RESTE IN PIEMONT

Mit der markigen Ankündigung

Worte, die die Welt verändern

Zukunft, Landwirtschaft, Nachhaltigkeit, Gesundheit

macht Slow Food auf die Turiner Markttage aufmerksam, die Ende Oktober aufs Neue in Piemonts Hauptstadt stattfinden. Ein Ereignis, das für alle Öko-Freunde und Liebhaber italienischer Produkte bereits vor Jahren ins Leben gerufen wurde.

Ginge es dabei nur um den Kommerz (um den geht es auch), um Genuss und rare Luxusprodukte, wie sie in der Welt der Feinschmecker üblich sind, könnte man die Nachricht kom­mentarlos übergehen.

Aber da sind die gewichtigen Worte, die nach Meinung der Veranstalter „die Welt verändern“. Es sind dies unsere Zukunft, die Landwirtschaft, Nachhaltigkeit und die Gesundheit.

Es ist egal, womit ich anfange. Die Zukunft hängt gewiss nicht vom Schneckentempo ab, in das Günter Grass als erster seine Hoffnungen gesetzt hat, und vom rasenden Fortschritt in den Bereichen der Volksverdummung, der Vergnügungssucht und der Raffgier uneinholbar überrundet wurde.

Auch meinte er das alles eher politisch, hatte den Humanismus im Sinn und nicht das fünfte Modell des iPhones; und auch der Totalausfall der Trüffelernte wird ihn nicht so beunruhigt haben wie die Bauern des Piemonts.

An dieser Stelle glauben einige Leser, das Stichwort ‚Landwirtschaft‘ erreicht zu haben.

Liebe Leute, es tut mir leid, aber die Landwirtschaft ist tot. Das was ihr und alle Feinschmecker, Genussesser und Umweltsensiblen unter Landwirtschaft verstanden habt, diese halb ökologische, halb folkloristische Idylle ist einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Industrie und Politik zum Opfer gefallen. Sie wurde entprivatisiert und einigen Agrarkonzernen anvertraut. Man kann sie zwar noch besichtigen wie die bengalischen Tiger im Zoo. Aber wenn einer hingeht und ihr die Nase kraulen will, schnappt sie zu, und Schluss ist es mit der Idylle.

Man kann es den Tigern nicht einmal übel nehmen. Es ist ihre Natur. Sie roden Regenwälder von der Größe Bayerns, sie ver­wandeln unsere blühenden Landschaften in Monokulturen zum Zwecke der Massentierhaltung, bauen monströse Autobahnen für gigantische Lkws und betonieren die letzten Grünflächen zur Wonne und zum Segen der Großbanken.

Das alles lässt sich leicht unter dem Begriff Nachhaltigkeit subsumieren, damit es klingt wie ein Kommentar aus dem Wirtschaftsteil unserer Tageszeitungen. Oder wie eine Unterzeile aus der Ankündigung für eine italienische Verkaufsmesse in Oberitalien. Wer aber genau hinguckt, wird entdecken, dass es sich um die pathetischen Worte einer Todesanzeige handelt.

3 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Jeeves |

    Um diese Wahrheiten auszusprechen, in Worte zu fassen und zu veröffentlichen, muss man wohl erst so alt werden?
    Ich vermute, ja.
    Druckt das eine namhafte Zeitung? Nein.
    Ändert es etwas? Auch nein.
    Leider. Bei der nächsten Wahl werden doch wieder die alten Täter…
    Und die „Paraten“? Und zuvor die „Grünen“? Ach, schweigen wir lieber.

  2. Charles Milton Ling |

    Danke, Herr Siebeck. In magnis et voluisse sat.

  3. anton bibersberg |

    nachhaltigkeit ist nichts weiter als tradition.
    also ein sog. euphemismus.

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