Diversität

Wenn über ein Thema wie Diversität diskutiert wird, bedeutet das nichts anderes, als dass die Vielfalt in Gefahr ist. Das Problem der Vielfalt ist nicht unbekannt. Dieser Gegenbegriff von Vermassung hat schon Ortega y Gasset zu frühem Ruhm verholfen. Dabei ist gar nicht ausgemacht, dass Diversität unmittelbar mit Vermassung zu tun hat.

Vielfalt existiert auch in einer Massengesellschaft. Man nehme nur die Eier auf dem Frühstückstisch. Sie stammen aus Massenkäfigen für Hühner, welche in Massen gezüchtet werden, für das Frühstück von Menschen welche der Massengesellschaft angehören.

Und die streiten sich darüber, wer ein weißes Ei essen darf und wer ein braunes. Die sich da streiten, das sind Kinder, mit allen Anzeichen der Vielfalt. Blond, braun, rot die einen; weiße Haut, gelbe, oder braune Haut die anderen, gerade Zähne, krumme Zähne, mit Anlagen zum Wunderkind oder strohdumm. An diesem Frühstückstisch herrscht Diversität.

Trotzdem kann es sein, dass an diesem Frühstückstisch die Erwachsenen, welche mit am Tisch sitzen, sich in diesem Moment große Sorgen machen, weil die Biodiversität dabei ist, zu verschwinden.

Das Ganze nennt man ein intellektuelles Klima.

In einem intellektuellen Klima machen sich die Menschen Gedanken über alles, was verschwindet. Die Jugend, die Haare, die Tugend, die Sehkraft, der Glaube an Gerechtigkeit; Parteien verschwinden, Ver mögen lösen sich in Luft auf, die Luft verschwindet ebenfalls. Über all das, wie gesagt, wird von Intellektuellen diskutiert. Und über die Biodiversität.

Wie immer bei Diskussionen gibt es zwei konträre Lager. Da sind jene, denen an der Diversität nichts liegt. Das sind die weltumspannenden Konzerne, welche wünschen, dass auf der ganzen Welt keine Vielfalt mehr herrscht. Überall die gleichen Songs, überall die gleichen Turnschuhe. Was der globalisierte Konsument in die Hand nimmt, was er in den Mund steckt und womit er totgeschossen wird, alles trägt die gleichen Firmennamen: Nike, Nestlé, Haliburton, Sony, Siemens, Coca Cola. Die Befürworter dieser Gleichförmigkeit halten sich für modern.

Dem anderen Lager wird bei dieser Vorstellung ganz plümerant. In ihren Ohren dröhnt noch der Gleichschritt von marschierenden Kolonnen. Sie erinnern sich an gleiche Kleidungsstücke aus dem gleichen Stoff, an den völlig identischen Geschmack der Brote, an die gleiche Meinung der Presse. Deshalb fürchten sie das Einheitliche und kämpfen für vielfältige Gedanken sowie um das Bewahren der Unterschiede. Bei den Menschen wie auch bei den Tieren, bei den Pflanzen ebenso wie bei den produzierten Dingen.

Die Idee der Vielfalt stammt von einem Typen namens Noah. Er war es, dessen Verstand ihm sagte, dass er von jeder Sorte Lebewesen zwei mitnehmen müsse in sein Rettungsboot, damit die von Gott geschaffene Vielfalt erhalten bleibe.

Also nicht nur eine Sorte Mäuse, wie es die Katzenlobby gern hätte, sondern auch Fledermäuse und Kirchenmäuse. die sich wiederum in arme in reiche unterteilen. Letztere werden ebenso gebraucht wie die verschiedenen Maissorten von Kleinbauern, nicht nur eine weltweit verbreitete, patentierte Sorte der Firma Monsanto.

Diese Firma – und ein paar andere mit ähnlichen Absichten – bekämpfen die Diversität  wie ein Kammerjäger Insekten mit DDT ausrottet. Beide arbeiten wirksam, sehr wirksam sogar. Wenn man sie gewähren lässt, gibt es bald nur noch eine Sorte Flöhe, nämlich Zirkusflöhe, welche Kutschen ziehen können und sonst nichts.

Nicht anders verhält es sich mit dem patentierten Mais der Firma Monsanto. Obwohl er weder besser schmeckt, noch besser aussieht als die bisher existierenden Maissorten, wird diese furchtbare Pflanze, die ausschließlich zur Fütterung von massengezüchteten Schweinen, Kühen und Hühnern angepflanzt wird, und deshalb auch nicht attraktiver wirkt als Zirkusflöhe, wird Monsanto-Mais, der selbstverständlich durch künstliche Gene verändert ist (damit er patentwürdig werde), eines Tages alle anderen Maissorten verdrängen, sei es durch ungewollte Mutationen oder durch den sehr wohl gewollten Monopolanspruch des Herstellers.

Das gleiche Schicksal droht dem Weizen (sobald er patentiert ist), der Bohne (die dann nur noch Soja heißen darf) und letzten Endes den Rindern und Schweinen.

Was das Verschwinden der Biodiversität in unseren Küchen anrichtet, muss ich hier nicht wiederholen. Das zähe und wässerige Fleisch aus der Schnellmastanstalt gehört längst zu den Heimsuchungen jeder kochenden Hausfrau und jedes Hobbykochs. Wir sind informiert genug, um zu wissen, aus welchen armseligen Kinderstuben die Tiere stammen, die uns am Ende als Nahrung verkauft werden. Wir wissen auch, wie unwürdig sie leben, bevor sie erbarmungslos abgemurkst werden. Einige von uns erkennen sogar, wer daran die Schuld hat: wir selber mit unserer Gier nach billigem Essen.

Aber trotz unserer Erkenntnis lenken wir unsere Autos nicht auf eine Bergwiese mit ihren abertausend diversen Arten von Pflanzen, Blumen und Kleinlebewesen, sondern dorthin, wo Fabrikverkauf zu ermäßigten Preisen die Konsumenten lockt wie die Venusfalle die Fliegen. Dort kaufen wir dann Kleidungsstücke, die in millionenfacher Zahl maschinell angefertigt werden. Deshalb dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir eines Tages selber in millionenfacher Zahl maschinell angefertigt werden. Davor kann uns nur die Biodiversität schützen.

Und, natürlich, der Gebrauch unsers  Verstandes.

 

7 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. dave |

    Schöner Artikel.
    Doch ist es für die „normal-verdienende“ Bevölkerung mitlerweile schwierig sich von den günstigeren Produkten fern zu halten und Fleisch im Bioladen zu kaufen oder milch beim bauern zu holen(wenn er denn nicht gleich um die ecke ist). Daher müssen eher Wege gefunden werden, durch die die Verbraucher vor Ware minderer Qualität geschützt werden. Oder es werden zB Betriebe gefördert, welche biologisch wertvolle Lebensmittel anbieten(vielleicht ist das schon der Fall?, ich weiß es ehrlich nicht).

    • Autor |

      Das Problem sind nicht fehlende Instanzen, die dem Konsumenten die Richtung weisen, auch nicht mangelhafte Gesetze, die ihn vor dem Schund schützen.
      Das Problem ist das nach wie vor falsche Bewusstsein der Konsumenten. Sie haben andere Prioritäten. Ihnen ist Lebensqualität nicht das vor dem Schlachthof gerettete Schwein, nicht das Bauernhuhn, sondern die Fernreise an ein Meer. Deswegen sparen sie beim Einkauf im Supermarkt, deshalb begnügen sie sich mit minderer Qualität.
      Die Umwälzungen, um die es hier geht, fangen im Kopf an. Bei jedem Einzelnen.

      Herzlich Ihr WS

      • Bücherfloh |

        Wenn eine Fernreise überhaupt möglich wäre …
        Ich gehöre aktuell zu der Sorte Menschen, die weder Geld für wirklich gutes Essen (außer es ist tatsächlich nicht so teuer), noch für Reisen, noch für ein Auto, Benzin oder Ausgehen übrig haben. Allerdings esse ich entsprechend wenig Fleisch und kaufe mir lieber mal Obst und Gemüse vom Markt oder dem „Türken“ von nebenan. Das meiste muss allerdings leider vom Discounter kommen. Anders komme ich nicht über die Runden und ich spare wirklich schon an allem – unfreiwillig.
        Ich arbeite daran, dass es bessere Zeiten gibt, aber solange die noch nicht da sind, bleibt mir nichts anderes über.

  2. fressack |

    Solange der Bürger lieber für einen Liter Motoröl 30 € ausgibt, als diesen Preis für sein Olivenöl zu bezahlen, stattdessen lieber die Plörre aus dem 4-Buchstaben-Discounter an sein Essen schüttet – und noch mit seiner schlauen Schnäppchenmentalität prahlt -, wird sich nichts ändern. Diese Bürger verdienen ihr Gammelfleisch für 1.99/kg.

  3. ueber-land |

    Ich gebe Ihnen recht, dass GVO, Massentierhaltung etc. in die völlig falsche Richtung führen. Aber: Es tut sich auch Gegenteiliges wie z. B. der Urteilsspruch betreffend Honig mit GVO, der gegen MONsanto ausging. Wo der Eugh dem „kleinen bayerischen Imker“ recht gab. Oder der absolute Trend hin zum regionalen Lebensmittel (zumindest in Ö). Und ich kenne viele meiner Bekannten, die durchaus bereit sind, mehr für Lebensmittel auszugeben, wenn diese eine höhere Qualität haben. Aber: Es gibt auch bei uns immer mehr Menschen, die jeden Euro beim Einkauf umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben.
    Mit der hochmütigen Aussage meines Vorposters, dass Bürger nichts anderes als Gammelfleisch verdienten, kommt man allerdings nicht weiter. Einzig Information, Aufklärung und das Schmecken-Lernen – und das schon von Kinderbeinen an, können den Wert des Lebensmittels wieder steigern und ihm den Stellenwert zurückgeben, den es (vielleicht) einmal hatte. lg über-land

  4. Franz Josef Pfisterer |

    Genuss

    du hast zwei Moeglichkeiten: Genuss kaufen, oder Genuss herstellen.

    Mit kleinem Budget musst du es herstellen.

    Was kostet ein Kalbskopf? Nichts.
    Was kostet ein Lammmagen? Nichts.

    Das geht zumindest in einem Bayerischen Dorf.

    Aber fuerchten darfst du dich nicht.

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