COCKTAIL FÜR TALLULA

Das waren noch Zeiten, als einem zum Willkommen vom Hausherrn ein Martini Cocktail in die Hand gedrückt wurde! Das Glas war konisch: unten spitz, oben breit.

Sein Inhalt bestand aus Gin (80 Prozent) und Vermouth (20 Prozent). Außerdem befand sich im Glas noch ein Zahnstocher mit einer grünen Olive am Ende. Die beiden Flüssigkeiten wurden vorher gründlich geschüttelt oder gerührt und danach spektakulär durch ein spezielles Sieb abgegossen.

Spielte die Szene in einer Bar, hockte dort unvermeidlich eine langbeinige Blondine. Im Privathaushalt macht sich der Gastgeber die Mühe, seine Gäste mit dem beliebtesten Cocktail seit Colin Powell und Tallulah Bankhead zu begrüßen. Den darf er nach eigenem Rezept mixen und aus dem Glaskrug einschenken.

Er ist völlig aus der Mode gekommen, dieser Martini Cocktail. Dennoch empfehle ich ihn anstelle des modischen Glases Champagner. Er hat die Kraft, auch den muffeligsten Gast in Sekundenschnelle in eine Stimmungskanone zu verwandeln. Und wenn es ein Cocktail nicht schafft, dann eben zwei.

Warum das obligate Glas Champagner längst nicht so zuverlässig wirkt, soll nicht verschwiegen werden.

Erstens wird es sich fast nie um einen extrem teuren Jahrgangschampagner aus gutem Haus handeln, sondern um Sekt.

Gegen einen guten Winzersekt ist seit geraumer Zeit nichts einzuwenden. Er hat eine Qualitätsstufe erreicht, die einem französischen Champagner nicht nachsteht. Aber ein verwöhnter Gourmet wird trotzdem einen Unterschied bemerken. Außerdem heißen die Symbole für Spitzenqualität und Luxus Krug oder Roederer Cristall.

Hinzu kommt, dass ein mittelmäßiger Schaumwein die Zeit vor dem Essen ziemlich lang erscheinen lassen kann. Man steht herum, der Sekt im Glas wird warm, auf die Stimmung hat er wenig Einfluss. Die oft zu starke Kohlensäure bläht den Magen, bevor der überhaupt etwas zu tun bekommt. Das alles ist nicht der ideale Auftakt für einen geselligen Abend. Deshalb lieber ein hochprozentiger Cocktail: Runter damit, und die Lichter gehen an.

2 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Martin I. |

    Sehr schöner Beitrag. Ich kenne den Martini als Apéritif von altmodischen amerikanischen Steakhäusern und erfreue mich regelmäßig daran. Martini vorneweg, ein halbes Dutzend Austern oder einen Wedge Salad, dann ein gutes Stück Fleisch. Das macht Freude, auch wenn es nicht sehr zeitgemäß ist.

    Aber in der Spitzengastronomie bin ich doch weiter für den Champagner als Apéritif – der ist geschmacklich subtiler und auch seine Wirkung lässt mehr Raum für die kommende Weinbegleitung.

  2. David |

    Herzlichen Dank für diesen wunderschönen Beitrag – ich bin ein bekennender Martini-Liebhaber; nebst des Geschmacks vor allem wegen der o.g. „belebenden“ Wirkung bei drögen Gästen – ein richtiges Wundermittel.
    Selbstverständlich darf es nur guter Gin sein, oder, für die Zartbesaiteten, auch gerne mal Vodka statt Gin.

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