In diesen Tagen feiern wir unsere großen Deutschen, dass es nur so kracht. Da ist einmal der Alte Fritz, den schon seine Zeitgenossen vor 200 Jahren den Großen König nannten. Dann ist da unser neuer Bundespräsident, den ebenfalls viele Wahlberechtigte – alle außer Frau Merkel – unter die wichtigen Gestalten der deutschen Geschichte einreihen. Und schließlich Karl May, der letzte deutsche Großmystiker, wie ihn Arno Schmidt nannte. Er war ein Lügner, nämlich Schriftsteller, und als solcher ein Volksschriftsteller, wie das damals genannt wurde, als auch Winnetou und Old Shatterhand unter die Volkshelden eingereiht wurden.
Wer den Schmonzes gelesen hat, den der schreibende Sachse zur Freude aller Minderjährigen in ungeheuren Mengen fabrizierte, wird sich nicht über den Erfolg wundern, den er in Deutschland hatte.
Auch ich gehörte zu den Kindern, die sich damit brüsteten, jedes seiner Werke gelesen zu haben. Und wie alle anderen damals – alle außer Frau Merkel -, fand ich Stellen im Gesamtwerk von Karl May, die mir schwer auf die Nerven gingen. Vor allem die fatale Art, seine Figuren mit einem abartigen Humor auszustatten. Wer das „Hihihihi“ des imbezilen Sam Hawkins mehr als dreimal gelesen hatte und immer noch mitlachen musste, der war auf die Humorsendungen des Fernsehens bestens vorbereitet. Natürlich fand ich die schwülstige Religiosität des treffsicheren Old Shatterhand total uncool (wie man es heute nennen würde), und ärgerte mich, dass er im Laufe seines Lebens als Westmann zunehmend milder wurde, wenn er sich daran machte, einen Bösewicht ‚auszuschalten‘.
Aber bewundert habe ich ihn beim Verzehr der jeweiligen Regionalküche. Ob er als Kara Ben Nemsi verkleidet durch die Schluchten des Balkans ritt und von Harun el Bey zum Essen von Fettschwanzhammeln eingeladen wurde, oder im Wilden Westen ein Rezept seiner roten Brüder nachkochte, wo es darum ging, eine Bärentatze so lange in der Erde zu vergraben, bis sie durch Maden mürbe gekaut worden war, worauf sie schließlich gebraten und mit Genuss verzehrt wurde.
Ich gebe zu, dass ich derartige Horrorrezepte nicht wegen der ungewohnten Zutaten bevorzugte, sondern wegen der Schockwirkung. Wenn ein Achtjähriger hinter einer Hecke hervorspringt und Grimassen schneidend auf Rentnerinnen –außer auf Frau Merkel – losgeht, so hofft er ja, wie ein Werwolf zu wirken und nicht wie ein achtjähriger Depp. Kinder lieben Ekeliges.
Um so merkwürdiger ist die gesamtdeutsche Abneigung gegenüber exotischen Küchen, die bei uns herrscht.
Zugegebenermaßen waren Bärentatzen nie ein Thema in Gourmetkreisen. Aber dass zum Beispiel der wunderbare Aal, dieses urdeutschen Gericht, im Repertoire unserer Hausfrauen fehlt, ist eine Schande. Vielleicht kann man dafür Günter Grass verantwortlich machen, der in der Blechtrommel die kaschubische Aalfangmethode eindrucksvoll geschildert hat. Was ihn jedoch nicht in die Nähe von Karl May rückt.
Außerdem kommt in der Ablehnung „undeutscher“ Speisen eine Art von Fremdenfeindlichkeit zu Tage, die schon vor hundertdreißig Jahren all das vorbereitete, was bald darauf den Europäern und noch später uns Deutschen so folgenschwer auf den Magen schlagen sollte.
Trotzdem feiern wir Karl May in diesen Tagen als einen großen Deutschen. Wenn es bei den Bärentatzen bliebe, wäre nichts dagegen zu sagen. Schließlich haben die anderen großen Deutschen auch nichts Besseres auffahren lassen. Mit Ausnahme von Frau Merkel, deren Kartoffelsupp in der Uckermark sehr geliebt wird.
Mehr über die Esserlebnisse Karl Mays im Wilden Westen und in den Hütten des Balkans, garniert mit großzügigen Portionen seines Humors und seiner Gartenlauben-Dialoge kann man seit 2004 in einem Originalband der Karl May Serie nachlesen: „Durchs wilde Lukullistan“ heißt der 500 Seiten starke Band, der eine bunte Zusammenstellung entsprechender Stellen aus den Büchern des populären Deutschen enthält.
Als kind habe ich Karl May verschlungen.Später dann beim erneuten lesen habe ich
gemerkt daß zusätzlich zum von Ihnen genannten er (Karl May )ein Franzosenhaßer und großer Rassist war.
Herzlichst Alfed Litzke