmeckenden Freun­de, dass klares, gradliniges Denken stets zu richtigen Resultaten führt. Meistens war es so.

Und darauf dass es so bleibt, erhebe ich gerne mein Glas Winzersekt, um den Nachbarn jenseits des Rheins zuzuprosten. Über die fällige Feier werde ich berichten, sobald der Schnee taut.

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  1. Jeeves |

    Oh, Spanien ist genau so schlimm. Oder war es: Wir hatten vor einigen Jahren eine Konzerttournee durch fünf spanische Großstädte. Die Hallen: Modern und super, manche hatten sogar Hostessen mit eigenem „counter“ neben dem Bühneneingang, die den Musikern (oder Kongressteilnehmern, oder Artisten, oder sonstwem aus der ganzen Welt, der da zu tun hatte) beiseite stehen und Auskunft geben sollten.
    Nur: keine dieser (in Madrid: fünf nebeneinander sitzenden) freundlichen Damen sprach eine zweite Sprache außer ihr Spanisch. Am Tag vor uns gastierte dort ein amerikanisches Sinfonieorchester, am Tag nach uns ein russisches Ballett. Sollte da ein Ami oder Russe fragen wollen „Wo bitte ist die Toilette“ oder „Kann man hier irgendwo telefonieren“ … war er aufgeschmissen, wenn er nicht Spanisch sprach.
    .
    Hat nicht unbedingt mit „Bürokratie“ zu tun, eher mit einem gewissen Stolz (den schon Asterix bemerkte)dieses Volkes, …um nicht zu sagen: Hochnäsigkeit. Ich denke da an unseren spanische Tourmanager: Kein Wort Englisch (oder Deutsch) auf der Pfanne, immer zu spät, auch sonst ahnungslos, …aber ’ne schicke Sonnenbrille auf der Namse, besonders abends…

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