WOCHENÜBERBLICK

Aus Hamburg kam Wolfgang Lechner von der ZEIT
auf die Burg,um mir beim Weihnachtsmenü zu assistieren.
Das macht er fast jedes Jahr, und da er sich zwischen
meinen schweren Töpfen so gut auskenntwie bei den
Garküchen in Anatolien, haben wir immer eine Menge Spaß dabei.
Sein Besuch beginnt damit, dass er ein Set erstklassiger
Kochmesser aus der Verpackung rollt, für die er extra
einen Koffer mitnimmt,weil die Lufthansa ihm den Transport
solcher Terroristen-Waffen sonst nicht erlauben würde, und endet
mit der Leerung aller Weinreste, die das Kochen überstanden haben.
Dazwischen spielen wir Ducasse und verbeißen uns in küchentechnische
Probleme, die für einen Profikoch Lappalien sind. Das war diesmal
die Festigkeit der Eierschneeballen, die im Weihnachtsmenü das
Dessert bilden. Sie verhalten sich beim Dampfgaren wie große Fleischstücke
beim Braten:
Zu lange gegart werden sie hart und trocken. Zu kurz gegart, fallen
sie zusammen und bleiben matschig. Zur richtigen Beurteilung genügen
ein Fingerdruck und die notwendige Routine, Die Routine stellt sich
automatisch ein, wenn man die Ballen bei mehreren Versuchen ruiniert
hat.

 

 

 

 

 

 

Am darauf folgenden Mittag saß ich in Zürich und aß im Savoy Hotel
ein halbes Dutzend Kelly-Austern aus Galway in Irland. Es waren die
besten Austern seit Jahren, mit einem endlosen Nachgeschmack wie
ein alter Mosel, und einem à la carte Preis von 9 sFr das Stück.
Dafür aß ich sie aber auch im nobelsten Restaurant von Zürich am
Paradeplatz, wo die notorischen Großbanken treuherzig die Schweizer
Nationalfahne hissen.

Von hier nach Malans in

der Bündner Herrschaft braucht man (ohne Stau) genau eine Stunde.
Der Ortskern von Malans – ein altes Winzerdorf – ist reines
Biedermeier, bildhübsch. Drumherum hat man im Laufe der Jahre das
Authentische zerstört, was ein Jammer ist. Die letzte Schandtat der
Gemeinde ist eine unterirdische Betonrampe von grotesker
Hässlichkeit, deren Existenz in der Schweiz, wo Volksentscheide über
jeden öffentlichen Blumentopf abgehalten werden, mehr als verwundert.
Nämlich ärgert.

Positiv ist die Wiedereröffnung des Hotels Weißes Kreuz am Dorfplatz.
Sechs Jahre haben die Besitzer gebraucht, um 4 große Gäs­tezimmer
einzurichten, deren Minimalkomfort durch 4 allerliebste
Gaststuben ausgeglichen wird. In den sehr gepflegten Engadiner Stuben
fühlt man sich so wohl, dass man am liebsten vier Tage bleiben
würde, um in jedem Raum essen zu können. Ob die Küche dieser
Herausforderung gewachsen wäre, wage ich zu bezweifeln. Die Karte ist
nicht sehr anspruchsvoll.

Die schlichte Bündner Gerstensuppe ist überall gleich gut wie auch
die traditionelle Bündner Platte, das haben die kochenden Damen der
Region im Griff.

Deshalb aß ich die Ostschweizer Deftigkeit gleich bei Heidi Donatsch,
im „Ochsen“ von Malans. Dorthin lockt mich immer wieder der
Wein der Familie Donatsch. Sie keltern einen der saftigsten
Chardonnays außerhalb Burgunds und sind mit ihrem Pinot Noir zweimal
hintereinander Weltmeister geworden – dank der wundervollen
Teamarbeit von Vater Thomas Donatsch und Sohn Martin. Außerdem
produzieren die beiden den ‚Completer‘. Das ist eine uralte
Weißweinsorte, so selten wie die Blaue Mauritius, deren letzte
Rebstöcke in Malans stehen.

 

 

 

 

 

 

Auf der Heimfahrt, mit den Flumser Bergen im Rückspiegel, begreift
man, warum so viele Ausländer in der Schweiz wohnen wollen. In
meinem Fall könnte ich sagen: Mit den wenigen, sehr guten Flaschen im
Kofferraum, hält sich mein Heimweh in Grenzen.

2 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Jeeves |

    äh,… wie (wovon) bezahlen Sie das alles?
    (oder spricht man nicht darüber? …aber für unsereins IST das ein Problem. Nein, nicht I h r Geld, sondern das uns fehlende)

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