STRASBOURG

Frau HoffmannAuf der Liste der abscheulichen Städte begrüßen wir ein neues, lang erwartetes Mitglied. Darunter ist zu verstehen, was man als Tourismus Magnet bezeichnet, nämlich ein Anziehungspunkt für Busreisende, Tagestourismus, Rentnerhorden, alle Kunden von Apple, Nokia und Samsung, kurzum die Softwarefetischisten, die Massenknipser und Müllhinterlasser, welche dafür sorgen, dass alle Städte, deren Betreten Ekel und Ekzeme hervorrufen wie Venedig, Florenz, Saint Tropez, von sensiblen Zeitgenossen für die Vorhölle gehalten werden, die sie in diesem Leben nie mehr betreten wollen. Dieser Liste hat sich Strasbourg angeschlossen.
Was immer man sehen möchte, wird gleichzeitig von anderen Besuchern besichtigt, wobei es keine Rolle spielt, ob die Neugierigen ihre Selfies vor mittelalterlichen Madonnen schießen oder vor rassistischen Pamphleten.
Sofern sie auswärtige Besucher mit eigenen Auto sind, stecken sie irgendwo zwischen Kehl und Illkirch im Stau und werden korrekterweise durch Leuchtanzeigen darauf hingewiesen, dass die Parkplätze A, B und C ausgebucht sind. Es gehört zu den Besonderheiten der Stadt, dass derartige Hinweise nie­ korrekt sind, und auch alle anderen öffentlichen Hinweise nur zur Verwirrung der Besucher beitragen.
So sind beispielsweise hungrige Konsumenten, die es nicht schaffen, zur nächsten Pizzabude vorzudringen, auf Supermärkte angewiesen, da es in der ganzen Stadt kein privat geführtes Fischgeschäft mehr gibt. Auch die Zahl der Metzger, bei denen eine Chance besteht, frisch geschlachtetes Fleisch und Geflügel oder gar Innereien zu finden, ist auf zwei geschrumpft. Man könnte sagen, die Stadt hat die Mas­senkultur Nordkoreas übernommen wie unsere Veganer.
So wundert es nicht, dass von den nie sehr zahlreichen Feinschmecker-Restaurants der Stadt nichts mehr übrig ist als Berge von Sauerkraut, gekrönt von kilometerlangen Würsten, die den Charme der Elsässischen Küche ausmachten, als sie noch in Handarbeit gefertigt wurde.
Unter solchen Umständen kann nicht einmal die neue Brasserie für Aufsehen sorgen, welche von zwei Pariser Architekten (Patrick Jouin und Sanjit Manku) gebaut wurde, wofür sie in London bei einem Architektur-Wettbewerb den 1. Preis bekamen, und obwohl der Bauherr Marc Haeberlin ist, der formidable Starkoch der Auberge de l’Ill in Illhaeusern!
In feudalen Zeiten war der Gebäudekomplex ein fürstlicher Pferdestall, („Les Haras“,) später dann eine Klinik, und das ganze Ensemble wird beherrscht von einer bizarren, Aufsehen erregenden spiralförmigen Treppe aus Holz und dickem Leder, welche das Thema Pferdestall verspielt aufnimmt. (Lift ist vorhanden).
Aber auch im Parterre sitzen Gäste und bei schönem Wetter im gepflegten Garten. Ortskundigen, die keine Schwierig­kei­ten haben, die preisgekrönte Brasserie zu finden, steht sogar ein Fahrerservice zur Verfügung, da sich nebenan hinter den gewaltigen Mauern unter dem gleichen Namen ein moder­nes Hotel verbirgt. Das steht zwar nicht unter Haeberlins Verwaltung, ist aber neben der noblen Adresse und der Haeberlinschen Weinkarte nicht zu unterschätzen.
(Les HARAS, 23 rue des Glacières, 67000 Strasbourg, Tel: 0033-0388.24.00.­00)

3 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. oliver schuster |

    die brasserie, ein apres-Auberge d ill parfait;schoen waere noch wenn der patissier das klassische jamais deux sans trois beherzigen koennte… so zumindest mein eindruck nach lesen der karte -ein ( oder gar zwei) aroma zuviel entspricht nur einer beliebigen mode, selbst in den meisten sterne-kuechen mittlerweile zuhause. ( vor allem g. michelin koennte um vieles duenner sein)
    seinerzeit – in den anfangszeiten des“ vaut le voyage“ war reisen ein privileg,autos selten ,
    und kreuzfahrten nicht konsum (etwas ,das beworben bzw. animiert werden muss).
    heute kommen sogar schiffe aus den baltischen staaten fuer einen tages-landgang (zum einkaufen) nach hamburg,so dass aehnlich barcelona der frachthafen nur noch kulisse
    fuer die kreuzfahrer abgibt.
    ein Mensch ( mann /frau)von welt weiss was er will-er nimmt ein taxi vom bahnhof strasbourg
    zur brasserie oder zur auberge,kauft was er braucht gezielt beim schneider,vitualienhaendler,und winzer, laesst sich den rest zusenden;
    und conditio sine qua non lebt in den viktualischen zentren europas,sofern er selbst kocht :
    suedwestliches mitteleuropa (rheinebene),italien,le midi, aquitaine,charente,spanien.

  2. Michael Fass |

    Strasbourg, so mein Eindruck des letzten Besuches, ist vom Zeitgeist besessen. Die Weinstuben bieten Massenware (ein/zwei Ausnahmen mag es geben), die Restaurants kochen, was man als „modern“ bezeichnet. Feinkost Kirn hat sich um 50% der Fläche verkleinert, bei Frick Lutz (Metzgerei) ist auch Samstag um 11:00 Uhr keine Wartezeit zu befürchten. Die deutschen Modefresser sind weg, Frankreich kauft im Supermarkt fettreduzierte Produkte.

    Ist jetzt jammern angesagt? Ein wenig, bitte aber hinter verschlossenen Türen. Wichtiger ist es die Meinung zu sagen, sich gegenüber den Gastronomen, Feinkostlern, Metzgern (sofern es sie noch gibt!) deutlich zu äußern. Texturell interessant soll es sein, wenn eine Tafel Schokolade unter der Gänsestopfleberterrine platziert wird. Geschmacklich neue Welten sollen sich auf tun, wenn drei Soßentropfen einen Stein aus der Ill begleiten auf dem 15 Gramm Fisch angerichtet sind. In 99 Prozent der Fälle ist es ausschließlich der Preis, der sich neu definiert.

    Ist es uns Schmackofatz-Essern schon aufgefallen,dass es in den Restaurants nicht mehr duftet? Wer macht noch einen Jus, wer brät noch an. Sur vide und Salz, das Röstaroma hervorbringt – das soll es sein. Deutliche Worte, wie sie einst Wolfram Siebeck in den 70ern des letzten Jahrhunderts formulierte müssen wieder her.

    • oliver schuster |

      vor allem der duft fehlt tatsaechlich; die zunge unterscheidet ja nicht viel,aber die nase,;bis 2009 hatte ich noch einen stammkoch,dessen zubereitete speisen schon in der kuechenangel ihren duft verbreiteten-er kam aus ecuador, dort weiss man anscheinend noch wie gute grundprodukte sein muessen…

Schreibe einen Kommentar