BIO – WAS SONST?

Eine wissenschaftliche Untersuchung macht Schlagzeilen. Nein, sie haben nicht entdeckt, dass die Dämlichkeit bayerischer CSU Politiker die Demokratie beschädigen kann. Das weiß jeder, außer den Pfaffen auf der Kanzel.

Es geht diesmal um BIO. Stand unübersehbar in allen Zeitungen und ist furchterregend. Danach haben Wissenschaftler herausgekriegt, dass Bio-Nahrung keineswegs gesunder ist als konventionell erzeugte Lebensmittel. Dieses Resultat überrascht viele, die teuere Bio-Produkte deshalb gekauft haben, weil sie sich durch eine Möhrendiät einen Schutz gegen Krebs oder Brustkrebs erhofft hatten: der Bauer als Apotheker. Aber: Sogar wenn sie zur lehmigen Gartenmöhre täglich einen Löffel Magnesiumpulver gegen das Altwerden einnehmen, nutzt es nichts.

Wen wundert’s? Der vernünftige Konsument hat Bio immer nur aus zwei Grün­den gekauft. Einmal weil er hoffte, Bio-Produkte würden besser schmecken als konventionell hergestellte. Doch diese Hoffnung verkümmerte im Laufe der Jahre, als er keinen Unterschied zwischen Eiern, Milch, Jogurt, Gemüse und Brot herausschmecken konnte. Die neue Erkenntnis hat ihm diese Illusion endgültig zertört.

Also bleibt der zweite Grund, Bio zu kaufen. Dabei geht es um den Schutz der Erde (im Sinne von Acker), sowie darum, den Tieren, die für unseren Verzehr bestimmt sind, ein schmerzfreies und artgerechtes Leben zu ermöglichen.

Dieses Motiv hat neuerdings (Dank auch an die Vegetarier) eine immer größere Bedeutung gewonnen, so dass die ethisch-moralische Seite der Bio-Bewegung die therapeutische beim Kaufentschluss längst übertrifft.

Mit anderen Worten: Wer sich um das Wohlbefinden der Tiere Gedanken macht und gleichzeitig wegen des Zustands unserer Natur besorgt ist, wird nach wie vor Bio-Produkte kaufen.

Was lernen wir daraus? Nichts, was wir nicht immer schon vermutet haben. Dass nämlich die Masse der Bevölkerung sich Illusionen macht. Eine kleine Andeutung aus dem Umweltministerium (Altmeier), eine gut platzierte Indiskretion des Herrn Rösslers (FDP), eine kaum hörbare Bemerkung Merkels, und sie rasen in die Richtung, wo sie die Lösung der Krise vermuten, ohne rechts und links zu gucken.

Diese Naivität wird den Brokkolifabrikanten Einbußen bescheren, wenn die Hausfrauen erfahren, dass das grüne Gekräusel nichts zu ihrer Gesundheit beiträgt. Wenn das Zeugs wenigstens Geschmack hätte, oder wenn unsere Damen den blöden Brokkoli eigenhändig mit Geschmack bestäuben könn­­­ten. Aber eher rettet ein CSU-Ministerpräsident unsere Demokratie, als dass irgendwo ein leckerer Brokkoli auf den Tisch kommt.

1. Kommentar: „Nun ist aber Schluss, Herr Siebeck, mit ihren ständigen Verleumdungen uns Hausfrauen gegenüber! Wir können sehr wohl kochen, auch den von Ihnen gehassten Brokkoli. Sie selbst waren es doch, der uns jahrelang mit entsprechenden Rezepten beliefert hat. Wenn wir in der ZEIT das Kreuzworträtsel lösen wollten, war der Platz von Ihrer Kolumne besetzt. Und statt SEINE (Fluss in Frankreich, 5 Buchst.) hieß es bei Ihnen immer BROKKOLI.“ Vita Grün, St. Petersbourgh, fl.

2. Kommentar: „Als langjähriger Leser des Magazins DER FEISCHMECKER, bin ich Ihre flapsigen Bemerkungen sehr wohl gewohnt, seien sie gegen unsere Kanzlerin gerichtet, ihre Partei oder die deutsche Mutter insgesamt, die mit der Aufzucht von undisziplinierten Kindern zu allen Zeiten ausgelastet war. Was Sie gegen den Brokkoli einzuwenden haben, bleibt mir schleierhaft, da allein bei Google über 2000 Brokkolirezpte von der Beliebtheit des vegetarischen Gemüses zeugen. Vielleicht fehlt Ihnen das Fleisch. Deshalb rate ich: Lecken Sie sich die Finger beim Kochen!“ Lukullus, Köln.

4 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. kroec |

    Hihi, sehr richtig. Ein Grund für Bio fehlt aber aus meiner Sicht … wobei es eher so ist, dass es das eine nicht ohne das andere gibt: lokale Herkunft. Wenn ich was möchte (warum auch immer: Ökobilanz, Geschmack, Weltfrieden, …) was nicht aus Holland hergekarrt wurde, sondern aus der Nähe kommt, dann ist das meist Bio …

  2. Martin I. |

    Sehr guter Artikel, inkl. der antizipierten Kommentare! Weiter so.
    Brokkoli schmeckt mir erst, seit dem ich ihn beim Chinesen in meinem Viertel gegessen habe: Kurz blanchiert, in einer scharfen Sauce aus Chili, Reisessig, Sesamöl, Soja und Zucker gebadet, und mit jeder Menge anderer guter frischer Zutaten und handgemachten chinesischen Nudeln serviert. Zugegeben: Nach der Behandlung schmeckt sogar Tofu grandios. Sie selbst sagen ja, ein guter Koch kann auch aus einem Gartenschlauch was Leckeres zaubern. Meine Meinung. Asiaten gehen mit Brokkoli kreativer um als manche(r) deutsche(r) Hausfrau/-mann (Gott war das genderpolitisch kompliziert).

  3. Christoph Schaddach |

    Dieser Artikel entspricht ganz meiner Meinung ! Es geht um mehr als nur um Laborwerte, und Bio schmeckt oft wirklich besser, wegen mehr Sorgfalt in der Herstellung, und dann die Aspekte von Tierschutz und Grundwasser etc. – und falls jemand keinen Broccoli will, für den gäbe es notfalls Alternativen 🙂

  4. Cassandra |

    Ich mag auch keinen Brokkoli. Was den „Feinschmecker“ betrifft: Ohne Ihnen, Herr Siebeck, zu nahe treten zu wollen, sind mir 9,9 Euro zu viel Geld für das Magazin. Wir sprechen hier immerhin über den monetären Gegenwert eines halben Aperitifs in einem Mittelklasselokal. Verstehen Sie mich nicht falsch, ihre Kolumne wäre mir das Geld ja wert. Nur der Rest des Heftes ist nicht mehr derselbe, seit dort auch mittels Texturen und Akkorden der einstmals genußvolle Vorgang des Essens der intellektuellen Überkandidelung anheim gefallen ist. Wenn ich das lesen wollte, könnte ich ja gleich zu dieser Zeitung greifen, die sie in jüngster Vergangenheit öfters erwähnt haben. Die haben nämlich Texturen und Akkorde im Doppelpack zum halben Preis.

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