DAMALS VOR 40 JAHREN

Es sieht so aus, als hätte ich seit Wochen kein anständiges Restaurant mehr besucht, nicht wahr? Tatsächlich besteht das Leben des Berufsessers nicht nur aus täglichen Menüs mit Silber und Kristall, Champagner und Foie gras. Obwohl sich nicht wenige Leser mein Leben („…schönster Beruf auf der Welt…“) so vorstellen und sich anbieten, mir dabei zu assistieren.

Das hätte ihnen am vergangenen Wochenende  auch viel Spaß gemacht. Zwar hätten sie an ihr Erspartes gehen müssen. Da wäre die Hin- und Rückfahrt nach München (1. Klasse) zu bezahlen, sodann eine Übernachtung im Hotel, vier Taxifahrten, bis mein Assistent endlich vor dem ‚Tantris‘ angelangt wäre. Er hätte seinen „dunklen Anzug“ getragen, und seine Eintrittskarte vorgezeigt, die pro Person 750 Euro kostete (eingeladen waren nur einige VIPs, Köche und Kleinkünstler), um schließlich im schönsten der modernen Gourmettempel das zu erleben, was auch für mich nicht alltäglich war.

Vierzig Jahre Tantris feierte die Familie Eichbauer, der diese Wiege der deutschen Spitzengastronomie gehört, zu­sam­men mit ihren Starköchen Witzigmann, Winkler und Hans Haas, sowie fast 300 Gästen, die zum Teil schon bei der Premiere dabei waren. Aber auch jüngere Feinschmecker drängten sich im Foyer um den Champagner der Edelmarke Krug, bevor das achtgängige Menü serviert wurde. Gekocht hatten es die besten ihrer Zunft aus Frank­reich, Österreich, Italien, USA, die alle angereist waren, um dem renommierten Restaurant ihren Respekt zu erweisen und zu erleben, wie Deutschland auch in der Gastronomie Spitzenleistungen erbringt.

Ob meinem Assistenten jeder Gang geschmeckt hätte, ist schwer zu sagen. Auch weiß ich nicht, wie ihm der viele Wein bekommen wäre, und ob er danach (das Fest dauerte bis in die frühen Morgenstunden) überhaupt gut geschlafen hätte. Denn das schafft nicht jeder Amateur auf Anhieb. Einiger Jahre Übung bedarf es schon, um den schönsten Beruf der Welt zu ertragen. Aber hat man die erst mal hinter sich, dann gibt es kein Halten mehr. Dann möchte man sie jeden Tag feiern, die 10, 20, 30 und 40 Jahre des Bestehens unserer Top-Restaurants.

Ganz ehrlich: Hätte man mich vor 40 Jahren gefragt, ob sich hier vielleicht ein deutsches Gastronomie-Wunder anbahne, mit Köchen, die weltberühmt werden würden und mit einem Kochstil, so modern und elegant, dass er nach Frankreich den zweiten Platz in der kulinarischen Hitliste Europas einnehmen würde, ich hätte höflich abgewinkt. Um die heutige Wirklichkeit zu erahnen, hätte man mehr sein müssen als ein hungriger Hellseher, damals vor vierzig Jahren.

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  1. Marianne Lauber |

    Brillant! Warum ist in Deutschland mit der deutlichen Zunahme der besternten Häuser und Platz zwei nach Frankreich in der kulinarischen Hitliste, nicht auch in den 40 Jahren die Quantität der qualitativ hochwertigen Gourmet-Journalisten mitgewachsen?
    Machen Sie bitte weiter! Viele Ihrer Qualität hat das Land der Dichter und Denker im diesem Bereich nicht hervor gebrach!

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