A DAY AT THE RACES

Während draußen in Iffezheim den Gäulen die Kniekehlen massiert wurden, damit sie den Großen Galopper Preis einheimsen (100.000 Euro), könnte ich mir in Brenners Park Hotel eine ähnliche Wohlfühlmassage verpassen lassen. Die brächte mir nicht gerade einen Preis ein, vielleicht aber die Aufmerksamkeit des Museum für Schöne Knie. In Baden-Baden gibt es viele Museen, und viele von ihnen stellen schöne Dinge aus.

Ich könnte aber auch im Kaminzimmer herumlümmeln und Zeitungen lesen. In Brenners Parkhotel gibt es viele Zeitungen und viele von ihnen bieten Informationen über die Baden-Badener Museen und die schönen Dinge, die sie ausstellen.

Oder ich könnte, da wir gerade davon sprechen, mir etwas zu futtern bestellen, dazu müsste ich nur eines der Pferde rufen, die ständig durch das Kaminzimmer traben und darauf warten, dass ihnen jemand die Knie massiert. Oder dass sie geküsst werden wie dieses Pferd in Turin, dem ein Stalker in der Person eines sächsischen Philosophen um den Hals fiel.

Das Kaminzimmer in Brenners Parkhotel in Baden Baden ist das, was in anderen Grand Hotels die Halle genannt wird. Ob hier im Herbst und Winter wirklich ein Kamin brennt, daran kann ich mich nicht erinnern. Aber dass das Kaminzimmer viel größer ist als die Hallen in anderen Luxushotels, da bin ich mir sicher. Dieses Zimmer hat den Vorteil, dass man zwei Glastüren öffnen kann, um die Pferde rauszulassen in den Wintergarten, der eine verglaste Terrasse ist, auf die ich mich nach kurzer Zeitungslektüre setze. Denn hier, mit dem Blick auf einen großartig gepflegten Park, auf alte Riesenbäume, kurzgeschorene Rasenflächen und gelegentliche Spaziergänger mit Dackel, hier gibt es etwas zu futtern. Auch noch jetzt, gegen 14 Uhr, weil manche Hausgäste beneidenswert lange schlafen und sich anschließend noch die Knie massieren lassen, wie das in einem Grand Hotel möglich ist.

Ich liebe Brenners Park Hotel mehr als alle anderen, weil es wirklich ein feudales, hochelegantes Hotel ist, wo noch vor ein paar Jahren kein Mann ohne Krawatte herumlümmeln durfte. Und weil es nicht so neu-elegant ist. Es sieht aus, als hätte hier schon eine Horde von SS-Männern herumgelümmelt und nach ihnen aus dem KZ befreite Literaten. Mit einem Wort, es sieht aus wie ein Haus mit Vergangenheit. Wie Raffles-Hotel in Singapur. Oder das Connaught in London.

Man erkennt es daran, dass in den öffentlichen Räumen nicht so übermäßig viel Marmor verbaut ist, nicht alle zwei Meter hochglanzpolierte Messing-Stalakmiten aus dem Boden wachsen, und dass der Lack an den Türen auch schon mal abgestoßen sein kann. Sodann herrscht hier nicht der modische Designterror beim Mobiliar. Die Korbsessel auf der Veranda besitzen nicht die Geziertheit eines Napoleon III, während man auf den Sofas der Familie Oetker auch nicht besser sitzt als in einem Grand Hotel auf Norderney. Ja, es ist ein Familienhotel, auch wenn die Oetkers so viele Hotels besitzen, dass sie schon wieder eine Kette bilden. Also die standesgemäße Kulisse für Leute, die in Iffezheim ihre Gäule rennen lassen.

Bis vor kurzem hatte das hauseigene Restaurant noch 2 Michelinsterne, aber der Küchenchef hat sich plötzlich verabschiedet. Ohnehin ist das Gourmet-Lokal nur abends geöffnet, und wer meine Abneigung gegen abendliche Exzesse kennt, wird sich nicht wundern, dass ich mich heute Mittag mit einem kleinen Imbiss bescheide.

Ich sehe mit Befriedigung, dass sie auf der Speisekarte, die mir ein Pferdeflüsterer reicht, sowohl eine Gaspacho als auch eine Vichysoise haben. Ich bestelle letztere und danach käsegefüllte schwäbische Maultaschen auf frischem Spinat. Ist zwar verdächtig vegetarisch das Ganze. Aber vielleicht bricht in Iffezheim in diesem Moment ein Pferdebein, und der Gaul steht dann morgen auf der Speisekarte. Dafür könnte ich wiederkommen.

Die Vichysoise, die ja nichts anders ist als eine pürierte, kalte Lauch-Kartoffelsuppe, war technisch einwandfrei, aber obwohl sie mit rosa Fischrogen appetitlich dekoriert war, nicht würzig genug. Das konnte ich den Spinatmaultaschen nicht vorwerfen. Sie hatten das benötigte Aroma, das dem Chardonnay von Bercher zu einem gelungenen Auftritt verhalf.

Als das blonde Pony meinen leeren Teller abräumte, wurde auf der Tischdecke ein rußschwarzer Ring sichtbar. „Oh“, schnaubte sie verschreckt, „was ist denn das?“

„Ich weiß es“, sagte ich beruhigend, „fragen Sie mal in der Küche, wer den Teller in der Mache hatte. Aber nicht gleich erschießen!“, rief ich ihr nach, als sie mit dem Rußopfer in Richtung Küche verschwand. Knie massieren genügt, dachte ich und bestellte beim Pferdeflüsterer eine geeiste Mascarpone mit Erdbeeren. Das Dessert war jedoch nicht so bunt wie der Hut einer älteren Dame, die mit zwei nass gescheitelten Begleitern in diesem Moment die Terrasse betrat. Sie trugen spitze, schwarze Lackschuhe, und einer der beiden hatte seine fast bierdeckelgroße Armbanduhr über die Manschette festgezurrt, damit der Wind ihm nicht das Hemd vom Leibe reißen konnte. Ich hätte gern gewusst, ob Fiedelbaum die 100.000 kassiert hatte.

4 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Anaxagoras |

    …Sicherlich wird in Brenners Parkhotel kein Pferdefleisch auf der Karte zu finden sein, wie bei den allermeisten Restaurants. Dennoch würde mich Siebecks Meinung zu
    diesem wohlschmeckenden und preiswerten Fleisch interessieren

  2. Dorn Mailand |

    Was für ein Vergnügen hier zu lesen!

  3. Jeeves |

    Als Kind (nach dem Krieg) gab’s bei uns (in Berlin-Kreuzberg) öfters Pferdefleisch (war wohl preiswert). Ich mochte das! Heute allerdings, ick weeß nich recht…

  4. Hannes Eggel |

    Herr Siebeck hat das Hotel auf den Punkt exakt beschrieben. So war es schon immer und so wird es hoffentlich bleiben. Schön, dass wir noch solche Häuser haben.

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