WILLKOMMEN IN BIEDERLAND

Mit welchen Gefühlen kommt der Feinschmecker aus dem Urlaub zurück? Was erwartet ihn, wenn er die Glotze einschaltet, die gesammelten Tageszeitungen durchblättert und erstmals wieder einen deutschen FM-Sender klar em-pfängt?
Es erwartet ihn deutsche Biederkeit in volkstümlicher Pracht: Unelegant gekleidete Männer und Frauen in polierten Neuwagen, Flaschen im Kabinett. Fernsehunterhaltung der anspruchslosesten Sorte. Plagiatoren, Kor­ruptoren, Bankdirektoren. Landschaften wie Vorgärten, architektonische Hilflosigkeiten in sauberen Städten; Baustellen, Bratwurststände, Brillengeschäfte. Bankhäuser wie Luxushotels, Glatzköpfe im Dreiteiler und im Kapuzenpulli. Fernseh-Kochsendungen im Stundentakt. Brünhilde, die stolze Spätgebärende, ihre überbehüteten Kinder, deren versklavte Väter. Hypochondrie und Hysterie als identitätsstiftende Epidemien; der Bambi, die Goldene Kamera, Jauch. Die Esse-nie-ein-Tier-im Scherz-Fraktion; das Kopftuchverbot.
Das alles wirkt, wenn man es so der Reihe nach aufzählt, weder furchtbar noch beunruhigend, obwohl es so furchtbar und beunruhigend ist, dass es einen sensiblen Menschen um den Schlaf bringen müsste. Aber wir schlafen gut. Sind wir also unsensible Biedermänner?
Nein, wir sind nur Realisten. Wir sehen, dass es um uns herum noch schlimmer ist. Alles ist woanders schlimmer. (Nur das Wetter nicht.)
Am Sonntag drängten sich auf der zugefrorenen Alster knapp 1 Mil­lion Hamburger. Dieses Resulat einer winterlichen Volkszählung genügt, um am Verstand der Hanseaten zwei­feln zu lassen. Was ist auf dem kalten Eis so schön? Man kann nicht aufs Klo, weil das Eis keine Löcher haben darf, und Schlittschuhlaufen kann man auch nicht, weil es zu eng zum Laufen ist.
Also bleibt der vernünftige Mensch in seinem Wohnloçh und sieht fern. Doch was sieht er da? Er sieht den unseligen Pfarrer Hintze von der CDU, der mit sich überschlagender Stimme unseren Oberbieder, Christian Wulff, verteidigt. Oder man wird Zeuge, wie sich der gemeine Rassismus in Diskussionen zum Dilemma in Griechenland manifestiert. Das hat zwar den Vorteil, dass zur Zeit niemand über die armen Tiere redet, die von uns Barbaren gefressen werden; und auch die kollektive Fettleibigkeit der Deutschen in den Hintergrund tritt.
Trotzdem ist es beschämend mit welcher Selbstgerechtig­keit populistische Politiker und der gesunde Menschenverstand (der sowieso) über die faulen Griechen herfallen. Diese Steuerbetrüger, Korruptionsweltmeister, Bankrotteure, schnurrbärtige Gauner, kurz gesagt, die schlampige Bagage am Rande des lauen Mittelmeers sollte sich ein Bei­spiel an uns ordentlichen und disziplinierten Germanen nehmen, mit deren Nationaltugenden (wie Oskar La Fontaine schon vor Jahren feststellte) sich auch ein KZ leiten lässt.
Vorläufig leiten wir jedoch nur die Milliarden des EURO- Raumes, und zwar in unsere eigenen Taschen, wobei uns, da wir mit politischer Blindheit geschlagen sind, ein Blindenhund zu Hilfe kommt. Der heißt Großbank, ist taub und tut was er will. Da er nur sein Bestes will, schweigen wir. Denn Ruhe ist die erste Bürgerpflicht in Biederland.

(Achtung, Text enthält Ironie)

One Comment | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Hj. |

    Und wenn Wahlen etwas ändern würden wären sie verboten !

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