ÖSTERREICH, WIE ES TRINKT

Man mag die österreichischen Feinspitze, wie Gourmets dort vom Volksmund bezeichnet werden, man mag diese alpenländische Abart der Feinschmecker als nicht ganz auf der Höhe der aktuellen Gipfelleistungen im Gebirge der Haute-Cuisine bezeichnen, und dennoch lässt sich nicht leugnen, dass sie in einem Bereich das Gipfelkreuz früher erreicht haben, als die ungeliebten Piefkes im Norden: beim Wein.
Das verdanken die Österreicher einem GAU, der in den achtziger Jahren über die Winzer hereinbrach. Er wurde als Glükol-Skandal bekannt. Dieses Frostschutzmittel haben sie bedenkenlos in ihre Weine geschüttet, damit sie billig und schön süß wurden, was von naiven Trinkern als Zeichen von Qualität gewertet wurde.
Der Schaden war immens; österreichische Weine waren praktisch unverkäuflich. Den Winzern blieb nur der konsequente Ausstieg aus der lukrativen Panscherei. Dabei kam ihnen und den Wein­trinkern zu Hilfe, dass sich die Republik ein neues, vorbildli­ches Weingesetz zulegte (was trotz dringender Notwendigkeit bisher keine deutsche Regierung zustande gebracht hat).
Mit der Verpflichtung zu höchster Qualität begann, was man das österreichische Weinwunder nennen darf. In erstaunlich kurzer Zeit erwarben die Wachauer Rieslinge der Weingüter Jamek, Hirtsber­ger, Knoll und F.X. Pichler, einen hervorragenden Ruf, der die ande­ren Winzer nicht ruhen ließ, so dass sie sich dem Streben nach Qua­lität vorbehaltlos anschlossen. Der österreichische Wein erleb­te eine unerwartete Renaissance. Vielleicht war es Zufall, dass zur gleichen Zeit die dünnen, mundgeblasenen Gläser der Firma Riedel auf den Markt kamen, welche das Interesse an genussvollem Weintrin­ken förderten. Als nächstes Weinbaugebiet machte die Südsteier­mark auf sich aufmerksam, wo eine neue Generation von Winzern mit Sauvignon blanc, Welschriesling, Muskateller und Morillon (eine regionale Bezeichnung für Chardonnay) ins Rampenlicht trat. Auch hier gab es Vorbilder, sie hießen Tement, Polz, Gross, Sattlerhof. Nachdem die zwischen der Wachau und Wien gelegenen Weinbaugebiete ebenfalls mit erstklassigen Qualitäten aufgefallen waren (Bründelmeier, Figl, Prager), schlossen sich auch die Burgenländer Winzer dem Trend zu Qualität an (Paul Achs, Velich, Gesellmann, Igler, Feiler-Artinger, Umathum). Sie haben es fertig gebracht, das Burgenland als beste Rotweinregion Öster­reichs bekannt zu machen, und zwar durch den Blau-Fränkisch, der mit dem Lemberger in Baden-Württemberg verwandt ist.
Diese positive Bilanz wird noch ergänzt, durch die hohe Akzeptanz der österreichischen Weine nicht nur im Inland. Wer sich in Berlins Gastronomie auskennt, wird feststellen, dass unsere Importeure mit Grünem Veltliner und den anderen Sorten aus der Alpenrepublik besonders erfolgreich sind. Überhaupt war der Einfluss der österreichischen Weine auf unsere Winzer groß und trug nicht wenig zum deutschen Weinwunder bei.
Was bei uns nicht ganz so entwickelt ist, sind die Genusstage, von denen es in Österreichs Gauen mehr gibt als Verkehrsschilder bei uns. Das muss man sich so vorstellen, dass in einer Region mit großem Hotel- und Restaurantvorkommen Köche und Winzer zusammenkommen und feiern. Das geschieht beispielsweise jedes Jahr im Tiroler Sölden unter dem Motto „Wein am Berg“, nicht weit vom Fundort des Ötzis. Wenn die Skifahrer bereits auf der Heimreise sind, kommen die Feinspitze und entkorken im „Hotel Central“ unzählige Flaschen, während Haubenköche die Abendessen mit ihren Kreationen veredeln. Auch fährt man schon mal zu einer Wodkadegustation zum Gletscher hinauf oder probiert mit ernstem Gesicht die letzten acht Jahrgänge eines berühmten spanischen Rotweins (Flor de Pingus), um zu entdecken, dass sich die einzelnen Jahrgänge kaum unterscheiden. Ja, das Leben kann genussvoll sein, wenn man zur rechten Zeit am richtigen Ort anhält!

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