DER SCHÖNSTE PLATZ….

III.

In der unlängst hier erschienenen 2. Folge der Traumkneipe des tollkühnen Seiteneinsteigers beschrieb ich La Merenda, das einzigartige Bistro in Nizza. Man kann es imitieren, so wie man auch die Reichskanzlei im Filmstudio nach­bauen kann. Aber der Erfolg dieser Miniatur ist schwer wiederholbar, weil er auf der Individualität von Dominique Le Stang beruht, der für die Treue seiner Stammkunden unverzichtbar ist, diese Mischung aus Bohéme und unangepassten Genießern.

Damit ist eine wichtige Eigenschaft genannt, die für das Gelingen einer Restaurantgründung unverzichtbar ist: Ein genussfreudiges Publikum, das seine Dankbarkeit gegenüber dem Wirt durch regelmäßiges Erscheinen bekennt.

Der Rest ist fast beliebig. Gäbe es da nicht einige Details, welche der Beliebtheit eines Lokals förderlich sind.

Da ist zunächst der äußerliche Eindruck. So kann eine Holzhütte an einem stillen See nicht weniger verführerisch sein, als die auf einer saftigen Alm. Mancher Großstädter isst seinen Nudelteller auch gerne in einem umgebauten Bus, einem sogenannten ‚Diner‘.

Aber die meisten Gastronomen in spe träumen eher von einem ebenerdigen Lokal mit kleiner Küche und maximal 45 Sitzplätzen. Das beherrscht der Koch mit seiner Partnerin zur Not auch allein, wenn ihnen eine arme Verwandte beim Spülen hilft.

In manchen Ländern erschweren die Behörden den Stapellauf des „Le Gourmet“ durch Auflagen, die den Denkmalschutz oder die Hygiene betreffen und einen Ortswechsel ratsam erscheinen lassen; denn monatelange Auseinandersetzungen mit schlecht be­zahlten Bürokraten können zer­mürbend sein. Zumal in Ländern, wo sie nicht bestechlich sind.

Danach gilt wie beim Antrittsbesuch des künftigen Schwie­gersohns: Der erste Eindruck ist der beste. Der setzt sich zusammen aus dem Zustand der Speisekarte und dem des Schaufensters, durch das man einen Blick nach innen werfen möchte. Geht aber aus vernünftigen Gründen fast nie. Weil ein kluger Wirt seine Gäste vor der Neugier der Spaziergänger schützt. Dazu verhängt er gerne die Fenster mit dicken Vorhängen. Grundfalsch!

Wer will schon seine Spinatsuppe mit dem pochierten Ei in einer Grabkammer der Ägypter löffeln? Draußen scheint die Sonne, und hier drinnen herrscht gedämpftes Kunstlicht. Das empfinden die meisten Menschen unbewusst als unnatürlich, als bedrückend. Also wird das (werden die) Fenster nur zur Hälfte abgedeckt. Am praktischsten mit einer Messingstange, in halber Höhe angebracht, an der undurchsichtige Gardinen hängen. Oberhalb der Stange kann das Markenzeichen des Lokals angebracht werden. Die freie Fensterfläche sollte aber erst dort beginnen, wo ein normal großer Passant nicht mehr hineinsehen kann.

Bei der Eingangstür darf der Einblick etwas großzügiger sein, weil dahinter kein Platz für einen Tisch ist. Vor der Tür hingegen muss Platz für die Raucher sein, welche erfahrungsgemäß mehrmals während eines Abendessens vor die Tür gehen, um ihrem Laster zu frönen, was ihnen innen wohl auf längere Zeit untersagt sein wird.

Daher ist es ratsam, vor der Tür die benötigten Aschenbecher aufzustellen. Eine freundliche Geste gegenüber den Nikotinsüchtigen ist das Anbringen einer Markise oder eines Glasdachs über dem Eingang. Denn nicht immer scheint die Sonne so, wie es die Maklerin versprochen hat.

Hier folgt eine persönliche Beobachtung: Je eleganter und teurer ein Restaurant ist, um so weniger Raucher flüchten beim Essen vor die Tür. Triebunterdrückung nennt man das seit Freud, der darin den Beginn aller Kultur sah. (Er war Zigarrenraucher und dachte bei Unterdrückung ausschließlich an Sex.)

Betritt der Gast Ihr neues Etablissement zum ersten Mal, sollte er nicht auf die Hilfe eines mit der Taschenlampe ausgerüsteten Kellners angewiesen sein, um sich im schummerigen Licht zurechtzufinden. Wenn er knutschen will, geht er mit seinem Schatz ins Kino, ist zu hoffen. Hat er aber den letzten Krieg noch erlebt, kann es passieren, dass ihn angesichts der Verdunkelung unbewusste Ängste befallen. Panikattacken im Feinschmeckerlokal sind weder für ihn noch die Umsitzenden appetitanregend.

Auch wenn alternative Sparkommissare vorwurfsvoll die Stirne runzeln: Sparen Sie nicht bei der Beleuchtung! Die Zeiten, dass tatsächlich ein Kellner seine Taschenlampe anknipste, wenn er die Rechnung brachte, wie bei Elaine’s in Manhatten, sind endgültig vorbei, seit sie den Kippenheimer Jockey Club in eine Sushi Bar verwandelt haben.

(wird fortgesetzt)

Schreibe einen Kommentar