KEDGEREE OR NOT

ARTE, der deutsch-französische Kulturkanal, ist der einzige Sender, der seine Zuschauer nicht durch primitive Main­streamsendungen beleidigt; jedenfalls versucht, es zu ver­meiden. Jetzt hat er die Berliner Köchin Sarah Wiener auf eine 10teilige Reise durch England geschickt, damit sie an Ort und Stelle über die angelsächsische Hausmannskost berichten kann, wie sie das vor einem Jahr schon einmal in der Provence getan hat. Wer sich noch an ihre burschikosen Versuche erinnert, mit denen sie – zusätzlich belastet durch messerschwingende Lehrlinge im Kindergartenalter – die Zuschauer und die beteiligten Kinder zu überzeugen versucht, dass alles, was wir essen, vorher getötet oder abgeschnitten werden muss, der wird auch diesen zehn Folgen mit großen Erwartungen entgegensehen. Wer sich jedoch in der englischen Hausmannskost auskennt, dem werden sich die Haare sträuben. Denn unsere Vorurteile gegenüber britischer Regionalküche existieren nach wie vor zu Recht.

Das aber schmälert den Genuss an den täglichen 30 Minuten Sarah Wiener keineswegs. Bislang war sie in Wales, Schottland und an der Ostküste, nicht gerade liebliche Orte von bukolischem Charme.

Aber das raue Klima und die sichtbar schwere Arbeit stehen ihr nicht schlecht. Wenn sie nach einer Nacht auf einem Fischkutter nur noch erschöpft sagen kann „Ich kann keine Fische mehr sehen“ oder nach einer Treibjagd auf Moorhühner (Grouse) auf die schmerzenden Stellen an ihren Armen und Schultern deutet und den Kameraschwenk auf die Strecke (15 tote Moorhühner) matt kommentiert mit: „Nur eines davon ist meins“, dann sind das die Momente, die neben dem ‚Ernten‘ der jeweiligen Zutaten den Reiz der Filme ausmachen. Was sie schließlich da zusammenkocht (ohnehin nach den Angaben eines englischen Beefeaters), macht nicht immer den besten Eindruck. Aber was soll’s. Wenn Sarah Wiener ihre Professionalität wegen unzureichender Küchengeräte nicht ausspielen kann und den Dialekten der Landbevölkerung hilflos ausgeliefert ist (welche für Kontinentaleuropäer fast unverständlich sein können), dann erhöht das nur den Respekt, den der Zuschauer ihr zollen muss.

(Noch 5 Tage auf Arte, täglich um 19.30)

3 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. anton bibersberg |

    lieber herr siebeck!
    auch ihnen muss klar sein, wenn frau wiener einen raum betritt, dass die kamera da schon mindestens eine stunde stand.
    ich kann verstehen, dass man auf die herstellung von essen abfährt. die in dem film geschilderte hochhaltung des moorhuhns ist auch sehr lustig. es ist die industrie oder tourismus.

    ich finde auch werbung für so einen industriezweig ok, weil er ist so minimal, dass es eh keinen kümmert, geschweige. dass es jemand sieht.

    aber jetzt einen fernsehsender, der ausser happy go lucky wirklich wenig zu bieten hat im täglichen ideologiesturm hervorzuheben…das muss moorhühner zur verzweiflung bringen.

  2. anton bibersberg |

    http://www.youtube.com/watch?v=3uGJLGTvPSQ
    wie man militarismus auch im kochen
    umgeht
    viel spass!

  3. Peter S |

    Nur zur Vollständigkeit:
    Nach der Provence und vor England war Sarah Wiener in Österreich unterwegs.

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