In Deutschland existiert eine Kategorie der Gastronomie, die von vielen nicht wahrgenommen wird, von vielen anderen aber als das Ideal einer genussvollen Freizeit angesehen wird. Gemeint ist die landgestützte Kreuzfahrtgastronomie.

Die muss man sich vorstellen wie einen Kreuzfahrtdampfer auf einer Waldwiese. Also ein riesiges Hotel, gebaut an einer Stelle, wo eigentlich nicht gebaut werden dürfte, mit endlosen Reihen von Zimmern mit Balkon, Sonnenterrassen mit Liegestühlen an einem oder zwei Pools – es können auch drei sein – ungezählte Quadratmeter Wellnessbereiche, sowie mehrere Restaurants.

Zusätzlich verfügen solche Kreuzfahr-Hotels über jede Menge Boutiquen, wo die Gäste alle notwendigen Produkte der Luxusindustrie einschließlich alpiner Trachten kaufen können. Gleich daneben befinden sich naturholzgetäfelte „Bauernstuben“ oder „Scheunen“, damit den Dirndl-Trägerinnen ein zur Kleidung passendes Ambiente zur Verfügung steht. Die Eingangshallen präsentieren sich mit der Prachtentfaltung eines New Yorker Fünfsterne-Hotels. Diese Hotels sind Inseln des Komforts und des Luxus; man findet sie in Deutschland überall.

Wer jetzt an die beiden Flagschiffe in Baiersbronn denkt, an die Gastronomen Bareiss und Finkbeiner, der hat ganz knapp daneben gezielt. Auch bei ihnen mag für die Bilanz die Zahl der Pools entscheidend sein, aber ihre Bedeutung verdanken beide Adressen allein den kulinarischen Anstrengungen ihrer Küchenchefs, welche, das ist anzuerkennen, von den Hausherren bei jeder Gelegenheit unterstützt werden.

Es bleiben noch genügend andere Adressen von der Nordsee bis Oberbayern, deren Parkplätze ständig mit Autos der oberen Mittelklasse belegt sind. Das heißt: hier relaxed die wohlhabende Mittelschicht. Und da diese Schicht sehr groß ist, geht es den Kreuzfahrhotels sehr gut.

Die erwähnten anderen, die an diesen Oasen der Gastlichkeit vorbeifahren, ohne nach rechts oder links zu gucken, haben etwas gegen Kreuzfahrten, gegen gemeinschaftliches Essen, gegen Wiederholungen, gegen Urlaubsbekanntschaften und sie teilen auch nicht die Begeisterung der Nachbarn am gemeinschaftlichen Freizeitspaß. Außerdem sind sie gegen den immergleichen Stil einer Routineküche.

Glücklicherweise ist unsere Gastronomie groß genug, um beiden Gruppen Gelegenheit zum Zeittotschlag zu bieten.

Ehrlich gesagt, gehöre ich eher der zweiten Gruppe an. Und so war es zufällig, dass ich mich eines Mittags aufmachte, um mein Glück im Hotel Dollenberg in Bad Peterstal im Schwarzwald zu versuchen. Das ist ein Hotel wie oben beschrieben und besitzt für seine Gourmet-Küche 2 Michelinsterne. Zwar wusste ich, dass diese nur abends geöffnet ist, aber da war noch die Bauernstube. Und da in einem solchen durchorganisierten Großbetrieb die eine Küche mit der anderen zusammenarbeiten muss, versprach ich mir auch von der schlichteren Stube ein wohlfeiles Mittagsmahl. Das gibt es dort tatsächlich. Nicht mehr als 29 Euro kostet es, und auch die zahlreichen Einzelgerichte reichen nicht über 26 Euro hinaus. In dem besternten Restaurant hingegen, dessen ausgestellte Speisekarte man studieren kann, waren 40 Dukaten schnell erreicht, wenn es dicke Rindersteaks oder eine Seezunge sein sollten.

Die Bauernstube hat eine Verlängerung auf eine große Terrasse. Die war fast bis auf den letzten Platz besetzt. Logisch, dachte ich, wenn man abends fein und teuer im Gourmet-Saal speisen will, sitzt man mittags gern im Polohemd unterm Sonnenschirm. Obwohl die Reling, einen halben Meter hinter den Gästen der ersten Reihe, gerade frisch gestrichen wurde. Während des Service‘, wohlgemerkt! Vielleicht sollte damit die Aura eines Hochseefrachters beschworen werden, auf dem die Matrosen auch bei jedem Wellengang und zu jeder Tageszeit mit Farbe und Pinsel die Roststellen des Seelenverkäufers übermalen müssen.

Nun ist das Hotel Dollenberg kein Seelenverkäufer. Hier verkauft man Schwarzwaldromantik und die Illusion, zur Oberschicht zu gehören.  Zudem war das kleine Billigmenü durchaus essbar, wenn man von dem Schicksal des Zanderfilets absieht, auch im Schwarzwald als salz- und geschmackloser Fremdfisch die Rolle der deutschen Regionalküche übernehmen zu müssen. Aber vorher fand ich in meiner Kartoffelcremesuppe ein – oder waren es zwei? – pochierte Wachteleier, die waren a point gegart. Was bei den kleinen Dingern nie ganz einfach ist. Und auch das Marilleneis zu Dessert besaß ein intensives Aroma, wie man es sonst nur bei Staudt’s Konfitüren findet. Also gab es wenig zu meckern. Das Haar in der Suppe fand Barbara, und es war keine Suppe, sondern ein Fischfilet mit Bratkartoffeln, welches ihr jedoch nicht berechnet wurde, nach dem die Kellnerin es bedauernd zur Kenntnis nahm.

Dennoch verließen wir das feine Etablissement nicht in Hochstimmung. Das lag nicht am fehlenden Kalbsbries oder den fehlenden Eigentümlichkeiten, die man Stil zu nennen pflegt, wovon ich auf den Speisekarten keine Spur entdeckte, sondern eher daran, dass ich eine Landratte bin und mich auf hoher See nicht so wohl fühle.

Wie eingangs betont: es gibt zwei verschiedene Sorten von Gästen…..

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