CHÂTEAU HEKUBA

Der gelangweilte Zeitungsleser interessiert sich nicht sehr für Mitleidsgesten barmherziger Gutmenschen, dafür mehr für die Bösartigkeiten benachbarter Schurken. Also lesen wir täglich von Typen, die eine Bank überfallen, von Müttern, die ihre Kinder morden, von Tierquälern und Fälschern.

Geradezu auffällig oft beherrschen Bilderfälscher die Schlag­zeilen. Und wenn herauskommt, dass sie jede Menge gefälschter Kandinskis, Chagalls, Max Ernst und sonstige Ikonen der Malerei in den Kunstmarkt eingeschleust haben, und niemand hat es gemerkt, ist das allgemeine Interesse groß; denn es wird von Schadenfreude begleitet.

Viel seltener als gefälschte Picassos tauchen gefälschte Weine in den Nachrichten auf. Zwar ist mit einer Flasche Lafite-Rothschild nicht so viel zu verdienen wie mit einer gut gefälschten „Weinenden Frau“, aber von einem teuren Wein kann man gleich hundert Flaschen herstellen, ohne dass es auffällt, was bei berühmten Ölbildern nicht so einfach ist. Würde die Mona Lisa hundertfach auf einer Auktion bei Christie’s auftauchen, wäre das zwar auch eine Schlagzeile wert, aber nur auf der Humorseite.

Handelte es sich jedoch um hundert Flaschen Château Petrus, würde niemand lachen. Der teure Wein interessiert die Leute nicht, ob echt oder gefälscht.

Wer sich Weine leistet, die pro Flasche tausend Euro und mehr kosten, wird zwar zu den Superreichen gerechnet, aber kaum bewundert und schon gar nicht bemitleidet, sollte sich der Wein als gefälscht herausstellen.

Das liegt am mangelnden Renommee für rare Weine. Leidenschaftliche Weinsammler sind so selten wie Briefmar­kensammler und auch so verschroben. Dem Normaltrinker, der vielleicht 30 Euro für die tägliche Flasche Wein bezahlt, ist das alles Hekuba. Mir auch.

9 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Chiton |

    Wie viele „Normaltrinker“ können 30 Euro für die tägliche Flasche Wein ausgeben? Selbst wenn man nicht zur Fraktion der 1,95 pro Flasche Menschen gehört wären 30 Euro ein sportlicher Preis für den Alltagsgenuß.

  2. Ulla |

    Mein tgl. Weingenusspreis liegt zw. 6-10€ und rechne mich eher zu den gehobenen Nornmaltrinkern.

    • Schwabe |

      Hier in der Pfalz bekommt man beim Winzer für 5-10€ eine große Auswahl recht guter Weine. Und wenn man 20€ anlegt, gibt’s wunderbare Spezialitäten für Sonntage. Der Weingenießer findet bei diesen Preislagen für jede Gelegenheit schönen Weingenuß.

  3. Jürgen Siehr |

    Der „Normaltrinker“, der täglich 30.- € für eine Flasche Wein ausgibt, würde demnach allein für diesen Genuß 900.- € im Monat bezahlen. Das entspricht etwa 25% eines durchschnittlichen Monatsverdiensts.
    Sie sind mir ja sonst sehr sympathisch, aber hier scheinen Sie mir etwas realitätsfern.
    MfG
    J. Siehr

  4. Heidemarie |

    Mir geht es wie Ulla. Ich will jetzt wahrhaftig kein Jammergeheul über den Verdienst im öffentlichen Dienst anstimmen, aber, Herr Siebeck, haben Sie in etwa eine Vorstellung, mit wie wenig Geld eine Krankenschwester auskommen muß? Da sind 8-10€ für eine ordentliche ehrliche Flasche Wein die tägliche Obergrenze, der Rest des Buget fließt in vernünftige Nahrungsmittel – und von Urlaub, geschweige denn schön essen gehen- kann man bei nur einer Arbeitsstelle nur träumen.

  5. Martin I. |

    Ich muss da grundsätzlich zustimmen. Für mich sind etwa ein Rebholz Chardonnay R, ein Mersault oder Puligny (die man zugegebenermaßen nur ab Winzer unter 40 bekommt) oder etwa ein 2001er Ygay keine Alltagsweine, sondern „etwas Besonderes“.

    Aber ich bin auch fünfzig Jahre jünger als Sie und verstehe sehr gut, dass man irgendwann keine Kompromisse mehr eingehen möchte.

  6. Daniela Hellmich |

    Sehr geehrter Herr Siebrecht, hallo Martin (Vorkommentator).
    Kompromisse nicht einzugehen, muss man sich leisten können ……!
    Herr Siebrecht,Sie möchten sicherlich provozieren.Und das machen sie auch sehr gut.Jedoch hat ihre selbstherrliche Art leider den Effekt,dass viele gar nicht länger mit Ihnen Diskutieren möchten. Ich selbst bemühe mich um täglich frisch gekochtes Essen für meine Familie (trotz Job und vielerlei Belastungen).Erziehe meine Kinder zum Probieren,Mitkochen und Qualitätsbewusstsein. Aber in der heutigen Zeit ist es völlig unrealistisch auf Konvienienzprodukte aller Art zu verzichten.
    Ziel sollte sein ursprüngliche Produkte, deren Herkunft, Verarbeitung und den Unterschied zu erklären und sich auf auf der Zunge zergehen zu lassen….!
    Nicht der Preis allein ist entscheident. Ich fahre jetzt mit den Kindern auf das Erdbeerfeld um unsere Marmelade zu kochen. .. Einen schönen Tag noch. Daniela Hellmich

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