TIM RAUE

Frau HoffmannVor einigen Jahren saß ich mit einer Handvoll deutscher Spitzenköche am Tisch und hörte ihren Erzählungen zu, die sich um eine gerade zu Ende gegangene Erkundungsreise drehten, bei der sie die Restaurants ihrer berühmten Kollegen besucht hatten. Einer von ihnen fiel mir durch die Eindeutigkeit seiner Urteile auf, durch die Sicherheit, mit der er die besuchten Adressen analysierte. Es war Tim Raue, dem ich bisher noch nicht begegnet war. Zwar hatte ich schon in seinen Berliner Restaurants gegessen; aber so ein Restaurantbesuch muss ja nicht unbedingt gleich in einen Wiedervereinigungsjubel ausarten.

Damals imponierte mir der junge Mann mit seiner riskanten Entschiedenheit sehr.

Inzwischen hat er zwei Michelin Sterne und ist dabei, seinen Berliner Kollegen den Rang abzulaufen. Das Risiko – so scheint es – gehört nach wie vor zu seinen exercices de style. Daran wurde ich erinnert, als er auf dem Höhepunkt der Weihnachtsstimmung in einem Interview dem Lieblingsbraten der Deutschen eine coole Absage erteilte. Die Weihnachtsgans – urteilte er sinngemäß – sei eine Fehlkonstruktion, weil sie immer nur trocken würde. Wie viel besser seien doch ein halbes Dutzend geschmorte Entenkeulen. Eine Erkenntnis, die auch ich seit Jahrzehnten vertrete.

Dann erschien gleichzeitig das neue Kochbuch von Tim Raue „My favorite things“ in der Collection Rolf Heyne. Es ist bewundernswert und ergänzt sein voriges („Aromen Evolutionen“, Christian Verlag) erhellend, indem beide Bücher klar machen, dass hier ein sehr eigenständiger Küchenchef am Werk ist, das er selber als „regellos“ beschreibt. Das heißt, dass er trotz seiner deutlichen Vorliebe für die Chinesische Küche eine eigene Auffassung von modernem, artifiziellem Essen hat. („Kein Brot, keine Butter, kein Wok-Durcheinan-der in der Gemüsepfanne“) Dazu gehört eine deutlich unorthodoxe Betonung der Gewürze, die ich von meinem Besuch im „ma“ noch in guter Erinnerung habe.

Bei anderer Gelegenheit habe ich unlängst die fotografische Vergrößerung von Lebensmittel als unappetitlich bezeichnet. Ich muss jetzt korrigieren: Auf die Abbildungen in Raues Büchern trifft das nicht zu. Wie seine raffinierten Speisen auf den Buchseiten wirken, das ist hohe Verführungskunst. Natürlich nicht zum Nachkochen geeignet, aber dafür ein starker Grund, mal wieder nach Berlin zu fahren, in die Rudi-Dutschke-Str. 26, wo sonntags und montags geschlossen ist.

5 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. tim raue |

    juhuu,
    endlich ist google alerts mal zu was gut ! schön von ihnen zu lesen…
    wir bitten um einen besuch ,wenn sie das nächste mal in der stadt sind,
    die besten grüsse an ihre Gattin, einen guten rutsch und liebe, glück & gesundheit
    tim & marie raue
    ps. sie erreichen mich unter tr@tim-raue.com

  2. Jeeves |

    A propos andere Köche: Was halten Sie vom Vincent Klink? Als Koch, Schreiber, Musiker, Philosoph, Mensch? Schon mal ab und zu in sein Blog (oder besser: Tagebuch) geschaut und ein bissl dort gelesen: Wielandshoehe.de ?

  3. Fritz_ |

    Spricht irgendetwas dagegen, die Gans erst zu zerlegen, dann zu braten und langsam in reichlich Fond fertig zu garen? Etwas Zarteres findst du nicht.
    Das ist mit Ente ganz und gar nicht zu vergleichen, die geröstet beziehungsweise gegrillt am meisten hermacht.

  4. Thomas Gohlke |

    Lieber Herr Siebeck,
    was für ein Zufall, habe doch meiner Liebsten einen Besuch bei Tim Raue unter den, dieses Jahr nicht vorhandenen Baum, gelegt.
    Hoffentlich verlängert sich die Vorreservierungszeit durch Ihren Blog nicht, aktuell ist das wochentags ja noch erträglich laut Telefonat von vorletzter Woche.
    Vielleicht treffen wir Sie ja mal demnächst dort.
    Herzliche Grüße aus dem kulinarisch nachholbedürftigen Oberfranken, es wird aber langsam besser 🙂

  5. Hermann Berger |

    Kleiner Tip zur Weihnachtsgans.

    Wenn Du das Tier bei möglichst niedriger Temperatur unter ständigem begießen mit Bier fertig garst und gleich nach dem tranchieren und portionieren wieder in ihr eigenes Fett legst (bzw. das Bier und das was beim Garen austritt passieren und mit einem Mixer aufmontieren). In diesem Bratensatz die Teile über Nacht liegen lassen und am nächsten Tag herausnehmen, auf einem Blech im Ofen erhitzen und anschließend bei Oberhitze, goldgelb und kross werden lassen.
    Du wirst erstaunt sein wie saftig und gleichzeitig kross eine Gans werden kann.

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