BROOKLYN IN BERLIN

Hamburger und Berliner haben es gleichermaßen gut. Von einer ihrer Städte zur anderen kann man in nicht einmal zwei Stunden mit dem ICE fahren. Welche Richtung man vorzieht, ist Geschmacksache. Ich fuhr ostwärts, um, zusammen mit vielen anderen Freunden, Vicco ‚Loriot‘ bei einer Matinee im Renaissance-Theater zu gedenken. Anschließend gab es Cannapees und Sekt. Dann ging ich zu einer Lesung im „Coledampf“ am Moritzplatz, was ein ziemlich verrückter Küchenladen ist, in dem man auch essen und Kochbücher kaufen kann. Zum Schrecken meiner Leser hatten drei Berliner Köche Innereien vorbereitet, wie ich sie gerne mag: Kalbshirn, Beuschel und Boudin noir. Waren aber alle lieb zu mir; es gab ja auch genug Wein zu trinken.

Die folgenden Tage und Nächte verbrachte ich mit Barbara in einem sehr merkwürdigen Hotel. Es heißt „The Dude’s Hotel“ und gilt als Art-Hotel; ist in Wirklichkeit aber ein Stück New York an der Insel-/Ecke Köpenickerstraße. Äußerlich sieht man ihm nichts an. Da gibt es sich ganz Berlinisch, wie es sich für den östlichen Teil von Mitte gehört. Aber es beherbergt in seinen Mauern nicht nur eine fantastische Wendeltreppe bis zum fünften Stock hinauf, sondern auch eine riesige Reproduktion von Hopper. Das stimmt einen auf das Besondere an diesem Hotel ein, das Amerikanische. Dann sind da überall diese Plastikstühle, reines Design, und im Steak House die Bar-Fotos aus Manhattan mit Capote, Sinatra, Warhol und anderen. Dann kommt der unvermeidliche Konfettiregen, die Speisekarte. Da wimmelt es von Steaks von jeder Art vom Beef, natürlich in grimmigen Portionen wie in Texas, und mit Beilagen, die jedem Rucksack-Yankee die Tränen der Rührung in die Augen treiben, welche, seit er die Fleischtrümmer erblickt hat, ohnehin über fließen wie der Mississippi bei Mark Twain und sich mit dem Wasser, das ihm im Mund zusammenläuft, zu einem Niagara mit oder ohne Marylin verbindet.

Ich muss gestehen, dass mir die amerikanische Küche wenig sagt, und ich daher nicht in das glückliche Schluchzen  einfalle, das spätestens der american cheesecake bei allen auslöst, wenn sie die Gabel in den gelb-grauen Teigsockel rammen.

Übertroffen wird diese Rhapsody in Heimweh nur noch durch einen Besuch im angegliederten Deli. Dort essen die Gäste mittags dreistöckige Sandwichs, die als Concept Art zu bezeichnen nicht übertrieben wäre: was, außer sie zu bewundern, kann man mit ihnen machen?

Das Personal im Dude’s Hotel ist jedenfalls allem gewachsen und überaus freundlich.

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  1. Ein Berliner |

    Mitnichten zum Schrecken. Vor allem das Kalbshirn bekommt man ja schließlich auch nicht jeden Tag und dieses war – mal nicht im Rührei versteckt – ganz hervorragend.

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