SCHARF GEMACHT

Wieder um eine Information reicher und eine Illusion ärmer.

Die Illusion teilte ich bis vorgestern mit vielen Hobbyköchen. Ich möchte behaupten, mit 80 Prozent aller Männer, die sich in ihrer teueren Küche daran machen, aus edlen Produkten ein noch edleres Essen zu kochen. Dazu benutzen sie natürlich die edelsten Werkzeuge. Das neueste Modell der Küchenmaschine, die S-Klasse der Induktionsherde, den französischen Backofen mit eingebauter Trüffelerkennung, und was die Küchenhersteller sonst alles im Angebot haben.
Natürlich hat unser Hobbykoch – habe auch ich – edle, japanische Küchenmesser. (Wahrscheinlich auch welche von der Esslinger Messerschmiede Dick). Weil die so schön scharf sind und lange scharf bleiben. Leider nicht sehr lange, wie wir eines Tages feststellen müssen. Irgendwann beim täglichen Kampf Rasiermesser versus Tomate stellen wir zu unserem Entsetzen fest: die Tomate wird eingedrückt und nicht wie üblich vom Messer skalpiert. Dann wissen wir alle: Jetzt ist es stumpf, das edle Stück.
Auf uns wartet die Phase des Schleifens. Die lieben wir wie den Reifenwechsel am Auto, wie das Knopfannähen an der Hose. In der Küche macht sich schlechte Laune breit.
Wer jetzt zum Wetzstahl greift und die scharfe Kante des Messers mit wenigen Strichen wieder glättet, glaubt naiverweise, das Nötige getan zu haben, um sein Sashimi und seine Tomaten in gewohnter Feinheit zu sezieren. Mit dieser Illusion beginnt der Niedergang der heimischen Kochkunst.
Denn das Schärfen eines hochwertigen Messers geht nicht rubbeldiekatz. Sollte unser Hobbykoch gar einen semimaschinellen Messerschleifapparat benutzen, landet er ohne Umweg in der Hölle der Spargelesser.
Er hat sich in einen jener Feinschmecker verwandelt, die einen Pouilly Montrachet hinunterkippen und anerkennend sagen: ‚Kein schlechtes Weinchen‘.
Dass es ohne Wassersteine nicht geht, und wie sich der Kenner verhält, der seine Sammlung von Kochmessern auf den höchsten Stand der Schneidetechnik gebracht hat, das weiß ich seit vorgestern, als ich in der Post ein Buch fand, das mir erbarmungslos die Augen öffnete. Es heißt „Japanmesser schärfen“ und stammt von Rudolf Dick, der in Niederbayern bisher den größten Vertrieb japanischer Messer besaß.
120 solide gebundene Seiten hat er bedruckt, um das Messerschärfen zu beschreiben. Beispielsweise so: „…Jeder Strich wird mit einer leichten Wippbewegung kombiniert, die der Krümmung des Anschliffs folgt. Üben Sie nur wenig Druck aus, und entscheiden Sie anhand der sichtbaren Schleifspuren, ob das Bewegungsmuster passt….“ Wer jetzt nicht entmutigt ist, der hat das Zeug zum Hobbykoch, wer sonst? Aber nur wenig Druck, bitte!
(Rudolf Dick, „Japanmesser schärfen“, Wieland Verlag, Bad Aibling.)

Schreibe einen Kommentar