EUROPA 2

Es ist nicht einfach, ein  Grandhotel zu bauen, wenn in der Nachbarschaft ein sogenannter Freizeitpark rummelt. In einem gepflegten Stadtpark – oder neben dem Reichstag in Berlin – ist so etwas kein Problem. Da hat eine Luxusherberge keine Schwierigkeiten, als solche akzeptiert zu werden. Zu Beispiel in Las Vegas, das teuerste Spielerparadies der Welt (wie man mir sagt, der ich weder in Las Vegas noch in Macao war, noch sonstwo, wo Münzen scheppernd in Papp­becher fallen.)

Aber ein Grandhotel baut so leicht kein Mensch zwischen  zwei Achterbahnen und neben einem Knusperhäuschen deren Architekten die Gebrüder Grimm gewesen sein könnten; weshalb es hier an Wochenenden von Familien nur so wimmelt. In Wahrheit heißt der Architekt für all dies und noch mehr: Roland Mack. Er ist der Eigentümer des ungeheuer beliebte Europaparks in den Rheinauen bei Kehl am Rhein. Übrigens hat er als Nachbarn einen anderen Unternehmer von Weltruf, den Herrn Herrenknecht. Beide Männer haben ein Monopol. Der eine auf den erwähnten Freizeitpark, der andere auf seine Jumbo-Tunnelbohrer, Spitzenleistungen deutscher Ingenieurkunst und deutschen Erfindergeistes alle beide. Während jedoch der eine jeden Alpengipfel schneller untertunneln kann als andere Bohrer, baut der andere Grandhotels wie in Las Vegas. In einem früheren Bericht hatte ich schon angedeutet, dass es sich dabei um ein Hotel der Luxusklasse handelt, das den Benutzern der Karussells und Achterbahnen zu einer standesgemäßen Übernachtung Gelegenheit bietet.

Gäste, die vor dem Abendessen mal eben 15.000 Euro verspielen oder gewinnen (was im Hotel Bell Rock nicht möglich ist) haben verständlicherweise eine andere Vorstellung vom dem, was sie für standesgemäß halten. Vielleicht lassen sie sich die Zehennägel mit Blattgold beschichten oder bekommen in der Turmsuite innerhalb von einer Stunde neue Haare à la Berlusconi eingepflanzt.

Vielleicht haben sie auch exzentrische Essbedürfnisse, was sich auf der Speisekarte niederschlagen müsste, hoffe ich, während mich ein Hausdiener ins Gourmetrestaurant des Hotels führt. Es heißt Ammonit, so nennt man ägyptische Muschelversteinerungen, und das Restaurant wurde so benannt, weil Nach- und Abbildungen solcher Versteinerungen hier schon mal als Wandschmuck dienen.

Wie es in modernen Grandhotels üblich ist, spielen die verschiedensten Bauelemente eine den Raum bestimmende Rolle (Säulen, Spiegel und die unübersehbaren Effekte aus dem Katalog der Innenarchitektur.) Das summiert sich zu einer dekorativen Pracht, zu der auch Bogenfenster zählen, die den Blick frei geben auf eine vor den Fenster angelegte Wassergräben-Landschaft.

Der Kontrast zum populären, gerade mal 100 Meter entfernten Vergnügungspark, könnte nicht größer sein, wird mir bewusst, als mich die Farbe Lila trifft. Wo in anderen Grandhotels Thonetsessel um Esstische herum gruppiert sind (oder ausgemusterte Bentley-Sessel aus Conollyleder) stehen hier für die Gäste gewaltige Möbelstücke bereit, deren Samtpolster ein tiefes, eindrucksvolles Lila verstrahlt.

Farbpsychologen werden jetzt bedenklich die Köpfe wiegen. Lila ist schwierig, wissen sie. Der eine reagiert darauf wie der Mullah auf das sprichwörtliche grüne Tuch, das die CSU den Lehrerinnen verbieten will; andere regt die Farbe Lila zur Kontemplation an. Ich kam mir vor wie am Kardinalsstammtisch im Vatikan, als wir uns auf den samtigen Sesseln nieder ließen.

Die fromme Anmutung verging mir und meinen Tischgenossen sofort, als jedem von uns in einer krummen Schale (Am­monit?) eine weiße Tablette gereicht wurde. Während ich noch überlegte, ob ich sie herunterschlucken sollte, goss ein zweiter Kellner ein Kännchen heißes Wasser darüber aus.

Da geschah etwas Seltsames: Die angebliche Tablette reckte und streckte sich, bis sie wie ein fingerlanges, steifes Glied auf dem Ammoniten stand. Es war der aus Japan bekannte Waschlappen, den man vor den Mahlzeiten gerne benutzt, um sich die Finger zu reinigen. Man musste ihn nur auseinanderrollen, und der zweideutige Eindruck verschwand wie Frau Merkels Atomwende.

Ich beschreibe das deshalb so ausführlich, um andere Gastronomen zu warnen, die für ihr Gourmet-Restaurant nach einem ähnlichen Gag suchen. Es bringt nichts; ist zwar originell aber nicht sehr geschmackvoll. Obwohl – am Kardinalsstammtisch…?

Das Restaurant hat, wie es sich für ein Feinschmeckerlokal gehört, nicht mehr als 38 Plätze, welche mit durchsichtigen Vorhängen sehr effektvoll unterteilt sind, so dass Genießer beim Schlemmen unter sich bleiben können.

Unser Essen war genussvoll, zweifellos. Das ist zu erwarten in einem Milieu, wo mit so großem Aufwand und solchem Ehr­geiz das gute Leben inszeniert wird. Die Produkte waren tadellos, der Service fast perfekt. Die Küche, welche erst zwei Monate in Betrieb ist, hat keine Schwierigkeiten, ein hohes Niveau zu erreichen und zu halten. Mehr kann man zur Zeit nicht erwarten. Entweder das Team pendelt sich durch Routine bei jener hohen Leistungsstufe ein, die in dieser Kategorie unserer Gastronomie schon fast normal ist, oder dem Küchenchef gelingt durch plötzliche Intuition ein Sprung nach vorne, der ihn in die Sternenklasse katapultiert. Man wird sehen.

2 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. Jeeves |

    Das mit den passenden Farben auf Sitzmöbeln aller Art hat doch ein gewisser Herr von Bülow ein für alle Mal er- und geklärt, oder? Hier: http://bit.ly/r7LRd

  2. Gerhard Michelstadt |

    Guten Abend Herr Siebeck,
    ich war auch schon im Amolite und muss sagen klasse was da erschaffen wurde. Der Abend war rund um ein Genuß.
    Nicht so feudal, allerdings für mein Dafürhalten in Bezug Preis/Leistung das Gourmetlokal rund um Rust ist die Heckenrose in Ringhseim, kennen Sie dieses Haus? Mich würde Ihre Meinung interessieren.

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