FRISCH UND KNUSPERIG

Aufmerksamen Magazin-Lesern wird nicht entgangen sein, das wir uns in einer Woche der Mode befinden oder befunden haben. Extrem schlanke Frauen mit extrem starren Mienen gehen, mit aberwitzigen Stoffen behängt, über den Cat walk und tragen Schuhe an den Füßen, wie man sie weder in Gütersloh noch in Güstrow je gesehen hat. Ich behaupte: Viele Einwohner von Gütersloh oder Güstrow wissen gar nicht, was sie da verpassen.

Nicht anders geht es den Qualitätsessern in den genannten Städten. Sie gehen durchs Leben, bzw. durch Gütersloh und Güstrow, und haben keine Ahnung, dass irgendwo in der Welt eine Mode grassiert, an der sie gern teilnähmen. Es ist die Mode, täglich ein frisch gebackenes Stangenbrot zu essen, wie es die Franzosen tun. Um an dieser Mode teilzunehmen haben sich französische Bäcker verabredet, diese Baguette genannten Stangenbrote nicht aus Polen oder Rumänien einfliegen zu lassen, sondern sie selbst zu backen. Zweimal am Tag. Und zweimal am Tag geben sich die Kunden die Klinke in die Hand, um ein (oder zwei oder vier) frischgebackene Baguettes nach Hause zu schleppen, wo das dünne Stangenbrot die in Deutschland übliche Kartoffel ersetzt.

Ich will hier nicht schon wieder den Eindruck erwecken, als äßen sie jenseits des Rheins keine Kartoffeln, oder ließen sich keine Baguettes aus Polen und Rumänien einfliegen. Es gibt sogar Bäckereien, da schmecken die Baguettes, als wären sie aus Neu Guinea eingeflogen. Das ist in französischen Großstädten öfter der Fall als auf dem Land.

Aber wenigstens gibt es sie noch! Auch bei uns waren sie einmal Mode; das muss an die dreißig Jahre her sein. Seitdem gibt es nur in unseren berüchtigten Modestädten einige Frauen (extrem schlanke), denen ein extrem dünnes Stan­genbrot aus der extrem teuren Einkaufstasche ragt. Die rest­lichen Einwohner wissen gar nicht, was sie da verpassen. Die Baguette ist bei uns nicht mehr in Mode.

Liegt es daran, dass unsere alten Bäcker die Kunst des Baguettebackens nicht an ihre Nachfolger weitergegeben haben? Oder daran, dass sie gar keine Nachfolger haben?

Da ich hier bei einer schwer zu beantwortenden Frage angelangt bin, will ich für unsere Rätselfreunde noch die andere wichtige Frage hinzufügen:
Warum schreibt die FAZ den Namen Lukaschenko stets mit einem „a“ am Ende?

8 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Daniel |

    Weil das die weissrussische Version des Namens ist – ob man in Weissrussland Russisch oder Weissrussisch spricht ist auch eine politische Frage.

  2. Satanius der Biervampyr |

    Lieber Herr Siebeck,

    das Transkribieren eines anderen Alphabets – in diesem Fall das kyrillische – kann je nach Zielsprache unterschiedlich ausfallen – „unser“ Jelzin hieß so in der anglophonen Welt Yeltsin und auf französisch gar „Eltsine“. Und wenn wir nicht importieren, sondern die Exporteure das für uns erledigen, kann das Ergebnis schon einmal ein anderes sein. Der gar nicht so gute Herr Lukaschenko wird in Weißrussland selbst nämlich mit „a“ ausgesprochen. Wie der letzte Buchstabe seines Namens hingegen heißt oder gar aussieht, weiß ich nicht.
    Ich erinnere an die Dauer, die wir in Deutschland gebraucht haben, um festzustellen, ob wir von Khaddafi oder Ghaddafi sprächen…

    Schöne Woche!

  3. Ulla |

    Bis vor Kurzem kannte ich in München noch 2 Bäcker in meiner Nähe, die ein sehr gutes Baguette gebacken haben. Leider haben inzwischen beide zu gemacht.

  4. Louis |

    Zum Glück für ihn wird Putin in Frankreich nicht so, sondern Poutine geschrieben…

  5. Cassandra |

    Auch phonetisches Transkribieren unterliegt Regeln. Und hier gilt: Wer Lukaschenka sagt, darf nicht „Alexander“ sagen. Um texturell mit dem Mann auf Tuchfühlung zu gehen müsste die Redaktion wörtlich „Alyaksandr Ryhoravich Lukashenka“ aus dem Weißrussischen übertragen und auf eventuelle Mischformen verzichten. Nur so werden die „feinen Akkorde“ kreiert, die dem Feuilleton am Herzen liegen. Weil freilich das „a“ am Ende im Russischen auf eine Dame hindeutet, nutzen so gut wie alle Redaktionen die übliche Transkribtion.

  6. Chiton |

    In Städten mit Brot & Butter Geschäften (Manufaktum) ist dieses dünne Weißbrot noch zu finden. Sehr lecker aber nicht ganz günstig.

  7. bonadea |

    Felix Bavaria! Dort gibt es bekanntlich die Hofphisterei und in deren zahlreichen Filialen ganz wunderbare „Baguettes“, lies Flute und Parisienne….und sogar sog. Elsässer Semmeln. Und Pain Boulot usw. und so fort. Und „richtiges“ Toastbrot!!!
    Das man allerdings selbst schneiden muss (…och, nöh!).
    Die „Bäcker“ gäbe es wohl noch, auch wenn zu viele durch die industriellen Großbäckereien „brotlos“ gemacht wurden, es sind die Kunden, die fehlen!
    Die Deutschen schwärmen von „Baguette“, mögen aber in Wirklichkeit gar kein luftiges und krosses echtes Weißbrot, sondern wattiges-pappiges-weiches Zeugs.
    Ein Volk von Zahnlosen, die außerdem nicht bereit sind, für „richtiges“ Brot auch einen angemessenen Preis zu zahlen – dabei handelt es sich um wenige Cebt pro Tag für ein Grundnahrungsmittel.
    SO sieht es beim Brot aus….wie bei so vielen anderen Lebensmitteln auch, leider.

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