KLEINES SOMMERFEST

Otto Fehrenbacher hatte Grund zu feiern. Er, und damit sein Hotel-Restaurant „Adler“ in Lahr-Reichenbach, ist in die Gruppe der Gourmet-Residenzen ‚L’Art de Vivre‘ aufgenommen worden.

Gleichzeitig ist der „Adler“ 150 Jahre im Familienbesitz. Das war ein weiterer Grund. Also lud er Kollegen und Gäste zu einer Feier. Sie war festlich, locker und verlief in jener Atmosphäre, wie sie typisch ist für ein Zusammentreffen genussgläubiger Gourmets. Es herrschte eine fast intime Vertrautheit, was auf das vorherrschende Gesprächsthema zurückzuführen war. Es geht solchen Menschen immer zuerst um das genussvolle Leben. Darüber können sie reden und reden, dass man sich nach Bayreuth versetzt fühlt, wo in den Pausen auch nur ein Leitmotiv zu hören ist: die Tagesform des Tenors, die Kiekser der Sopranistin und die Stabführung des Befrackten. Deshalb ist eine Gourmet-Party so friedlich und harmonisch, geht es doch auch hier nur um die Blätterteighaube der vorzüglichen Adler-Fischsuppe oder den Trüffelpreis. Darüber räsoniert man im Stehen beim Champagner.

Da auch die Tücken der Mehrwertsteuer hier und da erwähnt wurden, war es klug, die musikalischen Mitglieder der Familie Fehrenbacher zu aktivieren. Erstaunlicherweise gibt es davon so viele, dass sie auch eine Konzerthalle betreiben könnten. Während die Menge summend in den Speisesaal schlenderte und ihre Plätze aufsuchte, erprobte das Küchenteam unter Daniel F., dem Sohn, eine zeitgemäße Sicherheitsmaßnahme: Wie ein Kirchenmann schon mal seine Werkstatt mit Knoblauch vor Vampiren schützt, schickte Daniel zuerst einmal ein „Rindertartar mit Senfeis“ in den Saal, um eventuelle Vegetarier zu vertreiben. Es waren aber keine da; was nicht überrascht, wenn Gourmets zusammenkommen.

So wurde der 2. Gang, die „Jakobsmuschel und Gänseleber im Spinatblatt „, diskussionslos, wenn auch mit fröhlichem Geschnatter, konsumiert. Ich war erstaunt, wie viele ältere Menschen im „Adler“ lustig feierten, wobei es keine Rolle spielte, ob es sich um Mappus-Anhänger oder Freunde des Grünen Ministerpräsidenten handelte. Dabei hätte der Anta­gonismus beim 3. Gang ausbrechen können, weil manche Feinschmecker die (berechtigte) Frage stellten, ob es nötig sei, dünne haricots verts vor dem Kochen noch einmal der Länge nach zu halbieren. Da aber der Steinbutt im Mittelpunkt stand, und der 4. Gang schon reingetragen wurde, konnte das delikate „Rei­chenbacher Rehfilet mit Feigen, Steinpilzen und Haselnuss-Kouskousi“ sein ganzes Versöhnungspotential ausspielen und friedlich zum „Vordessert“ überleiten, wonach ich von Frau Höhler zum Aufbruch bewogen wurde, welche laut ‚Spiegel‘ festgestellt hatte, dass Zucker träge und friedlich macht. Und: Wer friedlich ist, hat schon verloren.

Das wollte ich auf keinen Fall, deshalb verzichtete ich auf die „Johannisbeertarte und Milchcreme“ und machte mich auf den Heimweg.

(Otto Fehrenbacher, Hotel-Restaurant Adler, Reichenbacher Hauptstr. 18, 77933 Lahr; T: 07821-90.63.90; DI geschl.)

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