In Dresden ist schön was los. Das heißt, nicht allzu viel. Die Touristen stören kaum, die Hälfte von ihnen passt auf die beiden als Raddampfer maskierten Schiffe und verschwindet mit ihnen in Richtung Meissen. Die Elbe tut dasselbe, nur der Wein verlässt die Gläser in eine andere Richtung. Man trinkt viel Wein hier im östlichsten Barockzoo Deutschlands, der gleichzeitig auch unser östlichstes Weinbaugebiet ist. Und auch das nördlichste, fügen die Sachsen hinzu, die den Hals nicht voll kriegen. Womit sie die Tatsache erklären wollen, dass ihr Wein auch der sauerste ist.
Dabei ist er längst nicht so sauer, wie ein Badischer Silvaner oder ein Riesling von der Mosel sauer sein können, wenn die Winzer es zulassen. Denn auch wenn deutsche Weine süß sind, ist das meistens ein Beweis für das fortgeschrittene Know-How der Kellermeister, von denen es oft mehr abhängt, wie ein Wein schmeckt, als vom Wetter und vom Breitengrad.
Sachsen ist auch ein sehr altes Weinbaugebiet; im Mittelalter trank man sächsische Weine mit solcher Begeisterung, dass die Trunksucht landsweit grassierte, was schon damals konservativen Damen nicht gefiel. Na, jedenfalls forderten sie keine Haushaltsthaler für Antialkoholiker.
Wie es der Zufall will, landeten am Freitag auf der Hauptstraße des schön restaurierten Viertels Innere Neustadt Winzer aus dem Westen und bauten Verkaufsstände auf. Die Pfalz war hauptsächlich vertreten, aber auch Rheinhessen und die Nahe, so dass ich mit großen Erwartungen an den Buden entlang schnürte. Doch vergebens hielt ich nach bekannten Namen Ausschau, und was ich probierte, konnte bestenfalls mit den billigen Massenweine der Elbe verglichen werden, mit denen ich seit Tagen gurgelte. Was ist da los, was geht in den Köpfen der Weinbaufunktionäre vor, dass sie Weine nach Dresden schicken, die sie in Mainz oder in Freiburg schamhaft verstecken würden? Warum stehen in Dresden nicht unsere Winzer mit den renommierten Namen, mit ihren Goldmedaillen und den stolzen Prädikaten, um den hiesigen Kollegen zu zeigen, was im deutschen Weinbau möglich ist?
Ähnlich unzulänglich ist auch die Zusammenarbeit der Köche. Wer hier aufwächst, bleibt gemeinhin in der Region. Wo westdeutsche Jungköche von Köln nach Baiersbronn, nach Saarbrücken oder Bensberg wandern, auch schon mal ein halbes Jahr im Elsass oder im Burgund hospitieren, bleibt ihren Dresdner Kollegen nur die biedere Gastronomie der Kleinstädte an der Elbe, sowie Leipzig und Meissen. Irgend eine Art von Mauer existiert immer noch.
Natürlich nicht in alle Ewigkeit. Und wenn Besucher aus dem Westen sich in den östlichen Provinzen genau so heimisch fühlen wie hinter dem Blumenkasten zu Hause, dann wird alle Scheu vor den Fremden sich in eine hemmungslose Schunkelseligkeit verwandeln wie in alten Zeiten. Hoffentlich dauert es bis dahin noch ein Weilchen.
Denn die Ähnlichkeiten der Verwandten – das weiß man aus den Familien – ist nicht einmal an Weihnachten ein Grund zur Fröhlichkeit.
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