In der Weihnachtszeit war ich im Supermarkt in Lahr, Marke Edeka, der angeblich beste weit und breit. War in der Tat überaus beeindruckend, womit der deutsche Konsument sich das Leben versüßen kann. Ich meine nicht nur Zuckerzeugs, wie es an den Feiertagen gern in großen Mengen vernascht und verschenkt wird. Da war auch eine Käsetheke, wie sie bei den französischen Marktführern hinter der Grenze nicht schöner sein könnte. Und die Fischtheke, und die Würste, und was man sonst alles zum besseren Leben braucht – alles da und alles deutlich billiger als jenseits des Rheins. Sie hatten auch frische Karpfen im Angebot, hübsche Fische, die, wie man weiß, bei vielen Esser verpönt sind. Weil sie muffig schmeckten, oder schlammig, oder was die Angsthasen, die sich vor den Gräten fürchten, sonst noch einzuwenden haben.
Ob die Gräten des Karpfens so tückisch sind wie die des Hechtes? Mir wurde klar, dass auch ich nie Karpfen gekocht habe. Im südlichen Elsass, im Sundgau, werden sie traditionell frittiert gegessen. Das hat mich nie beeindruckt, weil die Dorfkneipen, wo man sie essen kann, keine Nester der Kochkunst sind.
Aber der Karpfen hier, zwischen den Edelfischen auf Eis liegend, führte mich in Versuchung, als sich herausstellte, dass ich auch halbe Karpfen, also ausgelöste Karpfenfilets kaufen konnte, enthäutet und entgrätet.
Ein Filet dürfte für uns beide reichen, dachte ich nicht sehr optimistisch, und ließ mir eins einpacken.
Aber es war ohne Fehl und Tadel, als ich es zu Hause in schwach erhitztes Speckfett gleiten ließ. Vorher hatte ich natürlich gesalzen und gepfeffert. Jetzt kam es nur darauf an, den richtigen Garpunkt nicht zu verpassen. Ich schätzte anderthalb Minute pro Seite und hatte Recht. Die Struktur des Fisches erinnerte an den Kabeljau, seine einzelnen Fleischscheiben wollten sich schon von einander lösen, als ich das Filet halbierte und auf die Teller schob. Zitronensaft und kleine Kapern gesellten sich dazu, und der Hauptgang war fertig. Sehr lecker war er jedoch nicht. Das lag aber keineswegs am Geschmack des Fisches, sondern an mir. Ich hätte stärker, viel stärker würzen sollen. Der Karpfen, so mein Eindruck, gehört zu jenen Fischen, die eher labbrig schmecken, ohne interessanten Eigengeschmack (und wenn es Schlamm gewesen wäre), so dass hier vom Koch ein wahres Kunststück verlangt wird: Er darf den Fisch nur extrem kurz garen, damit der nicht zerfällt, hat deshalb aber kaum Zeit, ihn sachgemäß zu würzen und abzuschmecken.
Bei dem Gemüse war ich instinktiv schon auf der richtigen Spur: Ich hatte Chicoreeblätter und Apfelschnitzel zusammen gedämpft (mit Wein, Salz und den üblichen Aromen), und ich dachte beim Essen: „Kümmel! Am Gemüse fehlt Kümmel. Vielleicht auch am Fisch“.
Dass es trotzdem ein fast festliches Essen war, lag am Wein. Es war ein Silvaner Julius-Echter Berg, 2010, Kabinett, trocken vom Julius Spital in Würzburg. Was für ein herrlicher, männlicher Wein! Rund wie ein Kiesel, wunderbar gelb; seine süffige Fruchtigkeit hatte keine Ähnlichkeit mit den gefälligen Silvaner von früher, deren Duft an eine geöffnete Dose Erbsen erinnerte. Dieser Bursche ist geeignet, einem den Kakao abzugewöhnen.
Am Heiligabend saßen wir mittags in Freiburg in der vertrauten Atmosphäre des „Colombi“ und tranken einen 4-jährigen Saar-Ruwer (Riesling), wozu ich eine Platte Austern aß (keine glückliche Kombination, wie mir auffiel); Barbara hatte eine mit Gewürzen panierte, vorzügliche Scheibe Thunfisch auf dem Teller.