Niemand stellt die Spitzenstellung der deutschen Köche auf dem internationalen Parcours in Frage. Die anderen haben uns herausgefordert, wir haben den Küchenhandschuh aufgenommen und uns zum Wettbewerb gestellt. Das Ergebnis ist ein ruhmreicher zweiter Platz nach den Franzosen (unvermeidlich, da die Jury überwiegend mit Franzosen oder mit frankophonen Gourmets besetzt ist.)
Aber egal ob beim Sieger, beim zweiten Preisträger oder sonstigen Stern-Restaurants – die Bewertung betrifft immer ein Restaurant als Ganzes. Welches in Wahrheit keine Einheit bildet, sondern in zwei Hälften geteilt ist. Neben dem kreativen Küchenchef, der stolz auf seine mit Brennnessel gefüllte Hummerscheren verweist, arbeitet in einer eigenen, kleinen Küche der Patissier. Er ist nach deutschem Sprachgebrauch der Konditor, der Chocolatier, der Kuchenbäcker.
Kuchenbacken, das klingt im besten Fall bodenständig, nämlich regional und anspruchslos. Davon kann bei den Patissiers unserer Spitzenrestaurant keine Rede sein. Sie bewältigen die Herausforderungen der modernen Kochkunst mit einem Elan und einer Kreativität, die den prominenten Hummerscherenstopfern in Nichts nachsteht. Erst die Perfektion ihrer Technik, die Originalität ihrer Erfindungen und die verblüffende Exotik ihrer Schöpfungen – welche keineswegs exotisch sein muss – kann die Großkritiker der Branche dazu bringen, den Lorbeer über ein Restaurant auszuschütten. Ohne einen genialen Patissier wird kein Küchenchef, und sei er noch so kreativ, einen 1. Preis gewinnen.
Man muss sich nur vorstellen, von wo aus unsere Pralinenkocher gestartet sind! Ich erinnere mich an das einzige, anspruchsvolle Restaurant in Essen, das Ende der sechziger Jahre als Dessert „Dicke Milch mit Zucker und Zimt“ anbot. Diese ursprünglich bäuerische Nachspeise war damals eine avantgardistische Provokation, weil sie eine versunkene Kulinarik beschwor, so wie sie es heute wieder sein würde, weil dazu Rohmilch direkt von der Kuh benötigt wird, die heute nicht nur rarer ist als vor einem halben Jahrhundert, sondern sogar schlicht verboten.
Außerdem würden unsere ambitionierten Patissiers die Schlichtheit der Dickmilch als zu primitiv für ihr Kunstempfinden betrachten. Denn inzwischen sind nicht nur fünfzig Jahre vergangen, sondern es setzte sich eine Phalanx von Konditoren zu einem süßen Marathon in Bewegung, der mit dem Kalten Hund begann, über Milchreis mit Ananas und Rosinen führte, die Crepe Suzette und verschiedene Palatschinken eroberte, die Valrhonaschokolade entdeckte und schließlich raffinierte Desserts kreierte, welche anfangs noch wie Bastelarbeiten aus der Kunstgewerbeschule wirkten, sich aber unter den Händen einiger Großtalente zu veritablen Kunstwerken entwickelten, deren Erfinder den prominenten Starköchen gleichrangig waren.
Dieser Drang der Konditoren zum süßen Kunstwerk veränderte nicht nur die Küchen der Gourmet-Restaurants, er sorgte auch für das Entstehen eines neuen Berufes. Die Chocolatiers erkannten, dass ihr Material, die Schokolade, zu viel mehr taugte als Schulkinder mit Vollmilch Riegeln zu beglücken. Sie entdeckten die Vielfalt der Kakaobohnen, die sie den Konsumenten ähnlich prätentiös in edler Verpackung präsentierten, wie es bei Olivenölproduzenten längst üblich war.
Nicht nur in den Städten, sogar in unseren Dörfern findet man heute spezielle „Genusswerkstätten“, wo Schokokünstler der Kundschaft beweisen, dass kein Produkt vor der Umwandlung in ein Kunstwerk geschützt ist, wenn nur genügend freischwebende Kreativität zur Verfügung steht. Was in der Gastronomie bekanntlich häufiger der Fall ist als in anderen schöpferischen Bereichen.
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habe grade im 1- Sterne Restaurant ausser 2 Desserts noch eine Etagere mit 13!!
petit fours genossen , welche die Verdauungsorgane immens unter Stress setzten , aber
wie so oft die Patisserie als der Gipfel der Völlerei erscheinen lassen :-))
Also, ich hole mir regelmäßig meine Kuhrohmilch vom
Bioland Bauernhof.
Lediglich ein Hinweis, die Milch vor dem Verzehr abzukochen, ist
dem Konsumenten mitzuteilen.
Für den Käse ab Hof gilt die Vorschrift, nur Käse am Stück
verkaufen zu dürfen, nicht aber in Scheiben geschnitten.
Ich wohne wie Sie, in Baden Württemberg.
Schöne Grüße von einem Ihrer langjährigen „Sympathiesanten“
Ich liebe die Frischpraline.
Die Gourmetwelle hat inzwischen auch die Süßwaren erreicht.
Was in manchen Ländern eine vertraute Selbstverständlichkeit ist, hat sich auch in Deutschland durchgesetzt.
Frische Pralinen schmecken wesentlich feiner, als die Fabrikpralinen, die auf lange Haltbarkeit programmiert werden.
Meist wird die süße Köstlichkeit nach der Schönheit des Geschenkkartons ausgewählt, weniger jedoch nach der Feinheit des Geschmacks und der Qualität und Frische der Grundprodukte.
Es lebe der Patissier!