BERNER LECKERLI 1

Man sollte öfter in die Schweiz fahren. Das Land hat liebenswür­dige Eigenschaften, die man woanders selten oder gar nicht findet. Dazu gehören nicht nur Heidi und der Alm Öhi, sondern vor allem die Grand Hotels, welche kein Reisender missen möchte, der von der fünften Etage beobachten will, wie das Volk auf dem Haupt­platz der Stadt seine Wut artikuliert. Das war auf dem Tahir Platz so, so war es in Athen, ist aber hier am Bahnhofs­platz in Bern ganz anders: Das Schweizer Volk ist nicht wütend.

Niemand braucht hier mehr als eine Stunde, um mit dem Skistock am Fuße eines oder mehrerer Hochgebirge zu stehen. Das beruhigt kolossal. (Bei uns steht man höchstens am Fuße der Bavaria, wenn man in Mün­chen landet, oder neben der Berolina in Berlin, womit aber Frau Mer­kel nicht gemeint ist.)
Die Schweiz sei sehr teuer, klagen Reisende, die in Hinterasien soeben einen Bernhardiner am Spieß für 16 Euro (2 Personen) gegessen und noch einen Maßanzug gratis dazu bekommen haben.Das ist zugegebenermaßen in der Schweiz nicht möglich, weil die besagte Hundesorte ständig mit dem Rumfässchen unter­wegs ist, um gefährdete deutsche Touristen zu retten, die ihr Schwarzgeld in Gletscherspalten versteckt haben.

Überhaupt kümmert sich die Schweiz rührend um Ihre Gäste. Im Berner Grand Hotel Schweizerhof zeigte man mir als erstes eine Suite mit dem Namen „Gym“, was mich in nicht geringen Schre­cken versetzte. Denn hinter der Tür standen riesige Hirschkäfer in Lauerstellung, einer hatte gerade einen Hotelgast gefangen, dem der Angstschweiß das T-Shirt durchnässte. Derartige Begegnungen sind, wie ich erfuhr, bei Hotelgästen sehr beliebt.

Ich flüchtete in die Lobby, wo Bankbeamte Champagner tranken, weil der Schweizer Franken gegenüber dem Euro wiederum 0,4 Rappen zugelegt hatte. Da ist es geradezu ein Wunder, dass der Rappe nicht das Berner Wappentier ist, sondern der Bär. Man kann es in der Innenstadt nicht übersehen, welche dicht mit Bären- und Nationalfahnen beflaggt ist wie an Blochers Geburtstag.

Der Schweizer Hof hat einen neuen Besitzer. Er wohnt in Katar und hat das denkmalgeschützte Haus vier Jahre lang restauriert, bis es die komplizierteste Zimmerbeleuchtung diesseits der Sahara besaß. Das Fräulein vom Empfang, das uns unser Zimmer zeigte, brauchte eine geschlagene halbe Stunde, um zu erklä­ren, mit welchem Knopfdruck sich die Bodenbeleuchtung im Bad dim­mern lässt, der Fernsehapparat ausgeschaltet wird und wie der Licht­schalter am Bett gleichzeitig sechs Funktionen überneh­men kann, von der Fernbedienung der Fenstervorhänge bis zur Blut­druckmes­sung beim Koitus.

Man merkte sofort, hier wütet die Moderne.

Obwohl alles bestens funktionierte und nicht unpraktisch war, und die Regendusche einen indischen Monsun zu imitieren in der Lage ist, rettete ich mich in den schönsten Raum des Hauses, in Jack’s Brasserie. Das hübsche Restaurant heißt so, weil auf der Speise­karte ein Kalbskopf angeboten wird, und Kugellampen den Ni­schen- und Lo­genplätzen das vertraute Flair eines Pariser Edel­bistros verleihen, sogar die Namensschildchen der Stammgäste an den Polsterbän­ken fehlen nicht.

Außer dem Kalbskopf (der nicht weich genug gekocht war), gab es aus der Rustikalküche nur noch Wiener Schnitzel, der Rest verriet einen ungewöhnlichen Ehrgeiz für eine Brasserie. Sehr delikat war eine Konstruktion aus geräuchertem Stör, eine andere enthielt Foie gras, und ich aß einen vegetarischen Teller (überglänztes Marktge­mü­se), der ganz vorzüglich war.

Überaus ambitioniert ist Jacky’s Weinangebot. Es verrät das Hobby des Direktors, Michael Thomann, der ein großer Weinfreund und ken­ner ist.

So ist es auch kein Wunder, dass man vom jugendlichen Sommelier sehr fachmännisch beraten wird, wie überhaupt das Personal des Hotels mit einer außerordentlichen Freundlichkeit ausgestattet ist, was bitte nicht darauf zurückzuführen sein darf, dass im Gastrono­mie­ge­werbe überwiegend Nichtschweizer arbeiten.

2 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Ulla |

    Köstlich! Danke für Ihre humorigen Beschreibung.
    Gruß aus München

  2. Sean |

    Der Schweizer Hotellierverband selber sagt, die Dienstleistungen sind im Vergleich zum Ausland z.b Österreich, schwach. Ich kann das nur bestätigen.
    Sie KÖNNEN das gar nicht mehr beurteilen, weil Sie überall bevorzugt behandelt werden.

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